Die Rinder grasen auf der Wiese, ihre Augen sind verdeckt von ihrem zottligen Fell, die Fliegen schwirren um ihren Kopf, das Wasser auf der Weide steht ihnen fast bis zum Bauch. Denn diese schottischen Hochlandrinder stehen nicht auf irgendeiner Weide, sondern leben das ganze Jahr im Gundelfinger Moos. Das bedeutet, dass sie im Winter auch mal im Wasser waten. Im Sommer ist der Boden unter ihren Hufen aber trockener. Um sie kümmern sich die zwei Gundelfinger Landwirte Georg Wiedemann und Winfried Bayer und die Landwirtin Tina Niess aus Sontheim an der Brenz. Die Drei sind "Moor-Klimawirte“. Als Ziel haben sie sich gesetzt: Neben ihrer konventionellen Vieh-Landwirtschaft auch nachhaltig zu arbeiten. Denn: "Klimaschutz ist uns wichtig", sagt Niess.
Drei Moor-Klimawirte halten Gundelfinger Moos schottische Hochlandrinder
Ihre 23 Rinder weiden auf 26 Hektar Moorweide. Auf weiteren 20 Hektar wächst das Winterfutter. Als ein Gundelfinger seine schottischen Hochlandrinder, die besonders robust sind, aufgab, sah das Trio darin eine Chance und übernahmen die Tiere. Über die bayerisch-württembergische Grenze hinaus verbindet die Drei ihre Leidenschaft für das Moos und ihr Einsatz für den Moorschutz. Das Trio kennt sich schon seit mehreren Jahren, sie helfen das Gundelfinger Moor mit der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Schwäbisches Donaumoos zu pflegen. Sie möchten das Moor erhalten und der nächsten Generation in einem guten Zustand übergeben. Dazu kommt aber auch der wirtschaftliche Aspekt, also das Fleisch der Rinder zu verkaufen. Gemeinsam haben sie dafür 2018 die Biomoos GbR gegründet und ihre Flächen im Gundelfinger Naturschutzgebiet zusammengelegt.
Als „Moor-Klimawirte“, abgekürzt auch MoKli genannt, sind sie nun Vorreiter eines Projekts des Deutschen Verbands für Landschaftspflege. Das Ziel ist es, mehr Landwirtinnen und Landwirte für die Arbeit im Moor zu gewinnen. Darauf gründet sich das neue Berufsbild der Moor-Klimawirt oder -Klimawirtin, die das Klima schützen, indem sie Moorböden bewirtschaften. Möglich ist das durch den Anbau von Paludi-Dauerkulturen, also sind Pflanzen, die auf nassen Moorböden gut wachsen, oder der extensiven Weidehaltung auf den Nasswiesen.
Diese Chancen bietet das Gundelfinger Moor in der Klimakrise
Denn Flächen, wie das Gundelfinger Moos, sind eine große Chance in der Klimakrise. Moore sind Feuchtgebiete, die Kohlenstoff binden und in denen sich durch Luftabschluss unter Wasser über Jahrtausende eine dicke Torfschicht aus Pflanzenresten gebildet hat. Doch vor Jahren begann man im Gundelfinger Moos, wie fast überall, das Moor mit Gräben zu entwässern. Um so auf den neu gewonnenen Ackerflächen, Nahrung für die wachsende Bevölkerung anzubauen. Eine Entscheidung mit Folgen, da Torf sich im Kontakt mit Sauerstoff zersetzt. Dadurch gab es immer weniger Torf, auch das gespeicherte CO2 wurde dabei in die Luft freigesetzt. Hinzu kam der Abbau von Torf, der als Brennstoff oder als Füll- und Dämmmaterial im Häuserbau und heute für die Blumenerde verwendet wird.
Das Gundelfinger Moos ist keine Ausnahme, derzeit sind etwa 95 Prozent der Moorböden in Deutschland entwässert und werden zum größten Teil von der Landwirtschaft genutzt. Rund 37 Prozent aller Treibhausgasemissionen werden durch die Bewirtschaftung von entwässerten Moorböden verursacht, obwohl diese nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmachen.
Das Gundelfinger Moos soll wieder Kohlenstoff speichern
Das Ziel des Naturschutzes und der drei Gundelfinger Moor-Klimawirte ist es deswegen: Das Gundelfinger Moos soll wieder Kohlenstoff speichern, indem es wieder vernässt wird. Damit kennt sich Anja Schumann von der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Schwäbisches Donaumoos. Der Landwirtschaftspflegeverband, mit Sitz in Leipheim, setzt sich seit 30 Jahren für die Renaturierung des Moores ein. Zusammen mit Landwirtinnen und Landwirten befreien sie das trockengelegte Moor von Büschen und Bäumen, die sonst dort nicht wachsen würden. Für die Vernässung brauche es oberflächennahe Wasserstände und einen langzeitigen Wasserüberschuss im Moor. Um den Wasserstand anzuheben, sei meist ein Rückbau der Entwässerungsgräben und ein Anstau des Wassers im Gebiet notwendig, erklärt Schumann. Bei der Renaturierung des Gundelfinger Mooses, das im Naturschutzgebiet stattfindet, werde einer der großen Gräben, der „Roher Teichgraben“, zugemacht, damit das Wasser im Winter im Moor bleibt. Danach sollen kleinere Gräben ebenfalls verpropft werden.
