Genau 55,49 Kilometer war die Härtsfeldbahn einst lang. Sie führte von Aalen über Elchingen, Neresheim, Dischingen, Ziertheim und Wittislingen bis nach Dillingen. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Bereits 1972 wurde der Verkehr auf der Strecke eingestellt. Auch wenn die Bahn 2001 eine kleine Renaissance feiern konnte, als ein knapp drei Kilometer langer Abschnitt als Museumsbahn wieder eingeweiht wurde, und noch in diesem Jahr ein zweiter Abschnitt bis zum Bahnhof Katzenstein eröffnet werden soll – die alten Zeiten werden wohl nicht wieder aufleben. Oder doch?
Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Winfried Mack und Bundestagsabgeordneter Roderich Kiesewetter (beide CDU) schlagen zusammen mit den Bürgermeistern Thomas Häfele (Neresheim) und Alfons Jakl (Dischingen) vor, die restlichen 2,4 Streckenkilometer der Härtsfeldbahnstrecke Neresheim-Dischingen bis zum Dischinger Bahnhof fertigzubauen und die Strecke in einen Regelbetrieb zu überführen. Abgestimmt ist der Vorschlag auch mit dem Härtsfeld-Museumsbahnverein. In einem gemeinsamen Schreiben haben sie ihn kürzlich Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann unterbreitet.
Härtsfeldbahn als "touristisch attraktive Naherholung"
Wichtig ist den Initiatoren die Verknüpfung der Bahnstrecke Neresheim-Dischingen mit dem Schnellbus Aalen-Hbf – Unterkochen – Ebnat – Elchingen – Neresheim, der nach der Corona-Krise nach bisherigen Überlegungen im Stundentakt eingerichtet werden soll.
Die beiden Abgeordneten Kiesewetter und Mack sagen: „Der Verein Härtsfeldmuseumsbahn hat herausragende ehrenamtliche Arbeit beim Wiederaufbau der Bahn geleistet.“ Für Heidenheim begrüßt Kiesewetter den jetzigen Vorstoß: „Damit wären das Kloster Neresheim wie die Burg Katzenstein von Dischingen aus per Zug erreichbar. Dischingen wiederum ist per Bus von Heidenheim erreichbar.“ Des Weiteren betont der Politiker: „Touristisch attraktive Naherholung lässt sich somit über einen besser vernetzten ÖPNV aufwerten. Wir arbeiten an diesem Durchbruch für eine bessere Vernetzung unserer Region.“
Im Brief an Winfried Hermann schreiben die Unterzeichner unter anderem: „In Abstimmung mit dem Verein Härtsfeldmuseumsbahn möchten wir Ihnen als ersten Schritt zu einer eventuellen Reaktivierung der Strecke einen konkreten Vorschlag unterbreiten. Die Strecke ist, hauptsächlich in ehrenamtlicher Arbeit, zwischen Bahnhof Neresheim und Bahnhof Katzenstein am Härtsfeldsee auf einer Länge von rund 5,65 Kilometern auf dem neuesten Stand der Technik wiederhergestellt worden. Die Einweihung ist für April dieses Jahres geplant. Bis zum Bahnhof Dischingen fehlen noch 2,45 Kilometer. Diese Reststrecke sollte mit Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes wiederhergestellt werden. Hierfür wird von Kosten in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro ausgegangen.“
Sollte die Härtsfeldbahn in Wittislingen und Ziertheim reaktiviert werden?
Und weiter heißt es im Schreiben an den Minister: „Ein Betrieb der Meterspur-Bahn im Stundentakt zwischen Dischingen und Neresheim macht verkehrlich Sinn, sobald der Schnellbus von Aalen-Hbf nach Neresheim eingerichtet ist. Auch der neue Stadtbus Neresheim könnte mit der Bahn Dischingen–Neresheim vertaktet werden. Voraussetzung wäre die Finanzierung des Bahnbetriebs über Regionalisierungsmittel des Bundes.“
„Der Betrieb könnte über Züge mit modernem Antrieb erfolgen. Im Alltags- und Berufsverkehr ist die Strecke Dischingen – Neresheim – Elchingen – Ebnat – Unterkochen (mit Anschluss nach Oberkochen) – Aalen sehr interessant. Gerade im Rahmen des Mobilitätspakts Aalen-Heidenheim suchen wir nach Möglichkeiten, mehr Verkehr auf Busse und auf die Schiene zu bringen“, so die Unterzeichner.
Auf baden-württembergischer Seite tut sich also so einiges. Und in Bayern? Ein kurzer Vergleich: Wer heute mit dem Zug von Dillingen nach Aalen will, braucht dafür nicht nur knapp 23 Euro in seiner Tasche und rund zwei Stunden Zeit, sondern fährt zudem erst nach Ulm, um dort in den Zug nach Aalen zu steigen. Zu Zeiten der Härtsfeldbahn ging das deutlich direkter.
Von den Gemeinden im Landkreis Dillingen, die an die historische Bahn angeschlossen waren, hatten vor allem Wittislingen und Ziertheim bei der Schließung das Nachsehen. Denn sie haben ihre Bahnhöfe und damit die Anbindung an die Schiene verloren. Wäre es also Zeit, sie zu reaktivieren?
Ein leichtes Schmunzeln ist zu vernehmen, als Ziertheims Bürgermeister Thomas Baumann die Frage hört. 6,58 Kilometer war die Strecke zwischen Ziertheim und Dischingen früher lang. Baumann scheint von der Idee jedoch nicht überzeugt: „Das wird nicht so einfach funktionieren“, sagt er. An den Bahnhof Ziertheim erinnert heute nur noch der Bahnhofweg mit seinen Wohnhäusern, der ehemalige Haltepunkt Reistingen liegt weit außerhalb des Orts; wo einst die Gleise verliefen, liegt heute ein Radweg – und der wird rege genutzt. So ein klein wenig Begeisterung blitzt aber doch durch: „Die Bahn wäre sicher eine Attraktion. Aber das müsste schon sehr genau geplant werden. Das wäre eine Lebensaufgabe.“ Baumann zufolge wäre die Reaktivierung der Bahn Richtung Lauingen und Dillingen sinnvoller als in Richtung Neresheim. Fazit: „Muss nicht unbedingt sein, aber wir würden sicher niemandem Steine in den Weg legen, wenn er es machen will.“
4,05 Kilometer weiter auf den Gleisen kam man früher bis nach Wittislingen. Bürgermeister Thomas Reicherzer lacht laut auf, als er die Frage hört. „Das würde unsere Finanzmittel dann doch etwas übersteigen“, sagt er. Grundsätzlich sei es zwar auch mit Blick auf die Erderwärmung sinnvoll, wenn nicht nur große Städte an das Bahnnetz angeschlossen seien, sondern auch kleinere Gemeinden. Doch auch Reicherzer sieht da große Hürden.
Ein flexibleres Konzept, das auch nicht an feste Taktungen gebunden ist, wie etwa der Flexibus im Landkreis Günzburg, der nur auf Anfrage kommt, fände Reicherzer sinnvoller. „Das ist auch unkomplizierter umzusetzen.“ Er pflichtet jedoch seinem Bürgermeisterkollegen bei: „Wenn sich jemand findet, der die Bahn baut, dann hat er meine Unterstützung.“ Jetzt muss so jemand nur noch gefunden werden. (mit pm/dam)
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