In unserer Artikelserie geht es heute um Sr. Maximiliana Messerer und Sr. Udalrika Baustel, sie waren die ersten klösterlichen Gehörlosenlehrerinnen Bayerns.
Im Sommer 1840 traten neben anderen jungen Frauen Maria Anna Messerer aus Zusamzell und Maria Afra Baustel aus Wittislingen in das 1827/29 wiedereröffnete Kloster der Franziskanerinnen in Dillingen ein. Sie ließen sich zur Lehrerin ausbilden und bestanden beide die Exspektantinnenprüfung mit hervorragendem Erfolg. Mit großer Hingabe starteten die beiden Schwestern ihren Unterricht an der Dillinger Mädchenschule. Sie waren sich der Herausforderungen bewusst, mit denen gehörlose Mädchen konfrontiert waren, mit denen sie täglich im Kloster als sogenannte „Kostkinder“ in Kontakt kamen.
Johann Evangelist Wagner unterstützte das Vorhaben
Die an das Schullehrer-Seminar angeschlossene Unterbringung gehörloser Kinder war lange Zeit unzureichend. Deshalb wandten sich Regierungsrat Dr. Joseph von Ahorner und Schullehrer-Seminar-Inspektor Pfarrer Andreas Büschel an die Franziskanerinnen des Klosters Dillingen. Sie baten die Schwestern, eine eigene Schule mit angeschlossenem Pensionat für gehörlose Mädchen zu gründen. Damit sollte nicht nur die Bildungsfrage, sondern auch die Unterbringung der sogenannten „Kostkinder“ – der gehörlosen Mädchen, die bis dahin von den Schwestern betreut und gefördert wurden – gelöst werden. Oberin Sr. Theresia Haselmayr erklärte sich in Absprache mit den Schwestern „mit Vergnügen“ bereit, den Unterricht für die gehörlosen Mädchen im Regierungsbezirk Schwaben und Neuburg zu übernehmen, was auch von Johann Evangelist Wagner, dem Beichtvater und Geistlichen Direktor der Schwestern, unterstützt wurde.
Bei einem Vortrag stellte Wagner den Kandidatinnen die Frage, welche bereit wären, Lehrerinnen für Gehörlose zu werden. Maria Anna Messerer und Afra Baustel meldeten sich und ließen sich im „Kgl. Bayer. Zentral-Taubstummen-Unterrichts- und Erziehungs-Institut“ in München zu Gehörlosenlehrerinnen ausbilden. Diese Ausbildung dauerte von Januar bis September 1846. Mit umfassendem Wissen und ausgezeichneten Zeugnissen kehrten sie zurück und wurden nach einer Vorbereitungszeit am 11. Februar 1847 in das Noviziat aufgenommen. Anna Maria Messerer erhielt den Ordensnamen Maximiliana, während Afra Baustel den Namen Udalrika annahm.
1847 erhielten die Dillinger Schwestern die Erlaubnis zum Gehörlosenunterricht
Die Verhandlungen von Sr. Theresia Haselmayr mit den Behörden zeigten Wirkung. Am 1. Januar 1847 erhielten die Dillinger Schwestern die Erlaubnis zum Gehörlosenunterricht. Noch während des Noviziates begann der Unterricht mit einer gehörlosen Schülerin am 3. Mai 1847 im Mutterhaus. In der Chronik des Mutterhauses heißt es: „Mit Feuereifer gingen die beiden jungen Lehrkräfte ans Werk, eröffneten den Mund der Stummen und machten die Zungen beredt.“ Für die beiden jungen Lehrerinnen war die Vorbereitung für den Unterricht sehr aufwendig, da sie das Anschauungs- und Unterrichtsmaterial selbst herstellen mussten. Neben dem täglichen Unterricht und den damit verbundenen Vorbereitungen kam auch das Ordensleben nicht zu kurz. Die Anzahl der Schülerinnen wuchs schnell, sodass sie in zwei Gruppen unterrichtet wurden. Sr. Udalrika Baustel übernahm die erste Klasse der jüngeren Schülerinnen und vermittelte die Fächer Sprache, Rechnen, Schreiben und Religion. Sr. Maximiliana Messerer unterrichtete die ältere zweite Klasse in Sprache, Rechnen, Schönschreiben und Religion sowie zusätzlich in Geographie, Geschichte, Naturlehre und Naturgeschichte. Am Ende jedes Schuljahres fand im Juli eine öffentliche Prüfung statt, die Interessierten Einblicke in die Schularbeit der Schülerinnen gewährte.
