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Bissingen: In die Bissinger Bräu kommt wieder Leben

Bissingen

In die Bissinger Bräu kommt wieder Leben

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    Die neuen Eigentümer haben zugesagt, dass sobald wie möglich der Weg vom Marktbrunnen zur Kirche wieder geöffnet wird.
    Die neuen Eigentümer haben zugesagt, dass sobald wie möglich der Weg vom Marktbrunnen zur Kirche wieder geöffnet wird. Foto: Helmut Herreiner (Repro)

    Ein Glücksfall für Bissingen, zwei junge Leute haben „die Bräu“ im Ort gekauft. Um zu signalisieren, dass sie sich auf ein gutes Miteinander freuen, haben sich die beiden im Amtsblatt vorgestellt. Was über sie im Internet steht, lässt jedoch die Gerüchteküche brodeln.

    Tatjana Klug erzählt: „Wir möchten aus dem denkmalgeschützten Gebäude eine Art Mehrgenerationenhaus machen.“ Die 26-Jährige will mit ihrem Lebensgefährten Johannes Fischer (25) in eine der Wohnungen einziehen, eine weitere ist für ihre Schwester vorgesehen. Die dritte Wohnung im Bauplan, den der Marktgemeinderat in der Sitzung am Dienstag einstimmig befürwortete, ist für ihre Eltern gedacht oder sie wird vermietet. Zurzeit sind die studierte Erziehungswissenschaftlerin und der Anlagenmechaniker mit Aufräumen beschäftigt. Sie möchten möglichst viel selbst machen, um die Kosten nicht explodieren zu lassen. Einziehen möchten sie Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres, doch wartet im gesamten, weitläufigen Areal noch viel Arbeit auf sie. Ob im weiteren Gebäude noch Arztpraxen Platz finden oder Büroräume, oder ob die Gemeinde Interesse hat, etwas zu mieten, könne sie heute noch nicht sagen, erläutert Tatjana Klug im Gespräch mit unserer Zeitung. Im Amtsblatt haben sie sich vorab für etwaige Ruhestörungen oder andere im Zuge der Sanierung stattfindende Behelligungen entschuldigt und dankbar für jedwede Unterstützung gezeigt; offen für Rückfragen, Ideen oder Anmerkungen. Mit der Gemeinde vereinbarten sie, dass nach erfolgten Ausräumarbeiten der Weg vom Marktbrunnen zur Kirche geöffnet wird. Die vorige Eigentümerin hatte ihn im Dezember 2018 wegen der Gefahr herabfallender Dachplatten gesperrt.

    Haben die neuen Besitzer einen extremistischen Hintergrund?

    Bürgermeister Stephan Herreiner sagt, er habe sich gefreut über die Nachricht, dass wieder Leben in das ortsbildprägende Bräuanwesen einzieht. Doch schon am Tag der Veröffentlichung im Amtsblatt seien Bürger auf ihn zugekommen, weil die jungen Leute laut Internetrecherche einer rechtsextremistischen Organisation angehören würden. Auf Nachfrage erklärt er: „Aufgrund dessen habe ich Kontakt mit der BIGE, der Bayerischen Informationsstelle gegen extremistische Gewalt, aufgenommen und nochmals ein Gespräch mit Frau Klug und Herrn Fischer geführt.“

    Dieses historische Bildnis zeigt die zentrale und ortsbildprägende Lage des gesamten Bräuanwesens am Steilhang unter Schloss, Wehrtürmen, Kirche und der ehemaligen Schule.
    Dieses historische Bildnis zeigt die zentrale und ortsbildprägende Lage des gesamten Bräuanwesens am Steilhang unter Schloss, Wehrtürmen, Kirche und der ehemaligen Schule. Foto: Helmut Herreiner (Repro)

    Beide kamen am Dienstag ebenfalls in den Gemeinderat und stellten sich in einem nicht-öffentlichen Tagesordnungspunkt vor. Tatjana Klug erklärte den Ratsmitgliedern, dass sie im Rahmen ihres Studiums bei verschiedenen politischen Organisationen Umfragen gemacht, Interviews geführt und unterrichtet hat. Ihr Ziel war die Förderung der politischen Bildung. Aufgrund persönlicher Sympathien habe sie sich mit Einzelnen in der Freizeit getroffen, was dann wohl zu falschen Folgerungen geführt habe. Tatjana Klug betont: „Ich war nie Mitglied dieser Gruppe und bin privat anderer Meinung. Der Gruppierung möchte ich keine Bühne bieten.“ Ihr Lebensgefährte kenne Mitglieder der Vereinigung schon seit der Grundschulzeit und sei deshalb wohl auf besagter Internetseite gelandet. Die Augsburgerin sagt: „Ich habe versucht, juristisch dagegen vorzugehen, aber jeder kann im Internet eine Seite erstellen. Die entfernen zu lassen, ist schwierig.“ Sie werde mit dem Thema transparent umgehen und mit jedem ins Gespräch gehen, der dafür offen ist.

    Bissingen soll ein sichtbares Zeichen gegen Extremismus abgeben

    Durch den intensiven Austausch mit der BIGE ist der Bürgermeister zu dem Entschluss gekommen, der Markt Bissingen mit allen seinen Bürgern sollte ein sichtbares Zeichen gegen Extremismus abgeben. Egal, ob von links oder von rechts. Herreiner: „Unsere Gemeindebürger sind mittlerweile in der ganzen Welt auf Reisen oder arbeiten teilweise weltweit. Dabei sind wir zu Gast bei Freunden und möchten gleichzeitig auch Gastgeber von Freunden sein.“ In den örtlichen Firmen und Betrieben seien mittlerweile ebenfalls Menschen aus vielen, unterschiedlichsten Ländern beschäftigt, „die allesamt einen Beitrag für unseren Wohlstand erbringen“. Ohne diese würde vieles nicht mehr geleistet werden können. Deshalb verabschiedete der Rat während der öffentlichen Sitzung einstimmig eine entsprechende Resolution für Demokratie und Toleranz. Jede und jeder Einzelne sei aufgefordert, für die verfassungsrechtlich geschützten Grundwerte und die Demokratie einzutreten. Ausdrücklich wird betont: „Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Diffamierung und Gewalt gegen ethnische, kulturelle, soziale und andere Minderheiten sind in unserer Gemeinde nicht erwünscht.“

    Den Ratsmitgliedern Sebastian Konrad und Alois Ebermayer wäre es wichtig gewesen, die in Zusammenarbeit mit der BIGE erstellte Resolution um zehn weitere Punkte zu ergänzen: beispielsweise Wahrheit als Grundlage zur Meinungsbildung und Offenheit in den Sachverhalten. Ulrich Reiner meinte aber: „Die Resolution berührt den Kern, worauf alles andere aufbaut.“ So sahen es die meisten Ratsmitglieder. 13 stimmten dafür, die Resolution wie zuvor beschlossen zu belassen, zwei befürworteten die Ergänzung.

    Der Bürgermeister stellt klar: „Die beiden haben bei uns eine Chance auf Zukunft, dies gehört auch zu gelebter Toleranz. Aber, und das habe ich ihnen sehr deutlich zum Ausdruck gebracht – sollten hier trotz allem Tendenzen auftreten, die in diese Richtung gehen, werden wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln dagegen ankämpfen. Wir sind jedoch der Hoffnung, dass es hierzu nicht kommt.“

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