Antisemitismus ist als Thema derzeit in aller Munde. Da und dort flammt es spektakulär auf. Politische Vorgänge, wie zuletzt in Bayern, spülen es an die Oberfläche. Doch die Prozesse seien immanent, vollzögen sich schleichend und würden letztlich die Demokratie bedrohen, sagt Dr. Karin Schnebel. Die Autorin von „Antisemitismus – uralt und doch gefährlich!“ stellte ihre Gedankenwelt und Analysierungsarbeit in der Alten Synagoge in Binswangen vor. Umrahmt wurde der Abend mit feinfühliger Klezmermusik der Interpreten des Reservistenmusikzuges “König Ludwig” Nordschwaben unter der Leitung von Johann Rexel.
Schnebel engagiert sich beim Projekt "Antisemitismus – nein danke“
Karin Schnebel ist Politikwissenschaftlerin, Soziologin und leitet das Gesellschaftswissenschaftliche Institut München zu Zukunftsfragen. Außerdem arbeitet sie als Hochschullehrerin für Politikwissenschaften an der Uni Passau. Als Leiterin und Mitwirkende bei verschiedenen Projekten unter anderem „Antisemitismus – nein danke“ sowie Wertebündnis Bayern wird von ihr der Fokus verstärkt auf junge Menschen gerichtet. „Aufklärung und Bildung findet möglichst schon im Kindergarten statt“, lautet das Credo von Schnebel. Auch die Hanns-Seidel-Stiftung gehört zu den Förderern dieses wichtigen Anliegens.
Das bei der Veranstaltung in der Synagoge vorgestellte Buch enthält Wertschätzung durch engagierte Vorworte von Ex-Bundesminister Horst Seehofer und dem Antisemitismusbeauftragten der bayerischen Staatsregierung, Dr. Ludwig Spaenle, wie Professor Klaus Wolf von der Uni Augsburg erläuterte. Er ist Vorsitzender der deutsch-israelitischen Gesellschaft für Schwaben und Vorsitzender der Synagogenstiftung Ichenhausen. An dem Fachgespräch nahm weiter Anton Kapfer, der Vorsitzende des Förderkreises Alte Synagoge Binswangen, teil. Er ging auf die Bedeutung der Erinnerungsarbeit ein und unterstrich dabei die Wichtigkeit, besonders jungen Menschen Aufklärung zu bieten, damit Antisemitismus in die Schranken verwiesen werde. Hier tue man vor Ort bereits viel.
Antisemitismus gehört zu den ältesten Vorurteilen
Antisemitismus oder auch Antijudaismus, die Feindschaft gegenüber Juden, gehört zu den ältesten und hartnäckigsten Vorurteilen, erklärt die Buchautorin Schnebel. Dessen Wurzeln seien umstritten. Da existierten einmal der religiös begründete christliche Altjudaismus, wonach Juden Christusmörder seien, aber auch vielfältige Begründungen aus dem Mittelalter bis zum beginnenden Antisemitismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Heute trete er wegen seiner öffentlichen Ächtung seit dem Holocaust zum großen Teil nicht offen zutage. „Auch verbale Angriffe gegen Israel, die als Erklärung für Kritik herhalten müssen, sind letztlich Formen des Antisemitismus“, bewertet die Buchautorin in Binswangen. Oft würden heutzutage Andeutungen, Codes und Chiffren in der Sprache Einstellungen der einzelnen Personen oder Gruppen verraten. Nicht selten würde antisemitisches Gedankengut auch in den Familien weitergegeben, ist sich Schnebel sicher.
Während der rechte Antisemitismus lauter auftrete, habe der linke andere Ausdrucksformen. Beide enthielten aber Verschwörungstheorien, die gefährlich die demokratische Gesellschaft bedrohen, lautet ein Fazit der engagierten Politikwissenschaftlerin.
Laut Anton Kapfer ist es wichtig, in den Begrifflichkeiten wie Altjudaismus oder Antisemitismus sauber zu unterscheiden. Die religiösen Aspekte würden heute keine so große Rolle mehr spielen. Auch er glaubt, Kindern möglichst früh das menschliche Miteinander und die Toleranz in die Herzen zu pflanzen, sei das Gebot der Stunde.
Professor Wolf informierte über Vorhaben des Netzwerks Synagogen in Bayerisch Schwaben. Dazu gehört im kommenden Jahr eine besondere Veranstaltungsreihe, in deren Rahmen man jüdische Musik vielfältigster Art in den Fokus stellen möchte. An vier Tagen würde an verschiedenen Synagogenstandorten buntes Leben mit Klezmer umrahmt stattfinden. Junge Menschen wolle man dabei besonders ansprechen.
Auch das Thema Aiwanger wird in Binswangen angesprochen
Die Möglichkeit zur Diskussion wurde anschließend gerne vom Publikum angenommen. Nicht zuletzt blieb dabei das „Thema Aiwanger“ nicht außen vor. Unter den Interessierten des Abends hatten sich auch die beiden Vizelandräte Alfred Schneid und Erhard Friegel befunden.