„Eins muss Ihnen klar sein, wir befinden uns im Bereich der Schwerkriminalität.“ Mit diesen Worten wandte sich der Staatsanwalt am Donnerstag an die vier Angeklagten aus dem Landkreis Dillingen. Sie mussten sich unter anderem wegen des Vorwurfs des schweren Raubs vor dem Schöffengericht verantworten.
Bei den Angeklagten handelt es sich um zwei junge Männer und zwei junge Frauen. Einer der Täter war zur Tatzeit gerade einmal 14 Jahre alt. Zusammen mit einem heute 23-Jährigen, dessen zwei Jahre jüngeren Cousine und einer Freundin, die inzwischen 22 Jahre alt ist, drang er 2018 in die Wohnung eines Dillingers ein.
Der Mann, mit dem eine der Täterinnen, so die Formulierung des Gerichts, eine „On-off-Beziehung“ gehabt habe, sei von den Angeklagten an der Wohnungstür überrascht worden, heißt es in der Anklageschrift. Die 21-Jährige sei der „Auslöser“ für die Tat gewesen, so die Überzeugung der Staatsanwaltschaft, denn sie habe Sachen aus der Wohnung ihres Ex-Freundes holen wollen.
Opfer kommt aus Dillingen und wurde leicht am Hals verletzt
Die Situation eskalierte jedoch, einer der Angeklagten verletzte das Opfer mit einem Messer am Hals. Die vier durchsuchten daraufhin die Wohnung des Mannes und stahlen eine Spielekonsole, Kleidung und Lebensmittel. Sein Handy zertrümmerten sie, als sie es nicht entsperren konnten, so der Staatsanwalt weiter in der Anklageschrift. Einer der jungen Männer griff das Opfer zudem körperlich an, schlug ihm mit der Faust in den Bauch.
Ein bewaffneter Überfall wie dieser wird im deutschen Rechtssystem als schwere Straftat gewertet, die mit mindestens drei bis fünf Jahren Haft geahndet wird, so betonte es der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Eine so lange Strafe kann theoretisch nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Trotzdem kamen die vier noch vergleichsweise glimpflich davon, denn die Pflichtverteidiger hatten im Vorfeld mit dem Gericht vereinbart, dass das Verfahren abgekürzt werden könne, sollten ihre Mandanten gestehen. Zeugen wurden daraufhin nicht mehr befragt. Das Opfer hatte sich ebenfalls bereits als Zeuge entschuldigt. Nach Informationen des Gerichts leidet der Mann seit der Tat an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Die vier ließen durch ihre Anwälte Geständnisse verlesen und entschuldigten sich beim Opfer. Sie verstünden nach eigener Aussage im Rückblick nicht, wie es zu der Tat kommen konnte. Der Angeklagte, der als Hauptverantwortlicher für die Messerattacke gilt, leidet, so seine Bewährungshelferin, an einer Impulskontrollstörung und brauche psychotherapeutische Betreuung.
Täter zeigten Reue und entschuldigten sich mit Amazon-Gutschein
Der jüngste der Angeklagten war zuvor wiederholt aufgefallen, weil er aus Heimen weggelaufen war, Drogen und Kräutermischungen konsumiert hatte. Im Mai vergangenen Jahres musste er wegen des Konsums solcher Kräutermischungen sogar ins Krankenhaus gebracht werden, wehrte sich jedoch vehement, in den Krankenwagen zu steigen, sodass die Polizei hinzugerufen werden musste. Aus diesem Grund wurde am Donnerstag auch eine Anklage wegen Widerstands gegen Polizeibeamte gegen den 17-Jährigen verhandelt. Das Gericht befand ihn jedoch aufgrund des Drogenkonsums bei dieser Tat nur als vermindert schuldfähig.
Das junge Alter der Täter und die Tatsache, dass sie geständig und reuig vor Gericht erschienen sind, wertete die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer als positiv. „Da müssen wir dann nicht das ganz große Besteck rausholen“, so der Ankläger. Richterin Gabriele Held wertete vor allen Dingen das junge Alter der Angeklagten sowie die Tatsache, dass sie alle geständig und einsichtig waren, als positiv.
Der 17-Jährige hat sich im Vorfeld um einen Täter-Opfer-Ausgleich bemüht, den das Opfer jedoch ablehnte. Die 21-Jährige sandte dem Opfer als Entschuldigung einen Amazon-Gutschein. Beim Strafmaß beschloss die Richterin zusammen mit zwei Schöffenrichtern einen Kompromiss zwischen den Forderungen der Verteidigung und dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Die beiden männlichen Haupttäter müssen demnach eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten beziehungsweise einem Jahr und sechs Monaten verbüßen. Die beiden Frauen erhielten drei Wochen Jugendarrest.
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