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Ellwangen/Hochstein: Nach SEK-Einsatz in Hochstein: Reichsbürger muss hinter Gitter

Ellwangen/Hochstein

Nach SEK-Einsatz in Hochstein: Reichsbürger muss hinter Gitter

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    Im Bissinger Ortsteil Hochstein waren im Februar Spezialkräfte der Polizei unterwegs, um einen Reichsbürger festzunehmen. Der Mann war nicht vor Gericht erschienen.
    Im Bissinger Ortsteil Hochstein waren im Februar Spezialkräfte der Polizei unterwegs, um einen Reichsbürger festzunehmen. Der Mann war nicht vor Gericht erschienen. Foto: Markus Brandhuber

    Wer am Mittwoch die Verhandlung am Ellwanger Amtsgericht besuchen wollte, sah sich einer überraschend großen Zahl Uniformierter gegenüber, die das Gebäude sicherten: Justizwachtmeister, Polizisten, sogar Beamte der Sicherheitsgruppe der Gerichte und Staatsanwaltschaften, einer Sondereinheit, die Prozesse mit mutmaßlich hohem Sicherheitsrisiko absichert. Der mittelgroße, stämmige Mann, der zu Beginn der Verhandlung mit Handschellen und Fußfesseln hereingeführt wurde, wirkte im Vergleich zu diesen Vorkehrungen trotz seiner Camouflage-Kleidung regelrecht harmlos. „Hallo Schatz“, rief er seiner Frau im Gerichtssaal zu, bevor er neben seinem Verteidiger Platz nahm. Weitere Besucher gab es nicht.

    Das Wort „harmlos“ fehlte freilich in der Anklage, die ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Stuttgart verlas: Um unerlaubten Waffenbesitz ging es, um den Handel mit Waffenteilen, um das Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen und um Volksverhetzung. Dem Vorhalt von Amtsgerichtsdirektor Norbert Strecker, er sei ein Neo-Nazi entgegnete der 46-Jährige, er sei vielmehr „Neo-Nationalsozialist“. Dieser vermeintliche Unterschied war ihm wichtig.

    Der Einsatz in Hochstein erregte Aufsehen

    Eigentlich sollte der Prozess schon im August 2022 stattfinden. Damals tauchte der Angeklagte jedoch unter, während die übrigen Prozessbeteiligten auf ihn warteten. Erst Ende Februar war er dann in Hochstein nahe Bissingen ausfindig gemacht und in einem aufsehenerregenden Einsatz von Spezialkräften der Polizei verhaftet worden. Der Konvoi von Einsatzfahrzeugen war damals auch im Landkreis Heidenheim zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern aufgefallen. Seit August habe er unter anderem vier Monate lang im Wald gehaust, sagte der Mann. Er sprach von einer „politisch motivierten Hetzjagd“, derentwegen er sich dem Prozess entzogen habe.

    Was ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legte, war ein ganzes Bündel einzelner Delikte. Der Mann hatte 2017 auf einer offenbar bei Rechtsradikalen beliebten Plattform ausgetauscht und Nachrichten mit dem Hitlergruß und anderen verbotenen Formeln hinterlassen. Auf der Webseite seines eigenen Unternehmens, über die er unter anderem Optiken für Jagdwaffen aber auch Basteleien mit Nazi-Motiven verkaufte, setzte er einen Link zu einer Seite, auf der die deutsche Verantwortung für den Holocaust rundweg geleugnet wurde. Angeklagt wurde er dafür wegen Volksverhetzung, der Verteidiger sah darin hingegen lediglich „Dinge, die nicht so appetitlich sind“. Der Angeklagte räumte diese Vorwürfe rundweg ein.

    Der Angeklagte stammt aus einem Neresheimer Ortsteil

    Der größte Komplex der Anklage umfasste den Besitz unerlaubter Waffen und den Handel mit Waffenteilen. Dass er selbst Schusswaffen besessen habe, räumte der Mann ein. Bei einer Hausdurchsuchung in seinen Räumen in einem Neresheimer Ortsteil waren zahlreiche Waffen, Waffenteile und annähernd 200 Stück Munition gefunden worden. Er habe für den Fall vorsorgen wollen, dass er sich verteidigen müsse, sagte der Angeklagte. In mehreren Fällen hatte er Waffenläufe verkauft, die als Dekostücke deklariert waren. Laut einem Gutachten des Landeskriminalamtes Stuttgart konnten diese Läufe mit einem Mindestmaß an handwerklichen Fähigkeiten und dem Inventar einer Hobbywerkstatt scharf gemacht werden. Damit sind diese Teile echten Waffen rechtlich gleichgestellt. Mehrere Kunden solcher Läufe werden in gesonderten Verfahren juristisch belangt.

    Die Verteidigung zweifelte die Möglichkeit dieser Umnutzung an. Zum Aufbohren brauche es spezielle Fertigkeiten. Daher stellte der Anwalt nebst anderen den Antrag, der LKA-Gutachter solle im Gerichtssaal vorführen, wie er einen der Läufe scharf mache. Das Schöffengericht um Richter Strecker lehnte die Anträge allesamt ab.

    Dass sein Mandant bereits rund zwei Dutzend Mal vor Gericht gestanden und etliche Male im Gefängnis gesessen hatte, wusste der Verteidiger ebenfalls in dessen Sinne zu deuten: Die Delikte seien im Laufe der Zeit immer geringfügiger geworden. Dass sein Mandant regelmäßig beim Fahren ohne Führerschein erwischt werde, wollte er kaum als Vergehen werten: „Fahrerisches Können hängt nicht von einer behördlichen Erlaubnis ab.“

    Eine "sehr erhebliche" Menge an gefundener Munition

    Der Staatsanwalt hielt dem 46-Jährigen zwar seine weitgehenden Geständnisse zugute, er habe aber auch in vollem Bewusstsein, dass sie aufgebohrt werden könnten, mit Läufen gehandelt. Auch die „sehr erhebliche“ Menge an gefundener Munition wertete der Ankläger zulasten des Mannes. Er forderte drei Jahre Haft, während die Verteidigung eine Bewährungsstrafe forderte.

    Bewährung gewährte das Schöffengericht nicht mehr, blieb mit zwei Jahren Haft aber unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung kündigte noch im Gerichtssaal an, eine weitere Instanz anrufen zu wollen. Weil das Gericht Fluchtgefahr erkannte, bleibt der Mann somit vorerst in Untersuchungshaft.

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