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Wittislingen: Mödingen: Damit Leben in alte Häuser zurückkehrt

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Mödingen: Damit Leben in alte Häuser zurückkehrt

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    Früher Bruchbude, heute Schmuckstück. Alf und Sonja Ebensperger haben mitten in Mödingen einen alten Hof gekauft und sanieren ihn. Von außen sehen die Gebäude aus wie neu. Innen wartet aber noch Arbeit.
    Früher Bruchbude, heute Schmuckstück. Alf und Sonja Ebensperger haben mitten in Mödingen einen alten Hof gekauft und sanieren ihn. Von außen sehen die Gebäude aus wie neu. Innen wartet aber noch Arbeit. Foto: Jonathan Mayer/Familie Ebensperger

    Alf und Sonja Ebenspergers Herzensprojekt war bis vor kurzem noch eine Bruchbude voller Schutt und Stroh, mit Rissen in den Wänden und morschen Balken. „Das war der Schandfleck von Mödingen“, sagt Alfs Vater Josef. Wer die Bilder von vor zwei Jahren sieht, kann es kaum glauben, wenn Sonja Ebensperger von Liebe auf den ersten Blick spricht. Das Haus sah eher nach einem Fall für die Abrissbirne aus. Doch die Ebenspergers verliebten sich in das Gebäude in der Zöschlingsweiler Straße. Zwei Jahre später sieht es aus wie neu – und soll als Vorbild für Projekte im ganzen Egautal dienen.

    Tatsächlich hatten Bekannte dem Paar geraten, das Haus und den L-förmig angebauten Stall lieber gleich wegzureißen. Doch die Familie entschied sich anders. Seit zwei Jahren sanieren Ebenspergers nun die Gebäude. Die Liste der Dinge, die noch erledigt werden müssen, ist lang: Im vorderen Teil fehlen die Decken. Wer im Erdgeschoss im künftigen Bad steht, kann an den alten Holzbalken vorbei bis unters Dach schauen. Auch der Boden fehlt noch, neben einigen anderen Dingen.

    Eigentümer kennen Mödinger Gebäude in- und auswendig

    Alf Ebensperger kennt das Gebäude inzwischen in- und auswendig. Allein das Mauerwerk ist eine Besonderheit: Zum Teil ist es 200 Jahre alt und aus Kalkbruchstein. Aber auch handgemachte Ziegel finden sich. An einer Stelle, erzählt der Familienvater, haben sie Rußspuren gefunden vom großen Brand, der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Drittel von Mödingen zerstörte. Das war aber längst nicht die einzige Überraschung: Von Zeitungen aus den 1980er Jahren über alte Waffeleisen bis hin zu einer Wehrmachtsuniform, die unter tonnenweise Stroh im Stall hervorkam, hatte das Haus alles Mögliche zu bieten. Allein das Stroh aus dem Gebäude zu entfernen, dauerte Tage – trotz der Hilfe von zwölf Bekannten.

    Inzwischen ist von alledem ebenso wenig zu sehen wie von den Rissen in den Wänden, dem abgeschlagenen Putz oder der herabhängenden Decke. Mit viel Aufwand haben sie das Haus in Schuss gebracht – und dabei stets auf dessen Charakter geachtet: Über dem ehemaligen Stall ist eine – fast fertige – große Wohnung entstanden, in die Dachbalken und eine offene Ziegelwand integriert wurden. Ebenspergers ist wichtig, dass solche eigentümlichen Details auch nach der Sanierung noch zu sehen sind. Deshalb werden im vorderen Gebäude auch künftig noch die Deckenbalken zu sehen sein. Den breiter werdenden Gang haben sie nicht begradigt und das Fenster zwischen dem Flur und dem Raum, der künftig das Bad sein wird, belassen (Josef Ebensperger nennt es scherzhaft das Spannerfenster). Alf Ebensperger sagt: „Wir wollen so weit wie möglich alles auf alt belassen.“

