Genau 350 Jahre ist es her, dass die dem heiligen Alban geweihte Kirche in dem kleinen Kesseltaldorf Stillnau in ihrer heutigen Gestalt neu errichtet wurde. Nur wenige Leute wissen noch, dass auch diese Kirche einst eine bekannte Wallfahrtskirche war. Die Votivtafeln der dankenden und bittenden Pilger, von denen sich im benachbarten Wallfahrtsort Buggenhofen noch mehr als 200 erhalten haben, sind in Stillnau leider allesamt verschwunden.
Am 25. August 1669, gut 20 Jahre nach Ende des verheerenden Dreißigjährigen Krieges, wurde durch den Grafen Anton von Oettingen-Wallerstein im Beisein des Mönchsdegginger Benediktinerprälaten Chrysostomus der Grundstein für die neue Kirche gelegt. Sie liegt auf einem steil nach Nordosten hin abfallenden Felsvorsprung, der bautechnisch mit großem Aufwand gesichert werden musste.
Der Vorgängerbau war viel zu klein, unscheinbar und baufällig
Damals war Stillnau noch keine eigene Pfarrei, sondern gehörte zum Pfarrsprengel Bissingen. Der wahrscheinlich noch romanisch geprägte Vorgängerbau, von dem nur eine ungefähre Zeichnung existiert, war wegen der vielen Wallfahrer, die damals nach Stillnau kamen, viel zu klein und unscheinbar und überdies im Laufe der Jahrhunderte sehr baufällig geworden. Das alte Kirchengebäude maß lediglich sieben Meter Länge und vier Meter Breite im Kirchenschiff, an welches der Chorraum mit zweieinhalb Metern im Quadrat angefügt war. Während das neue Gotteshaus errichtet wurde, blieb das alte, westlich davon gelegene, noch bis Martini 1699 stehen. Dann musste es endgültig weichen, weil an dieser Stelle die westliche Giebelmauer der neuen Kirche mit dem Eingangsbereich aufgerichtet wurde.
Der Bau der neuen Kirche in Stillnau, auf der Anhöhe nördlich des Marktortes Bissingen weithin im unteren Kesseltal zu sehen, wurde dem Maurermeister Georg Danner aus Unterbissingen übertragen, der in jenen Jahren an zahlreichen Kirchenbauten der Region mitwirkte, unter anderem in Tapfheim, Lutzingen und Buggenhofen. Seine Entwürfe für den Neubau in Stillnau mussten jedoch auf Wunsch des Bauherrn und finanziellen Förderers, des Grafen Wilhelm von Oettingen-Wallerstein, so umgearbeitet werden, dass das 18 Meter lange, knapp elf Meter breite und 14 Meter hohe Langhaus im Westen zwei Emporen erhielt.
Was sich der Graf wünschte und wie teuer das wurde
Für den acht Meter langen, fünf Meter breiten und elf Meter hohen Chorraum im Osten wünschte sich der Graf zu beiden Seiten jeweils eine Sakristei mit darüber liegenden Oratorien. Chor und Langhaus mussten massiv gewölbt werden. Wegen Platzmangels und um Geld zu sparen, wurde auf einen ursprünglich geplanten Turm an der Westseite verzichtet und dafür auf der eineinhalb Meter starken westlichen Giebelmauer ein kleines, aufgesetztes Türmlein mit Uhr erstellt. Nach der Grundsteinlegung im Sommer 1669 dauerte es drei Jahre, bis 1672 die Fertigstellung gefeiert werden konnte. Die Baukosten bezifferten sich auf exakt 5091 Gulden, vierzig Kreuzer und sieben Heller.
