Ein Satz fällt am Montagvormittag in Syrgenstein immer wieder: „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Auch Gerhard Oberschmid sagt ihn. Er steht im Blaumann vor seinem Spenglerbetrieb in Staufen, zieht fahrig an seiner Zigarette und zeigt auf Fotos und Videos auf seinem Handy. „Und so etwas möchte ich auch nicht mehr erleben.“ Der 59-jährige Spenglermeister und seine Familie sind wohl diejenigen, die im Bachtal mit am meisten mit dem Hochwasser am Sonntagabend zu kämpfen hatten. „Es kam wie eine Welle auf uns zu“, sagt Oberschmid und zeigt in Richtung der Straße nach Oggenhausen. Von dort floss das Wasser in Richtung des Betriebs am Rand von Staufen.
Hochwasser: 35 Keller in Syrgenstein laufen voll
Die Beteiligten schlossen alle Türen, doch es half nichts. Das Wasser drückte sich hinein, überschwemmte die Werkstatt, das Büro und das Lager. „Wir haben kaum noch reagieren können“, erzählt Oberschmid. Den Hauptschalter hat er noch ausgemacht, ansonsten musste er hilflos mit ansehen, wie das Wasser seine Firma überflutete.
Nach starken Regenfällen am späten Sonntagnachmittag konnte der vertrocknete Boden die Wassermassen nicht mehr aufnehmen. Kanäle liefen über, der Zwergbach trat über die Ufer. Die Folge waren Überschwemmungen im Bachtal. Vor allem Syrgenstein war betroffen, dort liefen etwa 35 Keller voll. Rund 140 Helfer waren im Dauereinsatz. Die Feuerwehren aus Staufen, Syrgenstein, Landshausen, Bachhagel, Burghagel und Oberbechingen wurden unterstützt vom THW sowie der Berufsfeuerwehr Augsburg. Das Rote Kreuz sorgte für die Verpflegung der Helfer. Die Verantwortlichen richteten einen Krisenstab in der Bachtalhalle ein. „Die Lage war kritisch“, sagt Kreisbrandinspektor Markus Tratzmiller.
Die Kreisstraße muss gesperrt werden
Die Kreisstraße zwischen Syrgenstein und Staufen musste gesperrt werden, weil dort das Wasser 20 Zentimeter hoch stand – auf einer Breite vergleichbar mit der Donau, sagt Tratzmiller. Von eben dieser Straße floss das Wasser unter anderem in den Spenglerbetrieb Oberschmid. Auch anderenorts in der Bachtalgemeinde herrschte Ausnahmezustand. Laut Bürgermeisterin Mirjam Steiner waren vor allem die Ortsteile Altenberg und Staufen betroffen. Brennpunkte waren etwa die Bereiche Hofäcker und Heckweg. Von letzterem gibt es das Foto eines Autos, das fast bis zur Hälfte versank. Dass es teilweise zu solch massiven Überschwemmungen kam, lag neben den trockenen Böden an der schieren Menge an Flüssigkeit, die vom Himmel kam. Laut Steiner waren es in Syrgenstein 107 Liter auf den Quadratmeter, in zwei Stunden. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt auch die Bürgermeisterin.
Außerhalb von Syrgenstein waren die Folgen der Wetterlage nicht ganz so gravierend. In Zöschingen musste die Hauptstraße kurz gesperrt werden, auch Bachhagel bekam das Hochwasser zu spüren. Die Verantwortlichen sorgten sich außerdem um Unterbechingen und Haunsheim, die im weiteren Verlauf des Zwergbachs liegen und womöglich dessen Wassermengen abbekommen hätten. Vorsorglich waren Kräfte der Berufsfeuerwehr Augsburg vor Ort, um im Notfall das Wasser aus dem Fluss mit großem Gerät abpumpen zu können. Dies war jedoch nicht nötig, Unterbechingen und Haunsheim kamen glimpflich davon, sagt Tratzmiller. Nach Angaben des Kreisbrandinspektors bekamen die Feuerwehren die Lage relativ bald in den Griff. Gegen 23 Uhr folgte Entwarnung.
Viel Lob für die freiwilligen Helfer
Am Montag gibt es viel Lob für die Helfer. „Sie haben alle einen Top-Job gemacht“, sagt Bürgermeisterin Steiner. Auch Familie Oberschmid ist froh über die Feuerwehr, die stundenlang die Räumlichkeiten der Firma ausgepumpt hat. Selbst Nachbarn kamen, um zu helfen. „Wir sind allen Helfern sehr dankbar“, sagt Martina, die Frau von Gerhard Oberschmid.
Neben der Spenglerei versank auch die direkt angrenzende Schreinerei der Familie in den Fluten. Die Beteiligten zeigen Fotos, auf denen sie bis zu den Knien, und zum Teil sogar bis zu den Hüften, im Wasser stehen. So ganz könne er immer noch nicht glauben, was da passiert ist, sagt Gerhard Oberschmid am Montag. Er streift durch seinen Betrieb und zieht Bilanz. 35 Zentimeter hoch stand das Wasser an der Hauswand, misst der Spenglermeister nach. Woanders auf dem Firmenareal seien es noch mehr gewesen, sagt er. In quasi jedem Raum haben das Wasser und der Dreck Spuren hinterlassen. Die Büromöbel, die er erst vor zwei Jahren neu gekauft hat, sind im Bodenbereich feucht und müssen wohl ausgetauscht werden. Materialien, die in der Werkstatt lagern, sind beschädigt und nicht mehr zu gebrauchen. Ob auch die Maschinen Schaden genommen haben, muss erst ein Fachmann prüfen, sagt Oberschmid. So lange stehen die Maschinen – und der Betrieb. Der Schaden ist noch nicht absehbar. Ein Gutachter geht für die Spenglerei nach ersten Einschätzungen von nicht weniger als 50 000 Euro aus. Genau sagen kann man das aber noch nicht. Auch für den Rest Syrgensteins und des Bachtals existieren noch keine belastbaren Zahlen.
Es drohen erneut Überschwemmungen
Immer wieder wandern am Montag die Blicke gen Himmel. Dort kündigen dunkle Wolken die nächsten Schauer an, die am Mittag tatsächlich kommen. Für den Abend sind weitere Regenfälle angesagt. Angesichts der durchweichten oder überfluteten Böden hoffen alle Beteiligten, dass es nicht erneut zu Überschwemmungen kommt. „Das kann man nicht ausschließen“, sagt Kreisbrandinspektor Tratzmiller. Deshalb müsse man weiter aufmerksam sein.
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