Seit Jahrzehnten ist Josef Stalin einer der ersten, die der Besucher sieht, wenn er von Gundelfingen nach Peterswörth fährt. Gleich neben der Straße, auf dem Gelände von Josef Kurz Natursteine, steht die große Statue des Diktators und blickt stoisch in die Ferne. Nicht nur Stalin wacht über den Ortseingang von Peterswörth. Auch Wladimir Lenin, Ernst Thälmann oder Klement Gottwald sind hier zu finden. Mitten in Bayern.
Der Vater des heutigen Geschäftsführers Josef Kurz hat die ehemaligen Denkmäler aus dem Ostblock zusammengetragen. Los ging das Ganze mit einem Zufall, erzählt Josef Kurz. Der Vater war in einem Steinbruch in der damaligen Tschechoslowakei unterwegs. Der Bürgermeister habe ihn dann gefragt, ob er Verwendung für ein abgebautes Denkmal habe. Josef Kurz senior zeigte Interesse. Und kam so zu seiner ersten Statue – zu Josef Stalin höchstpersönlich. Über die Jahre wurden es immer mehr Ostblocklegenden, die ihren Weg nach Gundelfingen fanden. Fast ein Dutzend große Statuen und mehrere Büsten, etwa von Marx oder Engels, kamen auf dem Betriebsgelände zusammen. Die Sammlung machte Schlagzeilen. Und so, erzählt Josef Kurz, kamen Angebote bis aus Usbekistan. Man habe da auch noch eine Statue rumstehen, ob man die nicht abholen wolle. Dabei sei sein Vater als Unternehmer dem Kommunismus sicherlich nicht nah gestanden. „Aber die Denkmäler sind handwerklich eben wahnsinnig gut gemacht. Das haben damals die besten Bildhauer gefertigt.“
Sogar der berühmte Karl-Marx-Kopf aus Chemnitz wäre um ein Haar nach Gundelfingen gekommen. „Da gab es schon Verhandlungen, aber dann wurde das doch nichts.“ Wohl aber mit dem „Roten Bahnhofsvorsteher“ vom Wiener Platz in Dresden, der eine Figur von Lenin beinhaltet. Die Stadt, erzählt Josef Kurz, habe damals ein Angebot von einer halben Million für den Abbau des in Ungnade gefallenen Monuments gehabt. So verschenkte sie es schließlich an Kurz. Zusammengebaut wurde es dort nie. Es lagert in mehreren Blöcken aus rotem Granit auf dem Gelände. „Dafür bräuchte man ein richtig großes Fundament, und für alles, was höher als 3,50 Meter ist, müsste man auch eine Genehmigung vom Landratsamt einholen“, erklärt Josef Kurz. Nach Jahrzehnten soll dieses Denkmal, ebenso wie die fünf anderen, nun einen neuen Platz finden. Bei einer internationalen Auktion der Firma Auktionspunkt aus Potsdam sollen die Stücke unter den Hammer kommen und eine neue Heimat in der Welt – etwa in Museen – finden.
„Aus dem Asylpark für Denkmäler, der in der Oberpfalz geplant war, ist ja nichts geworden. Und sie sind lange genug rumgestanden, es wird Zeit. Außerdem haben wir erfahren, dass jetzt eine ganz gute Zeit auf dem Kunstmarkt ist“, sagt Kurz. Immer wieder einmal habe man vorher schon kleinere Statuen verkauft. Ein Stalin aus Gundelfingen ist nun im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen. Nun stehen noch das Dresdner Dreierdenkmal und vier andere zum Verkauf. Skulpturen aus Stein und Bronze von Wladimir Lenin, Josef Stalin, Ernst Thälmann, Klement Gottwald und Antonin Zapotocky werden meistbietend versteigert. Die Auktion beginnt am Samstag, 17. Juni, um 13 Uhr online unter www.auktionspunkt.de mit Livewebcast und als Präsenzauktion. Schon ab 9 Uhr können die Stücke auf dem Firmengelände besichtigt werden.
Gerade am Anfang, erzählt Josef Kurz, erregten die Statuen in Gundelfingen viel Aufsehen. Mittlerweile ist es ruhig um sie geworden. Doch Anfragen gab es immer wieder. Ein Künstler hatte zwischenzeitlich Lenin ausgeliehen, ihn auf einem Tieflader durch Norditalien gekarrt und die Reaktionen der Menschen eingefangen. Ein Schnapshersteller wollte sie in Blöcke schneiden lassen, um sie dann Premiumpaketen für Kunden beizufügen. „Da kamen schon verrückte Ideen.“ Und dann war da noch die Sache mit dem alten Mann, der als Student der Stalin-Statue nach einem feuchtfröhlichen Abend die Nase abgeschlagen hat. Zwei Jahre Arbeitslager hatte er dafür bekommen. Mit dem Hubwagen hievten sie den Mann nach oben. „Er hat sich auf seine Schulter gehockt und gesagt: Jetzt hab ich ihn doch noch besiegt“, erzählt Kurz.
Der Stalin mit der lädierten Nase, er war kein Einzelfall. Viele hier tragen Spuren der Geschichte. Auf Lenin etwa prangen Reste von Farbbeutelattacken. Josef Stalin rostet auf seinem Podest. Denn nach dem Tod des sowjetischen Diktators wurden Gewehrsalven auf sein Konterfei abgefeuert. Die Rückstände der Hülsen oxidieren nun. „Das gehört zur Geschichte dazu“, findet Josef Kurz. Doch diese Geschichte findet in Gundelfingen nun ihr Ende. Denn die Firma will sich umstrukturieren, statt auf Groß- stärker auf Einzelhandel setzen und mehr selbst produzieren. „Dafür müssen die Denkmäler weg.“ Und weil Stalin und sein Kumpan langsam das Pumpenhäuschen, auf dem sie stehen, zum Ächzen bringen.