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Dillingen: Ein Blick zurück: Vor 50 Jahren verließen die letzten Studenten Dillingen

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Ein Blick zurück: Vor 50 Jahren verließen die letzten Studenten Dillingen

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    Vor 50 Jahren wurde die Akademie für Lehrerfortbildung und (seit 1997) Personalführung gegründet. Sie zog in die Räume der ehemaligen Philosophisch-Theologischen Hochschule ein.
    Vor 50 Jahren wurde die Akademie für Lehrerfortbildung und (seit 1997) Personalführung gegründet. Sie zog in die Räume der ehemaligen Philosophisch-Theologischen Hochschule ein. Foto: Berthold Veh (Archiv)

    Als an jenem 18. Februar 1971 die Dillinger Akademie für Lehrerfortbildung gegründet wird, steht darüber nicht viel in der Donau-Zeitung. Die Heimatzeitung beschäftigt vor 50 Jahren neben der Landkreis-Gebietsreform ein anderes Thema: der Verlust der Philosophisch-Theologischen Hochschule. Das „Licht der Wissenschaft“, das von Dillingen in die Welt gesandt wurde, geht in diesen letzten Februartagen des Jahres 1971 aus. Mehr als 400 Jahre hat das katholische Bistum Augsburg seit 1549 seine Priester in

    Der Verlust der Hochschule war für Dillingen ein harter Schlag

    Einer, der sich noch gut an die Stimmung dieser Zeit erinnert, ist der Dillinger Autor und langjährige Sailer-Gymnasiallehrer Erich Pawlu. „Die Integration der Philosophisch-Theologischen Hochschule Dillingen in die Universität Augsburg war für die Dillinger Bürgerschaft ein harter Schlag“, sagt der dienstälteste Mitarbeiter unserer Zeitung. Dillingen habe sich damals – auch in offiziellen Verlautbarungen – als „die Stadt des Geistes“ definiert.

    Die Philosophisch-Theologische Fakultät, so Pawlu, galt allgemein als zwar abgeschwächte, aber deutliche Wahrung der universitären Tradition seit der Zeit der Jesuiten. Und auch die Dillingerin Maria Winter weiß, dass die Schließung in Akademikerkreisen „nicht so leicht zu verkraften war“. Sie selbst sei damals als Zugezogene überrascht gewesen, wie Hochschul-Professoren bei Fronleichnams-Prozessionen aufgetreten seien. „Klerikaler Glanz“, so Winter, sei da ebenso spürbar gewesen wie ein bisschen Eitelkeit.

    In der Presse findet die Dillinger ALP erst nur wenig Beachtung

    Die Donau-Zeitung widmet am 20. Februar 1971 die ganze Titelseite im Lokalteil der Auflösung der Hochschule. Der Dillinger Professor Friedrich Zoepfl schreibt über „Die Hohe Schule zu Dillingen. Anfang – Blüte – Ende“. Der 27. Februar, der letzte Tag des Wintersemesters 1970/71, werde mit der Schließung der Hochschule in die Geschichte der Stadt Dillingen eingehen.

    Diese Schlagzeilen fanden sich im Februar vor 50 Jahren in der Donau-Zeitung. Die Schließung der Dillinger Hochschule und das Ende einer 422-jährigen Tradition wurden sehr bedauert, der Neuanfang mit der Lehrerakademie spielte in der öffentlichen Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle.
    Diese Schlagzeilen fanden sich im Februar vor 50 Jahren in der Donau-Zeitung. Die Schließung der Dillinger Hochschule und das Ende einer 422-jährigen Tradition wurden sehr bedauert, der Neuanfang mit der Lehrerakademie spielte in der öffentlichen Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle. Foto: Berthold Veh (Archiv)

    Zoepfl beschreibt die Motivation des einstigen Kardinals Otto Truchseß von Waldburg, der in Zeiten der Reformation 1549 für die Ausbildung katholischer Seelsorger ein „collegium literarum“ in Dillingen gegründet hat.

    Die spätere Jesuiten-Universität wurde vorübergehend gleichbedeutend mit Studienorten wie Ingolstadt, Heidelberg, Tübingen und Freiburg. Bis zum Ende der Universität (1803) sollen etwa 30000 junge Menschen, überwiegend aus dem Bistum Augsburg, aber auch aus ganz Süddeutschland und dem Ausland (Österreich, Schweiz, Frankreich, Spanien, Italien, Polen) in Dillingen studiert haben. Nach der Säkularisation wurde die Universität ein Lyceum mit akademischem Rang, das 1923 in die Philosophisch-Theologische Hochschule umbenannt wurde.

