Die Behandlung von nach Bulgarien abgeschobenen Flüchtlingen wirft nach Ansicht der Dillinger Unterstützergruppe Asyl/Migration zahlreiche Menschenrechtsfragen auf. „Berichte von internationalen Organisationen und Medien zeigen, dass viele Flüchtlinge, die nach Bulgarien abgeschoben werden, unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Gruppe.
Um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen, hat Stephan Reichel, Vorsitzender des Vereins „Matteo – Kirche und Asyl“, mit einer Delegation Bulgarien besucht. Seine Eindrücke erschütterten die Zuhörer beim jüngsten Rundgespräch der Unterstützergruppe im evangelischen Gemeindesaal in Dillingen. Misshandlungen, mangelnde ärztliche Versorgung, Inhaftierungen sowie nicht sichergestellter Zugang zu rechtlicher Unterstützung scheinen dort, wie es hieß, Alltag zu sein. Die Zustände in den bulgarischen Flüchtlingslagern seien besorgniserregend. Es gebe Berichte über Gewalt und Missbrauch innerhalb der überfüllten Lager.
Es werde nur der Wille Deutschlands und der Europäischen Union umgesetzt
Bulgarien hat einen „Eisernen Vorhang“ aus Zäunen, Stacheldraht und Überwachungssystemen an seiner Grenze zur Türkei errichtet. Ziel sei es, die Anzahl der Flüchtlinge, die über die Türkei nach Europa gelangen wollen, zu reduzieren. Behördenvertreter verteidigen derartige Maßnahmen, wie beim Rundgespräch zu hören war, mit dem Hinweis, dass damit nur der Wille der EU und auch Deutschlands umgesetzt werde.
Im zweiten Teil seiner Ausführungen ging Stephan Reichel auf das Kirchenasyl ein – eine jahrhundertealte Praxis, durch die Kirchen Menschen Schutz bieten. Der Ablauf des Kirchenasyls in Deutschland wurde 2015 zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den Vertretern der Kirchen als Resultat eines Dialogs festgelegt. Heute kommt das Kirchenasyl oft zur Anwendung, wenn Flüchtlinge bereits in einem anderen europäischen Land registriert sind, sie in diesem Land schon eine menschenrechtswidrige Behandlung ertragen mussten und es allerdings bereit ist, den Flüchtling zurückzunehmen. Ab dem Zeitpunkt der Rückmeldung des Staates beginnt die sogenannte Dublin-Frist von sechs Monaten. Wenn die Kirche, eine Kirchengemeinde oder ein Kloster der Aufnahme eines Schutzsuchenden zustimmt, wird er in kirchliche Räume aufgenommen und dies durch den zuständigen Geistlichen dem BAMF mitgeteilt.
Die Kirchenleitung veranlasst dann die Erstellung eines Dossiers, das dem BAMF zur Überprüfung des Falles zugeleitet wird. Grundsätzlich endet das Kirchenasyl mit dem Ablauf der Dublin-Frist. Danach geht die Zuständigkeit für das Asylverfahren auf Deutschland über. Anschaulich stellte der Referent die Menschenrechtsverletzungen gegenüber Geflüchteten in Polen an der Grenze zu Belarus, Kroatien, den baltischen Staaten und auch in Schweden und Dänemark vor. Mehr als ein Hinterfragen wert sei, „dass hier europäische Werte missachtet werden“, so Reichel.

Die mehr als 40 Teilnehmenden interessierten sich in der Diskussion für den praktischen Ablauf eines Kirchenasyls. Pfarrer Wolfgang Schneck, der zurzeit ein Kirchenasyl durchführt, erklärte, dass dies unspektakulär ablaufe. Geflüchtete nähmen bei ihm am täglichen Leben im Kloster teil. Vorsitzender Georg Schrenk dankte nach dem interessanten Rundgespräch Stephan Reichel für seine Informationen. Es sei „nicht hinnehmbar, wenn in Europa derartige Menschenrechtsverletzungen nur der Abschreckung wegen hingenommen werden“. Schrenk wies darauf hin, „dass viele Flüchtlinge, auch solche mit Aufenthaltstitel, durch unsachliche und oft rechtlich nicht haltbare Aussagen von Politikern in Ängste versetzt werden, schnellstmöglich wieder in ihr Herkunftsland zurückzumüssen“. Oberbürgermeister-Stellvertreter Walter Fuchslugger zog das Fazit: „Ich habe wieder etwas gelernt.“ (AZ)
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