Das kleine Mädchen rennt fröhlich den langen Gang entlang und verschwindet im Gruppenraum. Dort hört man schon von Weitem wie die Kinder lachen und spielen. Umso näher man aber in diese Richtung kommt, desto mehr nimmt man auch andere Geräusche wahr. Auf jeden Fall an diesem Vormittag, als Bürgermeister Stephan Herreiner das Herzensprojekt seiner Gemeinde zeigt. Er öffnet die silberne Tür, und tritt in eine andere Welt ein – noch. Denn während vor der Tür die Kinder fröhlich toben, wird dahinter fleißig gewerkelt. Ein Handwerker läuft mit einer Leiter vorbei, ein anderer saugt mit einem Gerät am Boden. Hier und da hängen noch Stromleitungen von der Decke heraus, Fenster sind abgeklebt. "Aber wir sind gut in der Zeit, bald kann eingerichtet werden", sagt Herreiner.
Und im letzten Schritt kann dann endlich der neue Kindergarten, ein hochmoderner, großer Erweiterungsbau, in Bissingen in Betrieb gehen. Zumindest ist das rund um Weihnachten geplant, aber: "Einen Termin festzulegen, ist derzeit wie Lotto spielen", sagt der Bürgermeister schmunzelnd. Man sei abhängig, ob alle Firmen genug Personal und jedes notwendige Material hätten. "Aber es schaut gut aus", so Stephan Herreiner. Alle würden sehnsüchtig auf die neuen Räume, die direkt im Anschluss an die bestehende Einrichtung beim Sportplatz entstehen, warten. Denn: "Wir platzen aus allen Nähten", erklärt der Bürgermeister.
Der größte Haushalt in Bissingens Geschichte
Ähnlich könnte man auch den Haushalt der Marktgemeinde für 2022 beschreiben. Denn mit einem Gesamtvolumen von rund 21 Millionen Euro schreibt Bissingen neue Geschichte. "So groß war das Volumen noch nie bei uns", sagt Herreiner. Er ergänzt: "Aber anders geht es nicht, darin sind wirklich nur die Maßnahmen enthalten, die wir dringend machen müssen." Was ebenfalls ungewöhnlich ist: Die Marktgemeinde verabschiedet ihren Etat für 2022 Ende Oktober – die meisten Projekte sind schon im Fluss oder gar erledigt. "Wir sind sehr spät dran, wir haben auch einige Fristen verpasst. Aber wir haben sehr viel Verständnis von den Behörden bekommen", sagt der Bürgermeister.
Das bestätigt auch Bissingens Kämmerer Jürgen Ostermair: "Wir haben noch immer mit den Folgen des Hackerangriffs zu kämpfen. Es sind Gott sei Dank keine Daten verloren gegangen, aber es läuft noch nicht alles reibungslos." Wie berichtet, wurde im Frühjahr das Rathaus über Nacht angegriffen. Tagelang ging nichts. Herreiner: "Das hat uns mindestens drei Monate gekostet, auch ein Grund, warum der Haushalt so spät fertig wurde."
Gewerbesteuer in Bissingen bricht ein
Und es gibt noch eine Erklärung, die fast gewichtiger ist. Denn die Einnahmenseite hat sich laut Ostermair "massiv verändert", wie vorerst angenommen. In Zahlen: Ist Bissingen bei der Gewerbesteuer von rund vier Millionen Euro ausgegangen, muss aktuell mit mindestens einer Million weniger an Einnahmen gerechnet werden. Im gleichen Zug zahlt die Gemeinde aber rund 3,5 Millionen Euro Kreisumlage, Schlüsselzuweisungen gibt es keine – beides zurückzuführen aus dem guten Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie. "Das trifft uns in der Kombination heuer brutal", sagt Herreiner. Konkret muss die Gemeinde, so erläutert es Kämmerer Ostermair, 2,7 Millionen Euro neue Schulden machen und 1,6 Millionen Euro aus den Rücklagen entnehmen. Die Pro-Kopf-Verschuldung steigt damit auf 1270,53 Euro.
Aber die Aufgaben, die die Gemeinde machen muss, erfordern es, betonten Kämmerer und Bürgermeister. Sie zählen die wichtigsten Maßnahmen für 2022 auf: Straßenbau in Gaishardt inklusive Gehweg (321.000 Euro Eigenanteil), Ortsdurchfahrt Oberliezheim (750.000 Euro), Straßenbau in Thalheim (305.000 Euro), Straßenbau in Oberringingen (154.000 Euro), Baugebiet Westfeld (315.000 Euro), Sanierung Hochbehälter (Planungskosten 87.000 Euro) und mit 1,7 Millionen Euro der Kindergarten-Neubau. "Ich glaube nicht, dass alle Maßnahmen heuer noch angefangen werden, aber man kann heutzutage nichts mehr vorhersagen", sagt Stephan Herreiner.
Kämmerer Jürgen Ostermair erklärt, dass auch die nächsten Jahre, so wurde es auch im Finanzplan im Etat skizziert, nicht ruhiger werden in Bissingen. Im Gegenteil. Zum Beispiel: Die Sanierung des Hochbehälters wird 2023 mit 870.000 Euro und 2024 mit rund einer Million Euro eingeplant. Weitere Straßen im gesamten Gemeindegebiet müssen saniert werden, hinzukommen an vielen Stellen auch Kanalarbeiten. Projekte wie Schul- oder Brückensanierungen oder Baugebiet in Stillnau sind geschoben worden, "aber kommt auch alles irgendwann", so Herreiner.