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Unterglauheim: Säugling in Wiese ausgesetzt: Jetzt steht die Mutter vor Gericht

Unterglauheim

Säugling in Wiese ausgesetzt: Jetzt steht die Mutter vor Gericht

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    Hier, an dieser Stelle in einer Wiese am Rande des Blindheimer Ortsteils Unterglauheim, ist vor rund einem Jahr ein Neugeborenes ausgesetzt worden. Der Bub überlebte nur knapp. Am Dienstag beginnt der Prozess gegen die Mutter. Ihr wird versuchter Totschlag vorgeworfen.
    Hier, an dieser Stelle in einer Wiese am Rande des Blindheimer Ortsteils Unterglauheim, ist vor rund einem Jahr ein Neugeborenes ausgesetzt worden. Der Bub überlebte nur knapp. Am Dienstag beginnt der Prozess gegen die Mutter. Ihr wird versuchter Totschlag vorgeworfen. Foto: Andreas Schopf (Archiv)

    Eine Wiese am Ortsrand von Unterglauheim war im vergangenen Juli Schauplatz für eine Tat, die weit über die Grenzen der Region hinaus für Entsetzen und Mitgefühl gesorgt hat. Eine heute 32-Jährige soll dort mitten in der Nacht ohne fremde Hilfe einen Sohn zur Welt gebracht und den Neugeborenen anschließend unbekleidet und einsam zurückgelassen haben. Anschließend soll die Frau in ihr Elternhaus gegangen sein, ohne dort von der Geburt zu berichten. Die 32-Jährige wurde von der Dillinger Lebenshilfe begleitet. Die Mitarbeiter der Einrichtung beschäftigt der Fall bis heute – nun gibt es ein Wiedersehen vor Gericht.

    Unterglauheim: Mutter soll ihr Neugeborenes ausgesetzt haben

    Es ist ein Wunder, dass der Säugling auf der Wiese in Unterglauheim nicht gestorben ist. Etwa 34 Stunden lang war der Bub auf sich alleine gestellt. Dass er überlebte, hat er wohl nur einem Anwohner zu verdanken. Dieser ging zufällig auf einem angrenzenden Feldweg spazieren und hörte den Bub im hohen Gras winseln. Der Mann wählte sofort den Notruf, während sich seine Frau um den Säugling kümmerte (lesen Sie hier mehr dazu).

    Ein Hubschrauber brachte ihn in das Universitätsklinikum Augsburg. Dort kämpfte das Findelkind tagelang um sein Leben – mit Erfolg. Spuren des Vorfalls wird es allerdings ein Leben lang mit sich tragen. Drei abgestorbene Zehen mussten amputiert werden. Mittlerweile befindet sich der Junge bei Pflegeeltern. Nach Angaben des Dillinger Landratsamtes ist sein Gesundheitszustand nach derzeitigem Kenntnisstand gut. Zur aktuellen Entwicklung des Kindes könne man jedoch keine näheren Informationen geben, heißt es.

    Sofort nach dem damaligen Auffinden des Neugeborenen fahndete die Polizei nach der Mutter. In Dillingen wurden die Beamten fündig und nahmen die 32-Jährige fest. Wegen des Verdachts des versuchten Totschlags, gefährlicher und schwerer Körperverletzung und Aussetzung wurde die Frau zur Untersuchungshaft in die JVA Aichach gebracht.

    Der Prozess am Augsburger Landgericht hätte eigentlich bereits vor Monaten beginnen sollen. Aufgrund der Corona-Pandemie ist der Termin verschoben worden. Ab kommenden Dienstag muss sich die Mutter nun vor Gericht verantworten. Für das Verfahren sind insgesamt vier Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird womöglich am 21. Juli fallen. Der Angeklagten könnte eine mehrjährige Haftstrafe drohen. Die Verteidigerin der Frau wollte sich im Vorfeld des Prozesses auf Anfrage nicht äußern.

    Dillinger Lebenshilfe hat die Frau begleitet

    Vor Gericht wird es vor allem um die Frage gehen, inwieweit die 32-Jährige voll schuldfähig war. Die Angeklagte wurde durch die Dillinger Lebenshilfe begleitet und befindet sich nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Leistungsfähigkeit. Laut Anklage war sie bereits Mutter von zwei Kindern. Der Vater des dritten Kindes sei ihr unbekannt gewesen. Der Frau wird vorgeworfen, dass sie den Jungen bewusst sterben lassen wollte.

    Diese Schwangerschaft ist offenbar vollkommen unerkannt geblieben. So berichtet es Dominik Kratzer, Geschäftsführer der Lebenshilfe Dillingen. „Man führt nicht jede Gewichtsveränderung gleich auf eine Schwangerschaft zurück“, sagt er rückblickend. Außerdem seien durch tagtäglichen Kontakt die Veränderungen wohl nicht sonderlich aufgefallen. „Im Nachhinein kann man so einiges erklären, aber das bringt jetzt nichts mehr“, sagt Kratzer, der das Geschehene als „schlimmes Drama“ bezeichnet.

    Dieses habe vor allem die Mitarbeiterin belastet, die sich um die 32-Jährige gekümmert hat, sagt Kratzer. Vor allem die Tatsache, nichts von der Schwangerschaft mitbekommen zu haben, habe der Mitarbeiterin zugesetzt. Doch man habe die Frau wieder aufrichten können, und sie ist nach wie vor bei der Lebenshilfe beschäftigt. Kratzer lobt auch den Umgang der Öffentlichkeit mit dem Vorfall und der Rolle, die die Lebenshilfe dabei spielte. Die Leute seien sehr fair gewesen und hätten gegenüber der Lebenshilfe keine Vorwürfe geäußert, „was nicht selbstverständlich ist“, betont Kratzer.

    Ausgesetzter Säugling von Unterglauheim: Prozess startet am Dienstag

    Die Einrichtung habe Lehren aus dem Fall gezogen. Man wolle künftig noch genauer hinschauen und vor allem junge Frauen noch mehr für das Thema Verhütung sensibilisieren. Grundsätzlich sei es aber auch behinderten Frauen möglich, ein Kind zu bekommen. Im Rahmen einer „begleiteten Elternschaft“ gebe es entsprechende Hilfeangebote, so der Einrichtungsleiter.

    Der Fall aus dem vergangenen Juli beschäftigt die Lebenshilfe nach wie vor. Den Prozessstart am Dienstag werden laut Kratzer einige Mitarbeiter besuchen. Bei aller Tragik, die dahintersteckt, wolle man eine „psychologische Stütze“ für die Angeklagte bieten – zumal Besuche in der JVA in den vergangenen Monaten, bedingt durch das Coronavirus, nicht möglich waren. So werden die Mitarbeiter der Lebenshilfe die Frau das erste Mal nach längerer Zeit wieder sehen – dann vor Gericht.

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