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Wertingen: Sie halfen in St. Klaras dunkelster Stunde

Wertingen

Sie halfen in St. Klaras dunkelster Stunde

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    Im Wertinger Seniorenheim sind seit dem Corona-Ausbruch Ende November 27 Bewohner an oder mit der Krankheit verstorben. Auch ein großer Teil des Personals infizierte sich mit dem Virus. Doch es kamen Freiwillige, um zu helfen.
    Im Wertinger Seniorenheim sind seit dem Corona-Ausbruch Ende November 27 Bewohner an oder mit der Krankheit verstorben. Auch ein großer Teil des Personals infizierte sich mit dem Virus. Doch es kamen Freiwillige, um zu helfen.

    Von Anfang an war Regina Eberhart klar: „Märchenhaft wird das nicht.“ Die 55-Jährige hat eine Woche lang freiwillig im Wertinger Seniorenzentrum St. Klara ausgeholfen, als dort fast die gesamte Bewohnerschaft und ein Teil des Personals am Coronavirus erkrankt war. Sie erzählt davon im nüchternen Ton, doch das Erlebte hat bei ihr spürbar Eindruck hinterlassen. Denn in diesen Tagen war der Tod im Wertinger Pflegeheim allgegenwärtig. 27 Senioren sind dort bereits an oder mit Corona gestorben.

    Eberharts Vater Adolf lebt seit vielen Jahren in dem Pflegeheim, deshalb kennt sie sich dort aus. Sie selbst ist zwar, genau wie ihre Schwester, in Wertingen geboren, doch lebt sie mittlerweile in Germering. Kurz vor Nikolaus ruft sie im Heim an, um sich über den Zustand ihres Vaters zu erkundigen, der wie fast alle Bewohner an Corona erkrankt war. Im Gespräch mit Heimleiter Günther Schneider bot sie diesem die freiwillige Hilfe an, die dieser mehr als dankbar annahm – je schneller sie helfen könne, desto besser. Also fährt Regina Eberhart in der zweiten Dezemberwoche nach Wertingen, wo sie in einer Wohnung der Stadt schlafen darf. Im Seniorenheim beginnt sie, den ausgebildeten Pflegekräften den Rücken freizuhalten. Das Personal ist ausgedünnt, einige in Quarantäne, die Verbliebenen oft seit vielen Tagen am Stück im Dienst.

    Regina Eberhart
    Regina Eberhart

    Eberhart ist erstaunt, wie stoisch das Personal trotz der bedrückenden Situation die Arbeit verrichtet. Sie selbst desinfiziert Türklinken, putzt, wäscht, sorgt dafür, dass die Bewohner ausreichend Wasser trinken, wechselt Windeln, erledigt „alles, was anfällt“. Wie alle trägt sie dabei ständig volle Schutzausrüstung. Die körperliche Arbeit ist für sie anstrengend, ihr normaler Job in der Landwirtschaftsverwaltung spielt sich hauptsächlich im Büro ab. Vor allem aber geht ihr das Sterben im Heim nahe. Jeden Tag erliegen Senioren dem Coronavirus. Eine Frau, die Eberhart von früheren Besuchen gut kannte, ist mehrere Tage zwar krank, aber noch vergleichsweise gut zu Fuß. Am nächsten Tag stirbt sie. „Das hat mich dann ganz schön aus der Bahn getragen“, so erzählt es Eberhart, die von sich sagt, dass sie als studierte Tiermedizinerin eigentlich „harten Tobak gewohnt“ sei. Sie ruft Verena Beese von der Stadtverwaltung an, und redet sich lange das Erlebte von der Seele. „Sie hat mich dann ganz toll wieder aufgebaut“, sagt Eberhard über die Sekretärin des Bürgermeisters.

