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Dillingen: Toter Dreijähriger aus Dillingen: Ein Schlag könnte gereicht haben

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Toter Dreijähriger aus Dillingen: Ein Schlag könnte gereicht haben

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    Wie starb der Dreijährige aus Dillingen? Im Prozess sagte nun ein Gutachter aus.
    Wie starb der Dreijährige aus Dillingen? Im Prozess sagte nun ein Gutachter aus. Foto: Peter Fastl

    Was ist passiert, dass ein dreijähriger Bub aus Dillingen im Oktober 2019 nach Reanimation in der Wohnung und Operation im Krankenhaus dennoch gestorben ist? Hat ihn der 24-jährige Lebensgefährte der Kindsmutter schwer im Bauch verletzt? Durch Faustschläge? Oder kommt ein Unfallgeschehen, ein Sturz des Angeklagten mit dem Knie voraus auf das liegende Kind, in Frage?

    Wesentliche Informationen zur Beantwortung solcher Fragen wurden vor dem Augsburger Landgericht von den Gutachten von Rechtsmediziner Professor Randolph Penning sowie jenem des Biomechanikers Jiri Adamec erwartet, die am zehnten Verhandlungstag erstattet wurden.

    Am Körper des toten Buben aus Dillingen wurden Kratzer gefunden

    Schon während der Wiederbelebungsmaßnahmen in der Dillinger Wohnung hatte einer der Notärzte den Verdacht auf Gewalt gegen das später verstorbene Kind geäußert. Dann war es vor allem das Ergebnis der Obduktion in München, das zur Anklage des 24-Jährigen wegen Totschlags geführt hatte. Diese Obduktion hatten Penning und sein Team am 21. Oktober 2019 nur wenige Stunden nach dem Tod des Kindes vorgenommen.

    Dabei, so Penning, waren verschiedene Auffälligkeiten festgestellt worden. So seien im Gesicht des Kindes sogenannte Punktblutungen festgestellt worden, wie sie entstehen können, wenn jemandem beispielsweise mit einem aufgelegten Kissen die Luft abgedrückt wird. Oder wenn jemand massivst hustet oder unaufhörlich schreit. Am linken Handrücken des Buben hätten sich vermutlich schmerzhafte Kratzer gefunden, die wohl vom Spielen mit den beiden Hunden der Familie gestammt haben. Neben den vielen Spuren der vorangegangenen Wiederbelebung und Operation am Körper des Kindes wie Infusions- oder Katheder-Schläuchen seien Blutergüsse gefunden worden. Ältere etwa am Unterarm, ein neuerer am Rücken.

    Auffällig bei der inneren Untersuchung des Kindes seien die zuvor operierten Darmverletzungen sowie rund ein halbes Dutzend Einblutungen am Gewebe und an Organen im Bauchraum gewesen, die von stumpfer Gewalt herrühren müssten. Ein Schütteltrauma, heutzutage laut Penning todesursächlich bei annähernd 90 Prozent der kleinen Kinder ohne äußerlich erkennbare Verletzungen, könne im vorliegenden Fall wohl ausgeschlossen werden. Dafür sei der Bub mit 92 Zentimetern Körpergröße und 13 Kilo Körpergewicht schon zu groß gewesen.

    Wurden dem Dreijährigen aus Dillingen die Atemwege verlegt?

    Für die letztlich tödlichen Verletzungen im Bauchbereich könne aus seiner Sicht bereits ein einziger Schlag ausreichend gewesen sein – es könnten aber auch mehrere gewesen sein. Für wahrscheinlich anhand seiner Untersuchungsergebnisse erachtete es der Rechtsmediziner auf Nachfrage, dass dem anhaltend schreienden Kind die Atemwege verlegt worden seien, etwa durch ein Kissen, und dass von der genervten Aufsichtsperson Gewalt gegen den Bauch des Kindes ausgeübt worden ist – wobei eine Reihenfolge nicht klar feststellbar sei.

    Und dann war da die Frage nach dem angeblichen Kniefall zwischen einem Regal und dem Sofa im Wohnzimmer der Dillinger Wohnung. Kann es sein, dass der Angeklagte, wie er selbst vor Gericht behauptete, abgelenkt durch sein Handy nach einem Stolperer wegen einer am Boden liegenden Decke so mit dem Knie auf den am Boden spielenden Dreijährigen gestürzt ist, dass dadurch die schweren Verletzungen am Darm entstanden sind?

    Ist der Sturz wirklich so geschehen?

    Noch einmal holte sich das Gericht die Bewertung des Biomechanikers Jiri Adamec ein, der zuvor bereits über die Frage nach Faustschlägen gegen den Bauch referiert hatte. Der Gutachter hielt einen Kniestoß prinzipiell vorstellbar für die schwere Verletzung, ebenso wie einen Fußtritt oder einen Faustschlag.

    Weniger klar aus der Sicht des Gutachters: dass es überhaupt zu einem wie dem geschilderten Sturzgeschehen kommt. Dass jemand, ein gesunder junger Mann, mit den Knien voraus zu Boden stürzt, „ist nicht das, was man erwartet.“ Wahrscheinlicher wäre eine Bewegung des einen oder anderen Beins, quasi ein Stolpern, was einen Sturz mit den Knien voraus zu Boden verhindern würde. Aber ausschließen könne er einen solchen Sturz nicht, so Adamec. Aufgrund zu vieler fehlender Informationen könne die entsprechende Situation nicht zuverlässig nachgestellt werden. Den rechtsmedizinischen und biomechanischen Gutachten soll am kommenden Verhandlungstag jenes des Psychiaters folgen.

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