    „Dillingens Hochschulverlust“ ist damals auch Thema im Bayerischen Fernsehen. Kult-Moderator Eberhard Staniek führt die Zuschauer durch diese Sendung, der damalige Oberbürgermeister Georg Schmid und Prorektor Adalbert Vogel sprechen über die für Dillingen „bittere Angelegenheit“. Professoren und Studenten feiern am Sonntag, 21. Februar 1971, zusammen mit Bischof Josef Stimpfle zum letzten Mal einen gemeinsamen Gottesdienst in der Dillinger Studienkirche.

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    Der Augsburger Oberhirte stellt „das segensreiche Wirken der Hochschule und des Priesterseminars Dillingen“ in den vergangenen 422 Jahren heraus. Der Geist der Stadt Dillingen habe „die Heranbildung von wissenschaftlich geschulten und tief gläubigen Geistlichen gefördert“, betont der Bischof. Dillingen sei „eine Glanzstätte der Priesterausbildung in Europa“ gewesen. Die Sicherung dieser Priesterausbildung in einer zeitgemäßen Form, so Stimpfle, gebiete aber eine Verlegung des Seminars nach Augsburg. Die Zahl der Theologiestudenten hat in Dillingen abgenommen. Ein drohender Priestermangel zeichnet sich ab. Ex-OB Schmid sagt, dass Dillingen den Verlust seiner Hochschule nicht ohne Weiteres verwinden werde. „Die goldene Spur von Dillingen zum Hohen Dom in Augsburg ist verweht vom Wind der Modernität.“

    Wie die Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen ankam

    Dass Dillingen durch die Errichtung einer Lehrerfortbildungsstätte „entschädigt“ wird, wie der einstige Kultusminister Hans Maier erläutert, ist an diesem Tag nur eine Randnotiz wert. Dem aus Bocksberg stammenden Ministerialdirektor Karl Böck war es gelungen, die Lehrerakademie in den Räumen der einstigen Jesuiten-Universität anzusiedeln. Priester- und Lehrberuf seien eng miteinander verwandt, weil sich beide den Dienst am Menschen zur Aufgabe machten, heißt es. Die Verordnung über die Errichtung der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen stammt vom 18. Februar 1971, Gründungspräsident wird Hanns Ott, die ersten Lehrgänge beginnen im Juli dieses Jahres.

    Erich Pawlu erinnert sich, dass die anfänglichen Reaktionen auf die Lehrerakademie bei den meisten Dillingern überwiegend verhalten waren. „Diese Institution wurde nur als verlegener Ersatz für den Verlust der Hochschule bewertet“, weiß der 86-Jährige. Mehr spontane Zustimmung habe das Projekt aber von Anfang an aus Kreisen der heimischen Wirtschaft erhalten. „Man erhoffte von der Einkaufsbereitschaft der sich fortbildenden Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Bayern neue Umsatzimpulse“, blickt der Dillinger zurück. Eine Hoffnung, die sich erfüllen sollte.

    Der langjährige Akademiedirektor Ludwig Häring, der die Einrichtung von 1978 bis 2001 geleitet und zu deren Wertschätzung vor Ort beigetragen hat, kennt die Gefühlslage dieser Zeit genau. „Die älteren Dillinger haben die Schließung der Hochschule nur als Verlust gesehen, die jüngeren spürten aber, dass hier etwas Neues entsteht“, sagt Häring. Er ist überzeugt, dass etwas Besseres als die Akademie Dillingen gar nicht hätte passieren können. Andernorts habe es bereits Neubaupläne gegeben, aber zum Glück sei die Akademie dank der Mithilfe von Karl Böck nach Dillingen gekommen. „Die Zukunftschancen der Akademie wurden anfangs unterschätzt. Seien wir glücklich, dass es so gekommen ist“, sagt Häring.

    Die Zahlen sprechen für sich. Anfangs besuchten nur etwa 1700 Pädagogen jährlich die rund 50 angebotenen Lehrgänge. Heute kennen wohl alle Lehrerinnen und Lehrer in Bayern den Namen Dillingen an der Donau. „Wir sind die zentrale Fortbildungsstelle für die Lehrer aller Schularten in Bayern“, betont Akademiedirektor Alfred Kotter. Die Teilnehmerzahlen seien in den vergangenen Jahren explodiert. 2019, im Jahr vor dem Corona-Ausbruch in Deutschland, besuchten etwa 27000 Teilnehmer Präsenzlehrgänge in Dillingen, erläutert Kotter. Und rund 25000 Lehrer bildeten sich bei Online-Lehrgängen der Akademie fort. In der Corona-Pandemie haben die Schulungen am Bildschirm weiter zugenommen. Allein von September bis Weihnachten 2020 nahmen 75000 Teilnehmer Online-Lehrgänge der neu geschaffenen Stabsstelle an der Akademie wahr.

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