![](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715674498059-1/ver1-0/img/modal-user-780w.jpg)
Dillingen ist seit 475 Jahren Bildungszentrum
![Beim Festakt in der Akademie für Lehrerfortbildung: (von links) Walter Ansbacher, Prof. Rainer Florie, Christine Schneider, Prof. Jörg Noller und Alfred Kotter.
Beim Festakt in der Akademie für Lehrerfortbildung: (von links) Walter Ansbacher, Prof. Rainer Florie, Christine Schneider, Prof. Jörg Noller und Alfred Kotter.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715674498059-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Die Gründung des Collegium Hieronymi 1549 bietet Anlass für einen Festakt in der Lehrerakademie. Dort geht es auch um das Zukunftsthema digitale Mündigkeit.
Das durfte doch mit Recht gefeiert werden: 475 Jahre lang, seit Kardinal Otto Truchsess von Waldburg 1549 das „Collegium Hieronymi“ ins Leben rief, besteht in Dillingen die Folge jener Bildungseinrichtungen, die mit ihrer Strahlkraft weit über die Stadt und die Region hinauswirkten und hinauswirken, gegenwärtig in Gestalt der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP).
Zu einem festlichen Akt anlässlich des Jubiläums konzipierten der Katholische Akademikerkreis, der Freundeskreis der Studienkirche und der Historische Verein einen in Stil und wissenschaftlichem Anspruch angemessenen Themenabend in der Aula der ALP. Dort konnten der Hausherr, Akademiedirektor Alfred Kotter, und Walter Ansbacher vom Akademikerkreis eine ansehnliche Zahl von Interessierten begrüßen.
Das Modell des barocken Neubaus des Kollegs ist ausgestellt
Im Veranstaltungsraum war das sonst im Museum aufbewahrte Modell des barocken Neubaus des Kollegs ausgestellt, das erst in letzter Zeit wieder die internationale Aufmerksamkeit von Architekturhistorikern auf sich gezogen hatte. Niemand hätte es besser vorstellen können als die gründliche Erforscherin des akademischen Stadtviertels, Christine Schneider. Das 1738 aus Holz gefertigte und mit „HE“ signierte Objekt entspreche, so führte die Dillinger Kunsthistorikerin im ersten Referat des Abends aus, weitestgehend den in drei Phasen ab 1712, 1732 und 1736 ausgeführten Bauten, dokumentiere aber auch die Abweichungen von der Planung.
Da das Modell zerlegbar ist, kann man durch Abheben der einzelnen Stockwerke auch Einblicke in seine innere Struktur gewinnen. Das ermöglichte der Referentin, ihr Publikum virtuell, nämlich mithilfe von Fotografien der jeweiligen Etagengliederung, durch die verschiedenen Räume des Baukomplexes zu führen.
Zeichen der Furchtlosigkeit und der Selbstbehauptung
Welcher Geist in diesem Gebäude waltete, zeigte in einem zweiten Vortrag der Kirchengeschichtler Prof. Rainer Florie auf. Schon eingangs recht einprägsam, indem er die Symbolik des Collegiums-/Universitäts-Wappens aufschlüsselte: im oberen Drittel des Schildes die Taube des Heiligen Geistes, der das gesamte Leben der Wohn- und Bildungsstätte inspiriert; in den Feldern darunter drei Tannenzapfen, die in ihrer Kompaktheit von Schuppen die Eintracht der Collegiaten in ihrem Leben und Studieren versinnbildlichen, dazu der Zeremonialhammer, den der Papst dem Collegiumsgründer Otto von Waldburg verliehen hatte; letzterer als Zeichen für die Bindung an die Kirche und zugleich für die Schlagkraft der im Studium erworbenen antihäretischen Kompetenzen; schließlich die drei Waldburg‘schen Löwen, die unschwer als Zeichen der Furchtlosigkeit und Selbstbehauptung zu deuten sind.
![Das Holzmodell von 1738 für den barocken Neubau des Dillinger Collegiums . Das Holzmodell von 1738 für den barocken Neubau des Dillinger Collegiums .](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715674498059-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Als konkrete Ordnung für die 1549 errichtete wissenschaftlich-geistliche Institution, die wenig später zur Universität wurde - und den Jesuiten anvertraut -, stellte Prof. Florie deren „ratio studiorum“ vor. Sie entfaltet zum einen die schon in der Gründungsbulle des Ordens festgeschriebene seelsorgliche Grundausrichtung, zum andern rechnet sie, gut humanistisch, mit der Bildbarkeit des Menschen und betont, dem Ordensgründer Ignatius folgend, den unersetzlichen Wert subjektiver Erfahrung. Ein fortgesetzt erweitertes Fächerangebot – neben Philosophie und Theologie auch Jurisprudenz und Medizin - und eine Vielfalt didaktischer Methoden soll den Studenten zur intellektuellen Vergewisserung verhelfen; an deren Seite freilich die nicht minder wichtige spirituelle Formung und Gewissensbildung tritt. Ziel des Ganzen: eine leistungsbezogene und schichtenübergreifende Elite, durchdrungen von der Erkenntnis der Welt, darin der Erkenntnis Gottes und darin wiederum der Erkenntnis der eigenen Identität.
Was ist digitale Mündigkeit?
Nach diesen beiden historischen Rückblicken richtete der Augsburger Philosoph Prof. Jörg Noller die Aufmerksamkeit in die Zukunft, auf die Frage: Was ist digitale Mündigkeit? Diese ist ja unabdingbar erfordert bei dem völlig neuen Stand der Weltdeutung, den die informationelle Revolution – Schlagwort: KI – hervorgebracht hat. Zu erlernen ist nunmehr eine neue „Medienkompetenz“. Denn mit den digitalen Technologien geht der Mensch eine Beziehung ein, die intimer ist als die mit den traditionellen.
Von digitaler Unmündigkeit zeugen würde es, ließe man sich zum bloßen (kommerziellen) Datenobjekt von KI machen oder ihr menschliche Eigenschaften zuschreiben und sich ihren Algorithmen („Satzungen und Formeln“) unterordnen. Ganz im Sinne und in Fortschreibung der Forderung Immanuel Kants (geboren vor 300 Jahren!) nach Aufklärung gilt es, von solcher Unmündigkeit „auszugehen“ (wegzukommen). Konkret in die digitale Welt übertragen hieße das: Der Mensch kann seine Autonomie nur bewahren und sie durch digitale Technologien und Medien nur dann vergrößern, wenn er es versteht, deren Spiel mit Simulation, Illusion, Fiktion und Realität souverän zu durchschauen und mitzuspielen. Dementsprechend ist ethisch geboten: Die digitalen Möglichkeiten dürfen nicht nur privatistisch und instrumentell gebraucht werden, sondern öffentlich und ethisch verantwortungsvoll. Die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Technologie muss ihre Orientierung am Menschen finden und behalten.
Pianisten des Sailer-Gymnasiums und nicht (beziehungsweise nur zeitlich gesehen) zuletzt ein von der ALP gesponsorter Stehempfang trugen zur genussvollen Auflockerung und Ergänzung des schwergewichtigen intellektuellen Angebots in der reich applaudierten Soiree bei.
Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.
Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.
Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.