Startseite
Icon Pfeil nach unten
Dillingen
Icon Pfeil nach unten

Steinheim: Steinheims Pfarrer Sinz: Die Kirche wurde schon oft totgesagt

Steinheim

Steinheims Pfarrer Sinz: Die Kirche wurde schon oft totgesagt

    • |
    Monsignore Paul Sinz wurde vor 50 Jahren zum Priester geweiht. Das Jubiläum wird am Wochenende in Steinheim, Fristingen und Kicklingen gefeiert.
    Monsignore Paul Sinz wurde vor 50 Jahren zum Priester geweiht. Das Jubiläum wird am Wochenende in Steinheim, Fristingen und Kicklingen gefeiert. Foto: Berthold Veh

    Das Rücktrittsangebot von Kardinal Reinhard Marx und dessen Aussage, die Kirche sei an einem gewissen „toten Punkt“ angelangt, hat viele Christen aufgeschreckt. Ist die Kirche am Ende?

    Monsignore Paul Sinz: Ich empfinde das nicht so und ziehe eine Parallele zum Verbrennungsmotor. Beim Kolben gibt es einen oberen und einen unteren Totpunkt. Wenn die Zündung kommt, dann geht es wieder weiter. Aber im Ernst: Ich war sehr froh, dass Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx abgelehnt hat. Man kann doch nicht für fremde Schuld zurücktreten.

    Marx soll aber bei der Aufarbeitung der Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche ebenfalls Fehler gemacht haben.

    Sinz: In der gegenwärtigen Diskussion geht es derzeit oft gar nicht um die Opfer, sondern um die Frage, wer was wann falsch gemacht hat.

    Belastet Sie es persönlich, dass Priester der katholischen Kirche so viele Menschen sexuell missbraucht oder auf andere Weise gedemütigt haben.

    Sinz: Ja, das belastet mich sehr. Ich habe das nicht für möglich gehalten. Und ich habe einmal geschrieben: Der Missbrauch ist das Verbrechen an sich. Missbrauch gegenüber Vertrauten ist ein doppeltes

    In einem Interview am Mittwoch in unserer Zeitung hat der Oberammergauer Passionsspielleiter mitgeteilt, die Kirche werde „völlig bedeutungslos“. Sehen Sie das auch so?

    Sinz: Nein. Vielleicht ist das in Oberammergau so. Aber ich empfinde es immer wieder so, dass unsere Kirche keinesfalls tot, sondern sehr lebendig ist. Mehr als ein Jahr Corona-Pandemie hat zu einer Klärung der Geister geführt. Wir mussten auf vieles verzichten und uns auf das Wesentliche konzentrieren. Eine Mutter hat mir aber jetzt gesagt, dass die Kommunion ihres jüngsten Kindes in dieser Zeit die schönste gewesen sei. Die Kirche wurde schon oft totgesagt und für bedeutungslos gehalten. Sie lebt, aber sie muss sich in dieser Krise verändern.

    Sind Sie angesichts dieser Großwetterlage nicht selber oft frustriert?

    Sinz: Es kostet schon innere Kraft, diese Krise auszuhalten und nicht in Pessimismus zu verfallen. Aber der innerste Kern der Kirche ist Jesus, und der ist heilig. Wir sind es nicht.

    Kardinal Marx wollte mit seinem Weckruf Bewegung in den Synodalen Weg bringen. Ein Thema ist dabei die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche. Weil sie nicht zu Priesterinnen geweiht werden können, fühlen sich viele Frauen nicht ausreichend repräsentiert.

    Sinz: In unseren Pfarrgemeinden haben Frauen alle Möglichkeiten außer das Priestertum. Die Macht ist auf die Gremien Kirchenverwaltung, Pfarrgemeinderat und Pastoralrat verteilt. Frauen sind in den Pfarreien präsenter, als dies die öffentliche Diskussion widerspiegelt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Frauen als Diakoninnen Verantwortung übernehmen können.

    Und warum nicht auch als Priesterinnen?

    Sinz: Ich weiß nicht, was der Heilige Geist in dieser Frage einmal mit der Kirche vorhat, aber man muss nicht Priesterin ein, um eine gute Seelsorgerin zu sein. Ich denke, das können Frauen sehr gut.