Doch die Arbeit im Moor ist aufwendig. "Es ist viel Körpereinsatz gefordert", sagt die Landwirtin Tina Niess. Wenn man im Moor eine nasse Fläche übersieht, versinken sie auch mal bis zur Hüfte. Oder der Traktor "säuft ab", wie der Gundelfinger Winfried Bayer berichtet. Auf den Weiden unter dem Gras sind die Wasserflächen. Und schwups gibt der Boden nach. Wenn der Traktor eingesunken ist, kommt die Seilwinde zum Einsatz.
Nur nicht absaufen: Die Arbeit im Moor in Gundelfingen ist aufwendig
Jeden Tag ist mindestens einer der Moor-Klimawirte im Gundelfinger Moos und schaut bei den Tieren nach dem rechten. Die Weiden müssen ausgemäht werden, damit Strom auf den Zäunen bleibt. Die 20 Hektar Moorweide für Winterfutter oder Einstreu wird zu verschiedenen Mähzeitpunkten von Juni bis August gemäht. Grund dafür ist der Naturschutz: So können die verschiedenen Vogelarten im Gundelfinger Moos sich auf die nicht gemähten Flächen zurückziehen, dort Futter suchen und brüten. Und auch die Störche freuen sich, wenn gemäht wird. Dann können sie leichter Frösche und Insekten herauspicken.
Auch das Mähen im Moor ist besonders: Nur mit vier Kilometern pro Stunde tuckern die Landwirte mit ihrem Traktor mit breiten Reifen über die Moorweiden, um ja kein Wasserloch zu übersehen. Das machen sie mit einem Doppelmessmähwerk, das die Grashalme nur abschneiden und nicht ausrupft. So knicken die Halme, an denen Insekten und Amphibien sitzen, einfach um. Sonst sterben etwa 92 Prozent er Tierchen auf einer Wiese beim Mähen mit einem herkömmlichen Rotationsmähwerk.
Mit den tückischen Wasserlöchern müssen die Landwirte und die Landwirtin gerade im Sommer nicht kämpfen – was aber ein anderes Problem verdeutlicht. "Dieses Jahr ist super trocken und es wird die Tage keinen Niederschlag geben", sagt Wiedenmann. Letztes Jahr sei um diese Zeit noch überall im Moos Wasser gestanden. "Das ist bestimmt auch durch den Klimawandel bedingt", sagt er.
"Aktuell ist es im Gundelfinger Moos extrem trocken"
Das bestätigt Anja Schumann von der ARGE Schwäbisches Donaumoos: „Aktuell ist es im Gundelfinger Moos extrem trocken.“ Das schwäbische Donaumoos erstreckt sich auf 4000 Hektar von Weisingen bis nach Lauingen. Dazu gehört auch das Leipheimer Moos, das seit 2011 renaturiert ist. Schumann zufolge ist die aktuelle Trockenheit der Effekt der letzten drei bis vier Jahre. Wenige Niederschläge hätten dazu geführt, dass der Grundwasserspiegel gesunken sei. Auch in regenreichen Sommern, wie im vergangenen Jahr, versickere der Regen in den oberen Zentimetern des Bodens und dringe nicht bis zum Grundwasser vor.
Doch die Moor-Klimawirte im Gundelfinger Moos denken nicht nur an den Klimaschutz, sondern auch an das Wirtschaftliche. Das Fleisch der Rinderherde im Moor verkaufen sie bisher als Fleischpakete. Im Winter wird dafür geschlachtet. Es werden Tiere nur getötet, wenn das davor komplette verkauft ist. Im vergangenen Jahr waren es sechs. Dafür arbeiten sie zusammen mit einem regionalen Metzger, damit die Anfahrtswege kurz sind.
Aber es stellt sich die Frage, wenn den Landwirten und der Landwirtin Klimaschutz so wichtig ist, warum betreiben sie dann noch alle ihre konventionellen Betriebe? Das IPCC, die größte wissenschaftliche Organisation von Klimaforschern, ist zu dem Schluss gekommen, dass das Nahrungsmittelsystem bis zu 37 Prozent aller vom Menschen verursachten Treibhausgase ausmacht, dazu trägt Nutztierhaltung wesentlich bei. Die Sontheimerin antwortet für ihre Kollegen darauf: "Für mich schließen sich mein konventioneller Betrieb und der Klimaschutz nicht aus. Ich möchte die Artenvielfalt und den Klimaschutz vorantreiben, um das Gundelfinger Moos voranzubringen."
Moor-Klimawirte in Gundelfingen werden vom Freistaat gefördert
Aus finanzieller Sicht lohnt sich die Arbeit für die Moor-Landwirte noch nicht. „Es deckt die Kosten, aber wir machen keinen Gewinn“, sagt Widenmann. Unterstützt werden sie für ihre Klimaschutz-Arbeit jedoch durch Förderprogramme, wie das Vertragsnaturschutzprogramm vom bayerischen Umweltministerium und Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) vom bayerischen Landwirtschaftsministerium. Aber daran finden sie auch Kritik: Die Förderungen sind auf mineralischen Boden bezogen. Doch der Arbeitsaufwand im Moor ist zeitlich gesehen aufwendiger, wir aber finanziell nicht berücksichtigt. „Aktuell betreiben wir alles sehr idealistisch“, sagt Wiedenmann.
Doch das Moor-Klima-Trio findet viel Freude an der anstrengenden, aber auch schöne Arbeit, wie Landwirtin Niess erklärt: "Wir lieben das Gundelfinger Moos, genießen die Artenvielfalt dort und einfach jeden Tag dort zu sein."