Im November 2022 hat ein kleines Weichtier einen größeren Aufruhr verursacht. Das Thema wurde sogar im Unterglauheimer Faschingszug aufgearbeitet: "Rettet die Muschel, klebt euch an ihr fest", schrieben die Narren der "Letzten Generation Bachmuschel" auf ihren Anhänger. Weniger lustig fand der Bund Naturschutz (BN) die Causa Bachmuschel. Dieses bis zu zehn Zentimeter große Geschöpf, das vielerorts vom Aussterben bedroht ist, hatte im Blindheimer Mühlgraben jedoch eine Heimat gefunden. Bis im November, denn dann rollten Bagger an, um den Mühlgraben zu säubern. Ob die Aktion nach den Vorschriften ablief, darüber gehen die Meinungen bis heute auseinander. Sogar die Staatsanwaltschaft Augsburg beschäftigte sich mit dem Fall. Zu welchem Schluss kamen die Ermittler?
Rückblick: Im November vergangenen Jahres soll der Mühlkanal in Blindheim geräumt werden. Der Kanal zweigt vom Nebelbach ab. Er ist laut Landratsamt schon 15 Jahre nicht mehr gesäubert worden, Anwohner und Anwohnerinnen hätten sich über den muffigen Geruch beschwert. Die Baggerarbeiten laufen also an, laut Landratsamt unter allen nötigen Vorkehrungen wie zum Beispiel einer "ökologischen Baubegleitung".
Bund Naturschutz kritisierte Vorgehen des Landratsamtes Dillingen
Eigentlich hätte der Schlamm in der Nähe des Bachs gelagert werden müssen, schreibt das Landratsamt in einer Stellungnahme, das habe das Wasserwirtschaftsamt jedoch untersagt. Stattdessen wurde der Schlamm auf die Fläche am Bahnhof verfrachtet, auf der zeitweise der Bau eines Supermarktes geplant war. Unter anderem dieses Vorgehen kritisierte der Bund Naturschutz (BN) scharf. Die Muscheln im Schlamm hätten so nicht mehr eigenständig ins Gewässer zurückkehren können und seien erst später, als man das große Vorkommen entdeckt habe, aufgesammelt worden, so der Vorwurf. Ob Bachmuscheln im Mühlgraben vorkommen, hätte das Amt vorher prüfen müssen. Das Amt wiederum gab an, dass der große Muschelbestand nicht bekannt war.
Der Bund Naturschutz erstattete im Januar bei der Unteren Naturschutzbehörde in Dillingen Anzeige auf Untersuchung eines Umweltschadens. Denn der Bund Naturschutz hat nach eigenen Angaben Hinweise erhalten, dass das Landratsamt mindestens seit 2016 Kenntnis der großen Population im Mühlgraben gehabt haben muss. Der BN will wissen, ob das Vorkommen auch in entsprechenden Datenbanken verzeichnet war. Zudem fragt der Umweltverband, warum beim Ausbaggern die ökologische Baubegleitung offenbar nicht vor Ort gewesen ist.
Der Fall wandert schließlich zur Regierung von Schwaben
Das Landratsamt Dillingen verweist nun auf Nachfrage, wie es um die Prüfung des Falles steht, auf die Regierung von Schwaben. Dort hält man sich jedoch eher bedeckt. Nach längerer Bearbeitungszeit der Anfrage unserer Redaktion heißt es: "Der Bachmuschelbestand im Mühlkanal war weder dem Landratsamt noch der Höheren Naturschutzbehörde bekannt." Wegen der grundsätzlichen Möglichkeit, dass auch im Mühlbach Bachmuscheln vorkommen, habe die Untere Naturschutzbehörde jedoch "konfliktvermeidende Maßnahmen" festgelegt. Dazu gehöre das Absuchen des ausgebaggerten Schlamms.
Es werde aber noch immer geprüft. Weitere Unterlagen, die dem Amt zur Verfügung gestellt worden seien, reichten nicht aus. Auf die Nachfrage, wann die Prüfung abgeschlossen ist und ob untersucht wird, ob der Bachmuschelbestand durch die Baggerarbeiten nachhaltig geschädigt wurde, teilt Pressesprecher Philipp Höß mit: "Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir uns zu Sachverhalten, die auch Gegenstand eines laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens sind, nicht im Detail äußern."
Die Staatsanwaltschaft hat geprüft, ob eine Straftat vorliegt
Alltäglich seien solche Fälle nicht, heißt es bei der Staatsanwaltschaft Augsburg. Auf dem Schreibtisch der Staatsanwälte sei der Fall aufgrund einer, von der Beschwerde des BN unabhängigen, privaten Anzeige gegen Unbekannt gelandet. Nun wurde also geprüft, ob die Sache strafrechtlich relevant ist. Mittlerweile steht das Ergebnis fest: Das Vorgehen ist nicht strafrechtlich relevant. "Im Sinne des Gesetzes wäre es nur eine Straftat, wenn das Verhalten vorsätzlich oder leichtfertig war", so Sprecher Michael Nißl. Leichtfertig bedeute, wenn etwas "besonders schlampig" gehandhabt worden sei. Dazu sehe man aber keine Anhaltspunkte.
BN-Artenschutzreferent Dieter Leippert hat von der Anzeige auch erst durch die Regierung von Schwaben erfahren. "Wir sind nicht darauf aus, dass jemand abgestraft wird, davon hat die Natur nichts", sagt Leippert. "Uns wäre aber wichtig zu erfahren, was nun passiert, also ob zum Beispiel konkrete Maßnahmen ergriffen werden, damit sich der Bestand wieder erholt." Aus Leipperts Sicht wären solche Maßnahmen zum Beispiel, wieder Versteckmöglichkeiten im Graben zu schaffen, etwa mit Totholzstücken. Denn: Bachmuscheln vermehrten sich nur mithilfe eines Wirtsfisches. Und dieser meide allzu saubere Gewässer ohne Versteckmöglichkeiten.
Wie es jetzt weitergeht? Darauf hat Staatsanwalt Nißl eine Antwort: "Die Sache wurde wieder abgegeben an die zuständige Behörde, die nun prüfen muss, ob eine Ordnungswidrigkeit vorliegt." Und so wandert die Causa Bachmuschel zurück ans Landratsamt.