    Was hat die Kirche den Menschen zu bieten?

    Sinz: Es geht um die Grundfragen des Lebens und das Vertrauen, dass da mit Gott jemand da ist, dem ich nicht gleichgültig bin. Der Glaube vermittelt die Erfahrung: Ich bin geliebt. Gott führt und begleitet uns, weil er uns liebt. Und diese Liebe reicht über unseren Tod hinaus. Wir dürfen uns am Ende unseres irdischen Daseins in ihm geborgen fühlen.

    Auch viele Christen zweifeln an der Auferstehung.

    Sinz: Der Zweifel und das Hinterfragen gehören zum Glauben. Aber irgendwann muss man springen und darauf vertrauen, dass Gott unser Leben in seinen Händen hält. Und es muss eine Gemeinschaft wie die Kirche da sein, die diese Verbindung zu Gott offen hält.

    Am Sonntag feiern Sie Ihr goldenes Priesterjubiläum. Wie kam es, dass Sie Pfarrer werden wollten?

    Sinz: Ich hatte als Kind zunächst nie einen Gedanken darauf verschwendet, obwohl meine Mutter immer darum gebetet hat. Ich stamme aus Diepolz bei Immenstadt im Allgäu und sollte Hofnachfolger werden. Als ich neun war, passierte etwas Merkwürdiges – ein Punkt, der mich nicht loslässt. Als Ministrant hatte ich den Sonntagsgottesdienst besucht. Und als ich nach Hause kam, teilte ich meiner Mutter mit: „Ich will Pfarrer werden.“ Zwischendurch dachte ich, Ingenieur wäre auch etwas für mich. Aber dann hätte ich wohl ein Leben lang das Gefühl gehabt, ich wäre vor irgendetwas weggelaufen.

    Von Ihrer Berufung zum Pfarrer?

    Sinz: Ja. Und dabei bin ich gar nicht der Typ, der wie selbstverständlich auf die Menschen zugeht.

    In den Pfarreien Steinheim, Kicklingen und Fristingen, wo Sie seit Jahrzehnten wirken, sind Sie aber offensichtlich sehr beliebt.

    Sinz: Das würde ich nie von mir sagen, solch ein Selbstlob ist mir peinlich. Vielleicht spüren die Pfarreimitglieder, dass ich einer von ihnen bin. Schon an meiner Kaplanstelle in Nördlingen hat mich die Aussage einer Gruppenleiterin gewundert, dass Pfarrer Gott viel näher seien. Eine intensive Glaubensbeziehung ist doch nicht auf geweihte Priester beschränkt. Schauen Sie sich nur die Nächstenliebe vieler Menschen an, die beispielsweise jahrelang liebevoll Angehörige pflegen.

    Wollten Sie als Pfarrer mal aufhören, weil Sie sich sagten: Jetzt reicht’s?

    Sinz: Eigentlich nicht. Natürlich gab es in diesen 50 Jahren auch Schwierigkeiten und Krisen. Ich werde in der Kirche mitarbeiten, solange das zu verantworten ist, denn ich will nicht, dass sich der Kollege in Dillingen aufarbeitet.

    Ihr 50. Priesterjubiläum wird an diesem Wochenende mit den normalen Pfarrgottesdiensten in Steinheim, Fristingen und Kicklingen gefeiert. Wie ist Ihre Gefühlslage?

    Sinz: Es ist ja für mich ein Vorteil, dass es wegen Corona keine große Feier geben wird. Aber es freut mich schon, dass wir uns in den Pfarrgemeinden gemeinsam auf die Wurzeln unseres Glaubens besinnen. \u0009Interview: Berthold Veh

    Zur Person: Pfarrer Paul Sinz stammt aus Diepolz bei Immenstadt. Am 19. Juni 1971 wurde er nach dem Theologiestudium in Dillingen in Marktoberdorf zum Priester geweiht. Von 1973 bis 1981 war der Allgäuer Präfekt im bischöflichen Studienseminar St. Ulrich in Dillingen. Der heute 77-Jährige, der den Ehrentitel Monsignore trägt, wirkte unter anderem lange Jahre als Jugendpfarrer und Dekan des Dekanats Dillingen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden