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Landkreis Dillingen: Wo im Landkreis Dillingen noch Windräder gebaut werden können

Landkreis Dillingen

Wo im Landkreis Dillingen noch Windräder gebaut werden können

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    Auch im Landkreis Dillingen könnten noch mehr Windanlagen gebaut und wirtschaftlich betrieben werden.
    Auch im Landkreis Dillingen könnten noch mehr Windanlagen gebaut und wirtschaftlich betrieben werden. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Herr Barth, Deutschland muss den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion massiv ausbauen, um die Klimaziele zu erreichen und so seinen Beitrag zu leisten. Ein Weg dahin führt über die Windenergie. Unsere Karte basiert auf dem Energie-Atlas Bayern und zeigt die durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten in 160 Meter Höhe im Landkreis. Wie schätzen Sie mit Blick darauf das Windkraftpotenzial ein?
    DR. HANS-JÖRG BARTH: Das Potenzial ist da. Überall, wo die Karte rot-orange ist, können Windenergieanlagen wirtschaftlich betrieben werden. Wir haben vor zehn Jahren für jede Gemeinde im Kreis Potenzialanalysen gemacht. Nur war es so, dass kurz darauf die 10-H-Regel kam und sich in Bayern niemand mehr getraut hat, das Thema Windenergie anzugehen. Aber die Zeiten ändern sich. Aktuell ist wieder mehr Bereitschaft da, vor allem in der Bevölkerung. Jede Gemeinde kann für Flächen im Gemeindegebiet einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufstellen und so die 10-H-Regel umgehen.

    Die 10-H-Regel ist aber nicht das einzige Hindernis. Der Blick auf die Karte zeigt auch Natur- und Vogelschutzgebiete. Dazu kommen die Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH), entlang der Donau und im Dreieck zwischen Schwenningen, Bissingen und Mödingen.
    DR. HANS-JÖRG BARTH: Bayern ist bei den FFH-Gebieten ziemlich strikt, auch wenn sie laut Ministerium kein absolutes Ausschlusskriterium darstellen. In anderen Bundesländern wird das lockerer gehandhabt. Es sind aber für jeden Standort immer naturschutzfachliche Untersuchungen notwendig, wenn man eine Windkraftanlage bauen möchte: Für alle Studien, die man für das Genehmigungsverfahren braucht, muss man heute mit 200.000 Euro Kosten rechnen. Das ist viel Vorleistung für einen unsicheren Genehmigungsbescheid und erschwert es besonders Bürgeranlagen, realisiert zu werden. Denn hier ist das nötige Risikokapital nicht vorhanden. Dennoch ermutigen wir Gemeinden, nicht auf Investoren von außen zu setzen, sondern auf

    Oft stehen Vogelarten dem Bau im Weg. Beispiel Rotmilan. Auch wenn er laut einem EU-Forschungsprojekt etwa durch Gift und Krankheiten deutlich gefährdeter ist, als durch Windräder, verhindert er trotzdem oft neue Anlagen. Muss man den Artenschutz für die Energiewende zurückstellen?
    DR. HANS-JÖRG BARTH: Nicht generell zurückstellen. Das geht zu weit. Aber standortbezogen müssen wir flexibler werden. Ich will nicht die Energiewende gegen den Artenschutz ausspielen. Aber so wie es jetzt gehandhabt wird, kann es nicht weitergehen. In Wildpoldsried (Der 2500-Einwohner-Ort im Oberallgäu hat sich selbst den Beinamen "Das Energiedorf" gegeben. Dort wurden seit 2000 elf Bürgerwindraftanlagen gebaut, Anm.) hat die Population der Rotmilane stark zugenommen, seit die Windräder stehen. Das spricht offensichtlich dafür, dass Windräder die Vögel nicht vertreiben.

    Hans-Jörg Barth berät den Landkreis Dillingen zu Fragen der Energiewende.
    Hans-Jörg Barth berät den Landkreis Dillingen zu Fragen der Energiewende. Foto: Hermann Rupp, Eza!

    Eine Faustregel besagt: Ab 6 Meter pro Sekunde Windgeschwindigkeit lohnt sich ein Windrad. Es gibt aber viele Stellen, an denen der Energie-Atlas Windgeschwindigkeiten von knapp unter 6 Metern pro Sekunde anzeigt. Beispielsweise nahe Zusamaltheim und Laugna mit 5,9, südlich von Holzheim und bei Lutzingen 5,8. Was gilt für diese Bereiche?
    DR. HANS-JÖRG BARTH: Bevor man ein Windrad baut, muss man die Geschwindigkeiten vor Ort messen. Idealerweise ein Jahr lang. Das ist sehr wichtig, um die Wirtschaftlichkeit abschätzen zu können. So eine Anlage kostet fünf bis sechs Millionen Euro. Gerade bei Bürgeranlagen wäre es verheerend, wenn sich das am Ende nicht rechnet. Neben der Windgeschwindigkeit gibt es aber noch andere Faktoren, die untersucht werden müssen: Wie ist die Zuwegung, müssen erst Wege oder Straßen gebaut werden? Wo ist der nächste Einspeisepunkt ins Stromnetz? Diese Faktoren können die Kosten stark beeinflussen.

