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Landkreis Dillingen: Ukraine-Krieg: Wenn die Geflüchteten einfach nicht ankommen

Landkreis Dillingen

Ukraine-Krieg: Wenn die Geflüchteten einfach nicht ankommen

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    Bereits 2015 diente die Kreissporthalle in Gundelfingen als Ankunftszentrum für Flüchtlinge – wie auch jetzt. Doch untergebracht ist in der aktuellen Krise noch niemand.
    Bereits 2015 diente die Kreissporthalle in Gundelfingen als Ankunftszentrum für Flüchtlinge – wie auch jetzt. Doch untergebracht ist in der aktuellen Krise noch niemand. Foto: Stephanie Sartor (Archivbild)

    150 Menschen aus der Ukraine hätten am Freitag in der Gundelfinger Kreissporthalle ankommen sollen. Alles war bereit: Betten, Essen, freiwillige Helfer. Doch am Ende blieben die drei Busse aus Berlin fern – zum Leidwesen der Ehrenamtlichen. Wie es dazu kommen konnte.

    Lauingens Ex-Bürgermeister Georg Barfuß war am Freitag mit dabei. In einer E-Mail an unsere Redaktion beklagt er den Ablauf: Ehrenamtliche Dolmetscherinnen und Dolmetscher seien gebeten worden, sich ab 10.45 Uhr auf Abruf zu halten. Stunden später habe es geheißen, die Busse kommen gegen 16 Uhr an. Doch es passierte nichts. Gegen 17 Uhr habe ein Mitarbeiter des Landratsamts den Anwesenden eröffnet, man wisse gar nicht, ob überhaupt Geflüchtete kommen.

    Erst um 20 Uhr wusste das Landratsamt, dass wahrscheinlich niemand mehr ankommt

    Die drei Busse starteten am Freitag gegen 8 Uhr in Berlin, von dort sollten die Geflüchteten weiterverteilt werden. Für den Landkreis wäre es die erste große Aufnahme seit Beginn des Kriegs in der Ukraine gewesen. Doch selbst das Landratsamt, das am Donnerstagnachmittag von der bevorstehenden Aufnahme erfahren hatte, erhielt laut Pressesprecher Peter Hurler erst am Freitag gegen 20 Uhr den Hinweis vom Bayerischen Innenministerium, dass die Busse „mit großer Wahrscheinlichkeit“ nicht mehr ankommen.

    Einen direkten Kontakt zu den Busfahrern habe es nicht gegeben. Auch nach mehrmaliger Nachfrage habe das Innenministerium keine Telefonnummer weitergeben können. Denn: Die Federführung für die Verteilung der Flüchtlinge liegt beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Und das übermittle keine Kontaktdaten zu den Fahrern.

    Die ganze Sache ist ärgerlich: Neben den Mitarbeitern des Landratsamts waren am Freitag auch zig ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, von BRK über THW bis zu Dolmetschern, bereitgestanden – und das umsonst. Auch Essen und Hygieneartikel wurden zur Kreissporthalle gebracht und sollten verteilt werden.

    Statt 1400 kommen nur etwa 600 Ukrainerinnen und Ukrainer in Bayern an

    Die Sache ist kein Einzelfall: Knapp 1400 ukrainische Flüchtlinge hätten am Freitag in Bayern ankommen sollen, angekommen sind wohl nur etwas mehr als 600. Von den sechs für Dillingen und das Donau-Ries angekündigten Bussen kam nur ein einziger an – in Donauwörth.

    Das Landratsamt zieht daraus bereits Konsequenzen: Hurler zufolge habe man ans Innenministerium bereits herangetragen, dass künftig eine zuverlässige Information über Tag und Uhrzeit der Ankunft von Bussen notwendig sei, um ordentlich vorbereitet zu sein. Außerdem wolle man Kontaktdaten zu den jeweiligen Busfahrern.

