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Wertingen: Fridays for Future: In Wertingen wird protestiert. Und sonst?

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Fridays for Future: In Wertingen wird protestiert. Und sonst?

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    In Wertingen haben bereits zwei Mal hunderte Jugendliche und einige Erwachsene für mehr Klimaschutz demonstriert. Der jüngste Protestmarsch Ende März führte durch die Wertinger Innenstadt- Geht es nach den Organisatoren von „Fridays for Future“, ist das erst der Anfang.
    In Wertingen haben bereits zwei Mal hunderte Jugendliche und einige Erwachsene für mehr Klimaschutz demonstriert. Der jüngste Protestmarsch Ende März führte durch die Wertinger Innenstadt- Geht es nach den Organisatoren von „Fridays for Future“, ist das erst der Anfang. Foto: Benjamin Reif

    Konzentriert schauen Mattes Agbih, Michelle Lindner und Niklas Zöschinger auf den Laptop. Dann auf die weiße Schreibtafel, die hinter ihnen in einem Raum der Wertinger Montessori-Fachoberschule hängt. Auf dieser sind stichpunktmäßig Forderungen notiert, die sie an die Politik haben. Diese wollen sie Staatsminister Thorsten Glauber bei der Klimakonferenz übergeben wollen, zu der dieser die Vertreter von „Fridays for Future“ eingeladen hat. Auf dieser Liste stehen Forderungen wie „CO2-Steuer einführen“ , „Tempolimit auf Autobahnen“ oder „Mehr Partizipation“. Im gebündelten Protest sehen die Schüler die einzige Möglichkeit, ein Umdenken zu erreichen. „In den Talkshows sind immer alle einer Meinung, dass Klimaschutz sehr wichtig ist. Bloß passiert noch nicht genug“, sagt Zöschinger, der in Höchstädt wohnt. Deshalb wollen die Schüler anecken und unbequem sein. Dafür sollen die Proteste noch größer werden. Und da haben die Organisatoren der Wertinger Proteste die übrigen Schüler im Landkreis im Auge.

    Während sich in Wertingen eine wachsende Zahl von Schülern zusammenschließt, um ihre Meinung auf die Straße zu tragen – bislang gab es zwei Veranstaltungen in der Zusamstadt, eine während und eine nach der Unterrichtszeit – gibt es vergleichbares im Rest des Landkreises nicht. Unsere Zeitung hat mit zahlreichen Schulleitern zu dem Thema gesprochen.

    Die Schulen im Landkreis Dillingen gehen unterschiedlich mit dem Thema um

    Der stellvertretende Schulleiter des Johann-Michael-Sailer-Gymnasiums in Dillingen, Sebastian Bürle, gibt auf Anfrage folgende Auskunft: „Unsere Schüler verhalten sich hinsichtlich der Proteste vernünftig.“ Es finde heuer ein Projekttag zum Thema Umweltschutz statt, das Thema werde konstruktiv innerhalb des schulischen Rahmens aufgearbeitet. „Das sehen wir als unseren Auftrag an“, so Bürle weiter. Hinsichtlich der Proteste sei man „proaktiv“ vorgegangen, sagt der Konrektor. Es habe ein Gespräch mit der Schülerschaft gegeben. Dabei habe er klargestellt, dass es keine Befreiungen vom Unterricht geben wird. Bisher hätten deshalb keine Schüler an den Protesten teilgenommen.

    Ähnlich äußert sich der Direktor des Bonaventura-Gymnasiums Dillingen, Franz Haider. „Zum Glück sind die Schüler bei uns so eingestellt, dass sie lieber selbst etwas Konstruktives machen“, sagt der Schulleiter. Bei allem Verständnis für das „wichtigste Zukunftsthema“ gebe es Regeln, die in einer Demokratie eingehalten werden müssten. Er habe Gespräche mit rund einem Dutzend Eltern und Schülern geführt, die Interesse für die Demonstrationen bekundet hätten. Nach den Osterferien wird am Bona nun ein „Klimarat“ mit der Schülerschaft eingesetzt, der sich mit praktischen Problemen rund um Nachhaltigkeit im Schulalltag befassen soll. Einen kreativen Weg geht man an der Realschule des Bonaventura. Dort haben sechs Schülerinnen während der Unterrichtszeit an einer Protestaktion teilgenommen. Die Schülerinnen wurden aufgefordert, sich Aktionen zum Klimaschutz zu überlegen und an einem „Friday afternoon for Future“ Ende Mai der Schulfamilie vorzustellen.