    Photovoltaikanlagen oder Windkraft. Was lohnt sich im Landkreis Dillingen mehr?
    DR. HANS-JÖRG BARTH: Die Windkraft, ganz klar. Sie ist bei der Flächeneffizienz mit Abstand am besten, wenn es um erneuerbare Energien geht. Ein Windrad braucht 0,2 bis 0,5 Hektar Platz, Photovoltaik für die gleiche Leistung das 35-fache. Und Biogasanlagen das 100-fache.

    Kommen wir zu den Gegenargumenten. Erst kürzlich hat die AfD in einer Pressemitteilung behauptet, Windräder würden "fast die gesamte Lebensdauer" benötigen, um das bei der Produktion ausgestoßene CO2 wieder einzusparen.
    DR. HANS-JÖRG BARTH: Das ist Unsinn. In der Regel dauert das ein halbes Jahr. Bei Photovoltaikanlagen sind es beispielsweise zwei Jahre. Und die Anlagen halten länger als 20 Jahre.

    Acht Windräder drehen sich seit dem Frühjahr 2013 im Waldgebiet bei Zöschingen. Nun wurde am Fuß eines Windrades ein toter Wespenbussard gefunden. Die Vogelschützer sehen dadurch ihre Befürchtungen bestätigt.
    Acht Windräder drehen sich seit dem Frühjahr 2013 im Waldgebiet bei Zöschingen. Nun wurde am Fuß eines Windrades ein toter Wespenbussard gefunden. Die Vogelschützer sehen dadurch ihre Befürchtungen bestätigt. Foto: Ulrich Wagner

    In der Vergangenheit haben sich bei geplanten Projekten immer wieder Bürgerinitiativen gegründet, in Wittislingen etwa gab es vor Jahren massiven Widerstand.
    DR. HANS-JÖRG BARTH: Deswegen muss man mit den Bürgern reden und Projekte gemeinsam entwickeln. Nur dann bekommt man auch die nötige Akzeptanz. Diese Anlagen bieten eine geniale Entwicklungschance für eine Gemeinde: Die gesamte Wertschöpfung findet vor Ort statt. Das spült viel Geld in die Gemeindekassen. Nochmal das Beispiel Wildpoldsried: Dort gibt es etwa die Windhilfe, die Geld für Vereine und sozial Benachteiligte bereitstellt. Mit erneuerbaren Energien und speziell Windrädern steigt die Lebensqualität im Dorf.

    Vizekanzler Robert Habeck hat das Ziel ausgerufen, zwei Prozent der Fläche der Bundesrepublik für Windräder zu nutzen. Können die Anlagen angesichts dessen hier in der Region weiter verhindert werden?
    DR. HANS-JÖRG BARTH: Im Landkreis Dillingen werden es wahrscheinlich keine zwei Prozent der Fläche werden. Die Donauniederungen machen das kaum möglich. Und es gibt bessere Standorte. Aber wir werden nicht drum herumkommen, weitere Windräder zu bauen. Ich bin davon überzeugt, dass der Windpark in Zöschingen nicht allein bleiben wird.

    Sie haben 2012 die Potenzialstudie angefertigt und beraten den Landkreis in Sachen erneuerbare Energien. Wie schätzen Sie die Bereitschaft der lokalen Politik ein, mehr Windräder zu bauen?
    DR. HANS-JÖRG BARTH: Landrat Leo Schrell tut alles, was in seiner Macht steht, um sich für erneuerbare Energien einzusetzen. Die Gebäude des Landkreises sind fast komplett auf erneuerbare Energien umgestellt. Und er unterstützt auch die Kommunen seit Jahren mit verschiedenen Angeboten. Bei den Gemeinden wiederum hängt es immer vom Bürgermeister oder der Bürgermeisterin ab. Insgesamt ist der Landkreis, was die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien angeht, überdurchschnittlich gut: Es gibt viel Wasserkraft, Biogas und PV-Anlagen.

    Heißt das, man muss gar nichts mehr machen?
    DR. HANS-JÖRG BARTH: Nein, da geht immer noch mehr. In Dillingen werden rein rechnerisch 130 Prozent des Stroms produziert, der verbraucht wird. Das ist topp! Aber der Strom wird in den großen Städten wie Ulm oder Augsburg verbraucht. Die können den gar nicht selbst produzieren und sind auf das Umland angewiesen. Man kann also nicht bei 100 Prozent aufhören, besser wäre das drei- bis vierfache davon.

    Zur Person

    Dr. Hans-Jörg Barth ist Bereichsleiter Klimaschutz beim eza! - dem Energie- und Umweltzentrum Allgäu, das auch den Landkreis Dillingen berät.

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