Mit einem Sammelbrief wurde im Kesseltal um Geld gebeten
Am Bau beteiligt waren, auch das ist exakt aufgelistet, neben Maurermeister Georg Danner fünf Maurer und 13 Tagelöhner. Die Bauüberwachung und Rechnungsführung überlag dem Oberamtmann Johann Georg Lauter im benachbarten Bissingen. Das Baumaterial entstammte dem Steinbruch in Burgmagerbein. Nachdem die Stillnauer Kirchenstiftung zum Baubeginn lediglich über ein Stiftungsvermögen in Höhe von 465 Gulden verfügte und man von der Stiftung der nur einen guten Kilometer entfernten Wallfahrtskirche Buggenhofen ein unverzinsliches Darlehen in Höhe von 500 Gulden gewährt bekam, war man in Stillnau bei dieser großen Baumaßnahme auf Spenden angewiesen. Graf Wilhelm ließ dafür die Heiligenpfleger mit einem vom Bürgermeister und Rat des Marktes Bissingen ausgestellten Sammelbrief ausschicken, um bei der Bevölkerung des Kesseltales Geld zu erbitten. Der Graf selbst spendete zunächst 100 Gulden und legte später, nachdem er 1672 zum Obersthofmeister in Österreich ernannt worden war, noch einmal 500 Gulden nach. 1682 gedachte er ein weiteres Mal seiner Stillnauer Kirchengründung. So verwundert es nicht, dass über dem Kirchenportal eine Steintafel mit den Buchstaben G.W.Z.O. (Graf Wilhelm zu Oettingen) bis heute an ihn erinnert.
Das Schmuckstück Stillnaus ist die Kanzel
Die Weihe der neu gebauten Kirche erfolgte erst am 22. Juni 1686 durch den Augsburger Weihbischof Eustach Egolf Freiherrn von Westernach. Die erste Ausstattung der Kirche war relativ einfach. Dies änderte sich 1728, als drei Altäre eingebaut wurden, von denen die beiden Seitenaltäre noch heute stehen. Der Hochaltar, den die Gläubigen heute kennen, stammt aus dem Jahre 1857 und wurde errichtet von dem Augsburger Bildhauer Thony. Das Altarbild des heiligen Albanus ist ein Werk von Ferdinand Wagner aus Schwabmünchen, der auch in der damaligen Pfarrkirche Bissingen die Altarbilder gemalt hatte. Ein Schmuckstück und wohl das bedeutendste Kunstwerk der Stillnauer Albanuskirche ist die barocke Kanzel, die 1738 von dem Bildhauer Johann Georg Bschorer aus Oberndorf geschaffen wurde. Drei Frauengestalten am etwas hervorstehenden unteren Rand der Kanzel symbolisieren die drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. Engelspaare an den drei nach außen gewölbten Kanzelwänden, die Schilder in ihren Händen halten, erinnern an Szenen aus dem Leben des heiligen Albanus. Oben auf dem Schalldeckel thronen die vier Evangelisten, sie werden noch überragt von einem eindrucksvollen Posaunenengel. Über eine steile, steinerne Wendeltreppe im Nordwesteck der Kirche gelangt man hinauf zu den beiden Emporen. Auf der oberen der beiden wurde 1765 von dem Wallersteiner Hofbildhauer Thomas Gesele das beeindruckende Orgelgehäuse geschaffen, unter dem man in den hinteren Teil der Empore hindurchgehen kann.
Eine Stelle erinnert heute noch an den kopflosen Alban
Auf dem Orgelgehäuse thront König David mit seiner Harfe, umgeben von Engelputten mit Musikinstrumenten. Der heilige Alban, dem die Kirche in Stillnau geweiht ist, gilt als der Patron der Bauern und als Schutzheiliger unter anderem gegen Unwetter. So ist es kein Wunder, dass er in ländlich geprägten Regionen bis heute verehrt wird. Sein Fest wird am 21. Juni gefeiert. Albanus kam einst zu Zeiten der Regierung des römischen Kaisers Theodosius nach Mailand und zog dann über Aosta nach Mainz, wo er als Märtyrer starb. Der Legende nach trug er nach seiner Enthauptung sein Haupt in den Händen an die Stelle, an der er begraben sein wollte. Daher stellten ihn Maler und Bildhauer stets mit einem Haupt im Arm dar. Eine dieser Darstellungen befindet sich auch über dem Eingangsportal zum Friedhof in Stillnau, der sich rund um die Kirche befindet.
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