    Fridays for Future: Bislang nur in Wertingen organisiert

    Ohne Zweifel sind die Proteste ein heikles Thema für die Schulleiter. Alle von unserer Zeitung kontaktierten Rektoren sprachen dem Anliegen der Schüler große Wichtigkeit zu. Doch andererseits sind die Schulleiter an die Vorgaben des Kultusministeriums und die Gesetze zur Schulpflicht gebunden. Außerdem gilt für Beamte generell das Gebot der politischen Neutralität und Zurückhaltung.

    Karin Leo ist Schulleiterin der Staatlichen Realschule Lauingen. Bei ihr haben sich noch keine Schüler gemeldet, die während der Schulzeit demonstrieren wollen. „Ich frage mich aber: Was tue ich, wenn das kommt?“, sagt Leo. Die Rektorin ist überzeugt, dass ihre Schülern ein gutes Verständnis der Klimakrise haben. Für ihr Anliegen „Mehr Klimaschutz“ habe sie Verständnis. Doch stellten sich hinsichtlich von Protesten während der Schulzeit auch praktische Fragen, wie dem Versicherungsschutz. „Wer trägt die Verantwortung, wenn während einer Demonstration etwas mit einem Schüler passieren sollte?“, fragt sich Leo.

    Auch der Rektor der Mittelschule Aschberg Stephan Wolk, wurde bislang durch seine Schüler nicht in Zugzwang gebracht. Er stellt klar, dass Regelungen nicht einfach gebrochen werden könnten, sagt aber auch: „Ich finde es gut, dass sich die jungen Leute Gedanken machen.“

    An der Mittelschule Lauingen wurde der Rektorin Josefa Strehle ein ungewöhnlicher Antrag einer Vorbereitungsklasse übergeben, die im Unterricht den Klimawandel behandelt hatte: Die Schüler wollen an einer Protestaktion teilnehmen – aber im Rahmen des Unterrichts, komplett mit Begleitung eines Lehrers und gemeinsamer Anfahrt mit dem Zug. „Ich werde die Fahrt natürlich als Abschluss des Projektes genehmigen“, sagt Strehle.

    Die Montessori-Schulen begrüßen die Demonstrationen der Jugendlichen

    Am Albertus-Gymnasium in Lauingen machten fünf Schüler bei einer Protestaktion einer Günzburger Schule mit. Bereitwillig nahmen sie dafür einen Verweis in Kauf. Ansonsten sei die Nachfrage relativ verhalten, sagt Direktor Hans Lautenbacher. Er sieht den Fokus zu stark auf den Umgang der Schulen mit streikenden Schülern gerichtet – das lenke in der öffentlichen Debatte von dem ungleich wichtigeren Thema des Klimawandels ab. Am Albertus ist das Thema Klimawandel heuer überaus präsent: Die Projekttage der Schülermitverwaltung werden die Klimakrise thematisieren, und auch das Schultheaterstück „Arche N.“ bereitet das Thema mit einem Schuss Humor auf.

    Weit deutlicher als ihre staatsdienenden Kollegen äußern sich die Schulleiter der Wertinger Montessorischulen. FOS-Rektorin Heike Kahler ist stolz auf das Engagement ihrer Schüler: „Es ist unser Anliegen, dass die Schüler selbstverantwortlich ihr Leben in die Hand nehmen.“ Das alternative Konzept von Montessori, wo Lehrer geduzt werden und mehr Helfer sind als Autoritätspersonen, begünstige die engagierte Auseinandersetzung der Schüler mit dem wichtigen Thema. Genauso sieht das ihre Kollegin Beate Lahner-Ptach, welche die Montessori-Volksschule leitet. Das Kultusministerium habe einerseits den Klimaschutz als Bildungsziel festgeschrieben, andererseits die Wichtigkeit von Schülerpartizipation betont und weiterhin auf „außerschulische Lernorte“ verwiesen. „Ich widerspreche den Unterstellungen, dass Schule schwänzen für die beteiligten Schüler im Vordergrund steht“, sagt Lahner-Ptach.

    Niklas Zöschinger, Mattes Agbih, und Michelle Lindner sind mit vollem Einsatz bei der Sache. Die Lage sei so ernst, dass sie das Thema nicht ruhen lassen möchten, genau wie viele andere Wertinger Schüler. Während ihre Mitstreiter vom Wertinger Gymnasium allerdings Verweise für unentschuldigtes Fehlen riskierten, können die Montessorischüler ihre Aufmerksamkeit ganz der Vorbereitung auf ihre Aktionen widmen. Und den Abiprüfungen, die in fünf Wochen anfangen.

    Lesen Sie dazu den Kommentar unseres Redakteurs: Die Rektoren können einem leid tun

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