Die Zahl der Schülerinnen wuchs stetig, sodass es notwendig wurde, eine neue Bleibe für die neu zu gründende Schule zu finden. Regens Wagner, der die Schwestern stets unterstützte, erwarb 1854 die ehemalige Schwanenwirtschaft für 13.000 Gulden. Um diese Summe aufzubringen, gab er Aktienscheine an die Geistlichkeit aus, auch Theresia Haselmayr beteiligte sich mit einem großzügigen Betrag. Nach einigen Schwierigkeiten konnte das Haus Ende März 1855 bezogen werden, und zwar mit 25 Schülerinnen, drei erwachsenen gehörlosen Frauen und vier Schwestern. Für die entlassenen Schülerinnen, die in ihrer gewohnten Umgebung bleiben wollten, wurden Arbeitsräume eingerichtet. Regens Wagner hatte das Leitwort ausgegeben: „Wer uns Arbeit gibt, gibt uns Brot.“ Unter der Anleitung von Handarbeitslehrerinnen stellten die jungen Frauen hochwertige Kleidung, Wäsche, Haushaltswäsche, Strickwaren und kunstvolle Paramente zum Verkauf her.
Ab dem Schuljahr 1861/62 führte Sr. Udalrika Baustel eine Vorbereitungsklasse für neu hinzukommende oder ältere Schülerinnen ein, um ihnen den Schulstart zu erleichtern. Ab 1867 wurde zudem eine Fortbildungsschule für die Schulentlassenen eingerichtet, die aus einer Vielzahl von Angeboten wählen konnten.
Nach dem Umzug 1855 wurde Sr. Maximiliana Messerer zur Vorsteherin des Instituts berufen und übernahm neben dem Unterricht auch die organisatorischen Belange der Hausgemeinschaft. In der Chronik ist festgehalten: „Sie hatte für das Funktionieren einer Gemeinschaft von 60 bis 80 Personen zu sorgen, die Aufsicht über den Elementarunterricht, die Handarbeitssäle und die Ökonomie, die den wirtschaftlichen Grundstock darstellte, zu führen. Sie habe dies meisterhaft gekonnt und in unangenehmen Situationen stets die Ruhe bewahrt.“ Bis zu ihrem frühen Tod am 27. Februar 1867 war Sr. Maximiliana als Gehörlosenlehrerin tätig.
„Mitbegründerin“ von sechs Einrichtungen für gehörlose und geistig behinderte Menschen
Ihr nachfolgend wurde Sr. Udalrika Baustel im März 1867 zur Oberin gewählt. Sie war bis 1873/74 als Lehrerin in der Vorbereitungs- und Fortbildungsklasse tätig. Ihre Tatkraft und Zielstrebigkeit machten sie zur unentbehrlichen Mitarbeiterin von Regens Wagner, der sich intensiv um die Betreuung von Menschen mit Behinderungen kümmerte. Sr. Udalrika wurde zur „Mitbegründerin“ von sechs Einrichtungen für gehörlose und geistig behinderte Menschen. Am 16. November 1883 starb sie, tief betrauert von den ihr Anvertrauten.
Die 1847 eröffnete Gehörlosenschule mit Pensionat entwickelte sich zur „Keimzelle“ der heutigen Regens-Wagner-Stiftungen.
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