    Einen zweiten Anlauf Montagnacht lehnte das Landratsamt wohl ab: Die Regierung von Schwaben habe am Sonntag angefragt, ob der Landkreis zwischen 2 und 3 Uhr Geflüchtete in Gundelfingen aufnehmen könne. „Diese Anfrage wurde aufgrund der Erfahrungen vom vergangenen Freitag abgelehnt, zumal uns auf Nachfrage nur vage Auskünfte gemacht werden konnten, woher die Busse dieses Mal kommen sollen.“ Auch eine konkrete Personenzahl konnte wohl niemand nennen. Im Landratsamt hielt man es laut Hurler deshalb für nicht vertretbar, 30 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in Bereitschaft zu versetzen. Außerdem habe das Ministerium am Samstag mitgeteilt, dass an dem Wochenende keine weiteren Busse ankommen würden.

    "Diese Unfähigkeit schlägt dem Fass den Boden aus"

    Diese Wirrungen der Bürokratie kritisiert auch Barfuß: „Ich war immer so stolz auf mein Deutschland, aber diese Unfähigkeit schlägt dem Fass den Boden aus“, schreibt er. „Das Schlimme sind nicht die übrig gebliebenen Semmeln, sondern die Kaltschnäuzigkeit, mit der man das ehrenamtliche Engagement der Helfer abgetan hat.“

    Und was sagen andere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer? Beim Roten Kreuz in Dillingen ist man deutlich entspannter. „Warten ist unser Job“, sagt Wilhelm Nittbaur. Er ist Katastrophenschutzbeauftragter und Einsatzleiter beim BRK und war am Freitag selbst vor Ort. Natürlich sei das eine „ungute Geschichte“ gewesen. Aber niemand im Landkreis könne etwas dafür. Für die Ehrenamtlichen vom

    Kreisgeschäftsführer Stephan Härpfer sieht es ähnlich. Er zieht den Vergleich zu 2015: Damals seien die Busse rechtzeitig angekündigt gewesen – und seien auch gekommen. „Da war das planbar.“ Aber jetzt sei die Situation eine andere. Es gebe viel mehr private Transporte als vor sieben Jahren, entsprechend sei der organisatorische Aufwand für alle ein ganz anderer. Eines habe er beim BRK gelernt: „In einer Krise ist nichts fest und planbar.“ Es sei aber nur eine Frage von Stunden oder Tagen, bis die ersten Busse mit Geflüchteten im Landkreis ankommen. Und dann sei das BRK bereit. „Unsere Leute machen das aus Überzeugung.“ Wenn so etwas wie am Freitag da ein, zwei, drei Mal passiere, sei das nicht so schlimm.

    Schmälern solche Vorfälle die Hilfsbereitschaft?

    Marcus Bröldieck vom Münchner Catering-Unternehmen Navitas war am Freitag ebenfalls bereit. Die Firma beliefert Ankunftszentren wie das in Gundelfingen mit Essen. Er sagt, es sei schon frustrierend gewesen. Alles sei bereitgestanden. „Und dann wird das alles abgeblasen.“ Es sei aber nicht das erste Mal, dass so etwas passiert.

    Er stehe jetzt auf Abruf – genau wie seine ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die das Essen ausgeben. Und Bröldieck hat noch ein Anliegen: Er suche weitere Freiwillige, die bei der Essensausgabe helfen. Wer mag, könne sich unter 015753923469 melden. Man werde dann in eine Whatsapp-Gruppe aufgenommen, in der die Arbeiten verteilt werden.

    Ob solche Vorfälle die Hilfsbereitschaft schmälern? Beim BRK ist man zuversichtlich. Barfuß kündigt ebenfalls an: „Natürlich werden wir wieder kommen.“ Beim Landratsamt verstehe man die Enttäuschung. Landrat Leo Schrell zolle den Ehrenamtlichen deshalb großen Respekt, „dass sie sich unabhängig von den Erfahrungen des Freitags selbstverständlich bereit erklärt haben, sich auch weiterhin bei der Bewältigung der großen Herausforderungen zu engagieren“, schreibt Hurler.

    Alle Nachrichten zum Verlauf des Krieges können Sie stets in unserem Live-Ticker nachlesen.

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