    Das Erlebte muss sie sich von der Seele reden

    Auch Verena Beeses Sohn Thomas hilft zu der Zeit, als Regina Eberhart im Heim arbeitet, freiwillig dort aus. Der 17-Jährige hat gerade seine Grundausbildung bei der Bundeswehr absolviert, er will später einmal Berufssoldat werden. Als ihn seine Mutter auf die Situation in St. Klara anspricht, will er helfen. Ebenso wie Eberhart packt er überall mit an, hilft Senioren bei Toilettengängen, bietet Wasser an, räumt auf.

    Thomas Beese
    Thomas Beese

    Regina Eberhart hat beobachtet, dass etwas ganz Elementares mindestens genauso wichtig war. „Die jungen Leute, wenn die sich mit den Senioren einfach hinsetzen und reden, das baut diese unglaublich auf.“ Die Einsamkeit in diesen Tagen ist zu spüren, die Bewohner müssen in ihren Zimmern bleiben. Die Stimmung im Heim habe er als traurig empfunden, sagt Thomas Beese. Am meisten ging ihm nahe, dass er manchen der Bewohner die Bitte verweigern musste, sie nach draußen zu lassen.

    Das Personal arbeitet viele Tage am Stück

    Sehr dankbar seien ihre Kollegen und sie allen Helfern, die sich freiwillig für diese Aufgabe angeboten hätten, sagt die Altenpflegerin Daniela Stuhler. Auch vom Krankenhaus, dem ASB und dem Dillinger Hospizverein bekommt das Personal Hilfe. Mittlerweile habe sich die Lage im Vergleich zu Anfang Dezember etwas entspannt. Doch zum Zeitpunkt, als Thomas Beese und Regina Eberhart eingetroffen sind, sei es „sehr, sehr stressig“ gewesen. „Man funktioniert halt nur noch irgendwie, und denkt gar nicht mehr daran, wie viele Tage man schon am Stück gearbeitet hat“, resümiert Stuhler. Doch im Team werde gerade bei den Freiwilligen immer darauf geachtet, dass die Pausen eingehalten werden, diese einmal tief durchschnaufen können.

    Anna Eberhart
    Anna Eberhart

    Regina Eberhart ist mittlerweile ebenfalls am Coronavirus erkrankt. Sie vermutet allerdings, dass sie sich das Virus erst nach der Zeit in St. Klara eingefangen hat, denn noch zwei Tage nach ihrem Arbeitsende hat sie einen Test gemacht, der negativ ausfiel. Ihr gehe es vergleichsweise gut, sagt sie, die Symptome seien nicht stark. Und es freut sie, dass ihre Schwester Anna aus Leipzig anreist, um es ihr gleichzutun: Sie will in St. Klara über die Weihnachtsfeiertage und noch bis Neujahr aushelfen. Anna und Regina Eberhart sind die Enkelinnen des ehemaligen Wertinger Bürgermeisters Leopold Eberhart. Vom Beispiel ihrer Schwester war Anna Eberhart so beeindruckt, dass sie sich sofort dazu entschied, ebenfalls zu helfen. „Ich hatte immer diese Hemmung, dass ich das nicht darf, so als Ungelernte“, sagt Anna Eberhart. Doch sie vertritt die Meinung, dass Taten mehr sagen als viele Worte. „Wenn man wirklich ein Zeichen setzen will, dann darf man nicht nur darüber reden, wie wichtig die Arbeit der Pfleger ist. Man muss etwas tun, um sie zu unterstützen.“ Ihre Schwester habe sie genau instruiert und ihre Erfahrungen mitgeteilt.

    Regina Eberhart wird von der Zeit im Seniorenheim vor allem eine Szene im Gedächtnis bleiben. Ihr Vater habe sie mehrere Tage überhaupt nicht erkannt, als sie da in voller Schutzmontur bei ihm gearbeitet habe. Doch schließlich erkannte ihr Vater sie – und obwohl er kaum noch sprechen kann, sagte er klar und deutlich „Danke“. „Dieses eine Wort, das hat für mich alles ausgedrückt“, sagt sie.

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