    Alte Eichenfenster kommen im Stettenhof zum Einsatz

    Vieles von dem, was sie nicht wiederverwenden können, kehrt in anderer Form zurück – entweder hier oder anderswo in Mödingen. Die alten Eichenfenster konnten etwa die Besitzer des Stettenhofs brauchen. Ein altes, baufälliges Haus mitten im Dorf, in das endlich wieder Leben einkehrt – genau solche Projekte braucht es, damit die Ortskerne nicht aussterben und der Flächenfraß eingedämmt wird. In der Verwaltungsgemeinschaft Wittislingen macht man sich darüber schon länger Gedanken. Vergangene Woche markierte man den Start für das kommunale Förderprogramm „Lebendige Ortskerne“, das genau das Thema anpacken soll. Mit einer Baufibel, einem Beratungsangebot und Fördermitteln der Gemeinden sollen Bauwillige unterstützt werden.

    Die Baufibel dient dabei als Orientierung und gibt Gestaltungstipps. Wer von der Beratung und den Fördermitteln Gebrauch machen will, muss sich aber an einige Grundregeln halten: Ziel des Projekts ist, dass die Ortskerne in ihrer Form erhalten bleiben. Deswegen sollen Bauherren bei Sanierungen und Neubauten auf Parameter wie Gebäudestellung, Dachform und Abstand achten. Zur „Kür“, so hieß es bei der Vorstellung des Programms in Dattenhausen, gehören dann Details wie die Gestaltung der Fassade oder des Hofs. Gefördert werden Sanierungen ab 75.000 Euro und Neubauten ab 100.000 Euro. Die Förderhöhe beträgt fünf beziehungsweise vier Prozent der Investitionssumme. Maximal aber 7000 Euro.

    Wittislinger Ex-Bürgermeister kritisiert das Vorhaben

    Kritik kam bei der Vorstellung von Wittislingens Ex-Bürgermeister Reinhold Sing und Siegfried Steiner. Ersterer betonte die schwierige Situation wegen des vielen Verkehrs an der Zöschlingsweiler Straße in Wittislingen. Letzterer hob hervor, dass man in der Marktgemeinde bereits in den 2000er-Jahren eine ähnliche Fibel ausgearbeitet habe, die aber nie Anwendung fand. Und: 7000 Euro seien nicht viel Geld. Es sei toll, dass man das Thema angehe. Aber die Summe sei kein ausreichender Anreiz. Stadtplaner Andreas Raab, der die Baufibel vorstellte, betonte: „Entscheidend ist, dass die Kommunen das in die Hand nehmen.“ Durch das Programm gebe es mehr Spielraum für die Ortsentwicklung. Das Ziel seien drei Projekte pro Gemeinde pro Jahr. „Die Chance ist, dass wir was Spürbares erreichen.“

    Und was sagen die, die schon Erfahrung mit einer Sanierung haben, zu der Förderhöhe? Alf Ebensperger zeigt auf die Wände in der neuen Wohnung im alten Stall. „Das reicht hier nicht einmal für den Feinputz“, sagt er und lacht. Für den ganzen Umbau habe die Familie bisher rund 600.000 Euro ausgegeben. Ein Ende sei noch nicht in Sicht. Von dem Programm haben Ebenspergers durch Bürgermeister Walter Joas erfahren. Da waren sie bereits mitten in den Arbeiten.

    Mödinger Hausbesitzerin würde sich über staatliche Förderprogramme freuen

    Über die Aktion freuen sie sich trotzdem. Sie verstehen das Geld eher als Anerkennung für ihr Projekt. Sonja Ebensperger wiederum sagt, sie würde sich wünschen, dass es auch Förderprogramme vom Staat gibt, die man noch im Nachhinein aktivieren kann. Denn außer einer KfW-Förderung hätten Ebenspergers kaum Zuschüsse bekommen, weil sie nicht immer die Vorgaben einhalten konnten.

    Auch wenn in schwierigen Momenten immer wieder mal Zweifel aufkommen: Familie Ebensperger ist froh, das Haus in der Zöschlingsweiler Straße gekauft und umgebaut zu haben. So bald wie möglich sollen die ersten beiden Wohnungen vermietet werden. Dann sollen noch zwei entstehen. Und irgendwann, so stellen es sich Sonja und Alf Ebensperger vor, werden sie dort alt – mit ihren drei Kindern gleich nebenan.

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