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Binswangen: Sie sind zwei Jägerinnen der Glückseligkeit

Binswangen

Sie sind zwei Jägerinnen der Glückseligkeit

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    Zeichen setzen gegen Hass und Gewalt gehörte auch zum Konzert von “Vivid Curls” in der Alten Synagoge in Binswangen.
    Zeichen setzen gegen Hass und Gewalt gehörte auch zum Konzert von “Vivid Curls” in der Alten Synagoge in Binswangen. Foto: Margot Sylvia Ruf

    Diesmal werden in der Alten Synagoge einmal leisere Töne laut. Ein Widerspruch? Nein. Die Frauen von „Vivid Curls“ greifen in die Saiten ihrer Gitarren und erheben ihre Stimmen gleich zu Beginn ihres Konzertes im Rahmen der Dillinger Kulturtage gegen Hass und Gewalt in Deutschland und anderswo. Die beiden Mittvierzigerinnen mit der dunklen Lockenpracht verleihen ihren Appellen mit dem Lied „Nie müde werden“ voller Empathie Nachdruck. 

    "Vivid Curls" spielen im Rahmen der Dillinger Kulturtage in Binswangen

    Das Leben hat den Künstlerinnen erste feine Linien im Gesicht beschert. Ganz ungeschminkt geben sie sich, „die Töchter von Simon & Gurfunkel“, wie ein Kritiker sie mal betitelte. Irene Schindele und Inka Kuchler, in Wiggensbach im Allgäu bleibend seelisch verankert, sind seit 22 Jahren als Musikerinnen und Sängerinnen unterwegs. Eine kann nicht ohne die andere, scheint der erste Eindruck zu sein, wenn man sie auf der Bühne erleben darf. Frauenharmonie. Auch nicht immer alltäglich.

    Die Allgäuerinnen lieben ihre heimatbezogene bedächtige Mundart

    Ganz ohne technische Superausstattung gehören „Vivid Curls“ sofort die Sympathien des Publikums, wo Männer und Frauen gleichermaßen schnell ihre Begeisterung signalisieren. Das Duo präsentiert sich nicht unisono als ausschweifendes Temperamentsbündel. Die Allgäuerinnen lieben ihre heimatbezogene bedächtige Mundart leidenschaftlich, wo ich weiß zu „i wois“ wird und ich schau zu „i luag“. 

    Sie erzählen abwechselnd von den einfachen Dingen des Lebens. Von Kindern, die Ordnung für Luxus und reine Zeitverschwendung halten und von pubertierenden Zöglingen. Das lang ersehnte flügge werden des Nachwuchses bringt dann doch Herzschmerzen, berichten die zwei Mütter auf der Bühne mit feiner Ironie aus ihrem familiären Erfahrungsschatz. Man lehnt sich als Zuhörer zurück und denkt sich: Ja, so war’s bei mir auch. Es sind aber keine Küchenlieder, sondern feine Beobachtungen über buntes Leben im Alltag. 

    Auch ernsten Themen widmen sich Kuchler und Schindele. Sie sind Trauerrednerinnen, wie sie berichten. Und sie haben ein berührendes Lied über ihre Erfahrungen damit gesammelt. Über die Liebe über den Tod hinaus singen sie in leisen Tönen. Gitarrenbegleitung dazu mit subtiler Hingabe. Wie wunderbar einfühlsam. Die hochgewachsene Inka Kuchler moderiert unaufdringlich und zartfühlend. 

    Mundartsingen betrachten sie als Kulturgut. Sie sind authentisch, mitreißend und facettenreich in ihren Folksongs mit Gänsehautfeeling beim Publikum. Ihre Musik hat Tiefe und Temperament. Inkas Sopran und Irenes Rockröhre vereinigen sich symbiotisch. Warme Gitarrenuntermalung, süßherbe Stimmen und Tiefgang lassen keine Oberflächlichkeiten zu. Auch kleine niedliche Patzer bringen „Vivid Curls“ lange nicht aus dem Konzept. Die Gitarre live auf der Bühne zu stimmen, auch das ist ein Novum. 

    Das Duo "Vivid Curls" ist authentisch, mitreißend und facettenreich

    Am Ende rufen die Künstlerinnen noch einmal auf zu Widerstand gegen Hass und Gewalt. „Wir sind mehr“, erinnern sie, bevor sie noch mit „Hearst es ned“ von Hubert von Goisern das Publikum still verharren lassen. Dann gibt es aber auch noch heißen Rock, dem Irene Schindele leidenschaftlich frönt. Ganz untypisch für die Allgäuerin in ihr. Frenetischer Beifall des Publikums am Ende für die Akteurinnen auf der Bühne. 

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