„Im Landesentwicklungsplan der bayerischen Staatsregierung von 1974 erscheint Dillingen als ‘Mittelzentrum’. [...] Apart ist jedoch, dass es zusammen mit Lauingen als doppelpoliges Mittelzentrum gewertet wird. Die Traditionen von Regierungssitz und geistlicher Stadt und die eines regionalen Wirtschaftszentrums treten damit gleichberechtigt nebeneinander…“
Mit dieser kritischen Wertung beschließt Prof. Dr. Rolf Kießling seine Untersuchung zum Thema „Bischöfliche Residenz – Universitätsstadt – regionales Zentrum. 750 Jahre Stadt Dillingen.“ Erschienen ist der Aufsatz im Jahrbuch 2017 des Historischen Vereins Dillingen. Mit seinen Beiträgen setzt der 328-Seiten-Band die traditionelle Erforschung der regionalen Geschichte auf eindrucksvolle Weise fort. Dabei geht es den Autoren nicht um verklärende Heimattümelei, sondern um die wissenschaftliche Deutung historischer Fakten. Das führt oftmals zu neuen Perspektiven. In Kießlings Bemerkung, die katholische Universitätsstadt Dillingen habe in ihrer Geschichte einen entscheidenden Entwicklungsschub der Reformation zu verdanken, verdeutlicht sich das Prinzip, dem Leser neue Sichtweisen zu vermitteln. In einem zweiten Beitrag „Wertingen im 13. Jahrhundert“ interpretiert Kießling die Entstehung einer städtischen Siedlung als exemplarischen Beleg für ähnliche Entwicklungen im Zeitzusammenhang.
Das Redaktionsteam mit Bernhard Ehrhart, Hermann Müller, Dr. Johannes Mordstein, Dieter M. Schinhammer und Dr. Arnold Schromm hat dem Jahrbuch auch mit der Erstellung eines ansprechenden Layouts ein hohes Maß an Professionalität gesichert. Mit der Auswertung historischer, bisher kaum beachteter Details verleihen die Autoren ihren Beiträgen ein hohes Maß an Anschaulichkeit. Dr. Hans-Dieter Lehmann, Bisingen-Zimmern, untersucht mit seiner Arbeit nicht nur die Geschichte der Wurmlinger Kapelle, sondern auch die Verwandtschaft der Grafen von Dillingen und Tübingen. Pfarrer Thomas Pfundner, Neu-Ulm, beschäftigt sich mit dem Thema „Der Rennweg und die Landesgrenze zwischen der Grafschaft Oettingen und dem Fürstentums Pfalz-Neuburg 1591“.
Eine historische Analyse mit deutlichem Aktualitätsbezug hat Prof. Dr. Wolfgang Wüst mit seiner Arbeit „Armut im Spiegel frühmoderner ‘guter’ Policey“ geliefert, indem er sich auf die Dillinger „hochstiftische Bettler- und Vagantenordnung von 1720“ stützt. Bernhard Ehrhart ist mit einem Beitrag zur „Geschichte der Familie Zenetti in Lauingen“ vertreten. Simon Kotter erinnert an die ehemalige Bedeutung des Schlosses in Binswangen und dessen Abbruch im Jahre 1803. Inga Müller verdeutlicht am Beispiel von Prettelshofener Sterbebildern aus den Jahren 1907 bis 2012 die Kontinuitäten und Veränderungen in Geist, Thematik und Gestaltung dieser Bildchen.
Buchbesprechungen und Berichte runden die Inhalte des Jahrbuchs ab. Eine angefügte Statistik von Erwin Rieder beweist, dass der Historische Verein Dillingen immer noch zu den großen Vereinigungen der Stadt gehört: Im Jahre 2017 waren 370 Mitglieder registriert, unter ihnen 291 Männer, 55 Frauen und 24 Institutionen.