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Statistik: Wertinger Bestatter hat wochenlang kaum Aufträge

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Wertinger Bestatter hat wochenlang kaum Aufträge

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    Bunte Frühlingsblumen schmücken viele der Gräber auf dem Wertinger Friedhof. Mehrere Wochen hatte der zuständige Bestatter Maik König hier keine Beerdigung zu verbuchen.
    Bunte Frühlingsblumen schmücken viele der Gräber auf dem Wertinger Friedhof. Mehrere Wochen hatte der zuständige Bestatter Maik König hier keine Beerdigung zu verbuchen. Foto: Birgit Hassan

    Im Februar ging es los – mehrere Wochen kompletter Stillstand. Keine einzige Bestattung und damit keine Arbeit für Maik König. Das begegnete dem Inhaber des Wertinger Bestattungsinstituts Bönsel zum ersten Mal in seiner beruflichen Laufbahn. Von seinen sechs Festangestellten hat er vier entlassen, von den neun Aushilfen vier freigestellt. So drastisch sieht die Frühjahrsbilanz beim Dillinger Bestatter Wolfgang Düthorn nicht aus. Doch auch er sagt: „In diesem Frühjahr hatten wir weniger Sterbefälle als in all den anderen Jahren.“ Grund genug, weiter interessiert nachzufragen.

    Wertingen und Dillingen im bundesweiten Trend

    In den Rathäusern der beiden Städte geben die Zuständigen bereitwillig Auskunft. 79 Menschen starben von Januar bis einschließlich März 2021 in der Kreisstadt Dillingen, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 14 mehr, nämlich 93, teilt der städtische Pressesprecher Jan Koenen mit. Im Wertinger Standesamt splittet die für Bestattungs- und Friedhofswesen zuständige Caroline Klein die Zahlen – auf Anfrage unserer Zeitung – noch etwas genauer auf. Im Januar registrierte sie mit 27 Sterbefällen noch eine höhere Zahl im Vergleich zu den Vorjahren. Im Februar (neun) und März (13) gingen diese dann allerdings deutlich zurück.

    Damit liegen die beiden Städte durchaus im bundesweiten Trend. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom 20. April 2021 zeigt: Im März sind in Deutschland dieses Jahr gut zwölf Prozent weniger Menschen gestorben als durchschnittlich in den vorangegangenen drei Jahren.

    Zahlen aus dem Wertinger Altersheim

    Zurück nach Wertingen. Dort registrierte das Standesamt im Dezember 2020 mit 54 Sterbefällen einen für die Kleinstadt sehr hohen Wert. Zurückzuführen war dieser auf die Corona-Welle im örtlichen Altersheim. Insgesamt 34 Bewohner starben in dem Heim innerhalb von zwei Monaten. Nach Auskunft von Pauline Wiesenmayer, die seit Januar das Haus leitet und bereits seit 2006 als Stellvertreterin fungierte, sterben in einem Seniorenheim naturgemäß regelmäßig Menschen – mal seien es zehn, mal 14 im Jahr, vermehrt im Frühjahr und Herbst. Für konkrete Zahlen verweist Wiesenmayer auf ihre Mitarbeiterin Karin Soucek von der Verwaltung. Anhand von Zahlen reflektiert diese zunächst das Jahr 2020: Im März waren sie damals mit 75 Bewohnern – 13 Männer und 62 Frauen – praktisch vollbelegt. Der Altersdurchschnitt lag bei 88 Jahren. Anfang Dezember waren es noch 64 Heimbewohner mit einem Altersdurchschnitt von 87 Jahren. Durch die Einrichtung einiger Quarantänezimmer, für die man Platz brauchte, waren verstorbene nicht durch neue Bewohner ersetzt worden. „An und mit Corona starben Ende des Jahres dann 32 Menschen“, resümiert Soucek, „hochbetagte Menschen mit diversen Erkrankungen.“ Während die Jüngste – mit 68 Jahren und mehreren Vorerkrankungen – unter den Toten war, überlebte die Älteste mit 101 Jahren die Krankheitswelle.

    Dillinger Bestatter vergleicht mit Vorjahren

    „Jedes Jahr ist anders“, sagt der Dillinger Bestatter Düthorn. „Beim Sterben können wir nichts pauschalisieren oder kalkulieren – weder wann noch wie –, es passiert sieben Tage die Woche, 24 Stunden.“ Das war vor 37 Jahren, als er in den Betrieb seiner Eltern kam, schon so, und ist es heute noch. So reiht er auch das Jahr 2020 zahlenmäßig als normales Jahr ein. Die Zuordnung der Sterbefälle habe sich mit Corona etwas unterschieden. „Doch vielleicht wären manche aufgrund ihres hohen Alters demnächst auch an einer Grippe oder etwas anderem gestorben“, sagt er auch angesichts einiger älterer verstorbener Menschen, die vor einigen Jahren schon eine Bestattungsvorsorge mit ihm gemacht hatten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist Düthorn schon immer klar: „Sterbefälle kann man nicht vermehren.“ Und vermehrt oder verändert haben sich die Zahlen im Jahr 2020 in der Stadt Dillingen tatsächlich nicht im Vergleich zu den Vorjahren. So registrierte das Standesamt 2020 insgesamt 297 Sterbefälle im Vergleich zu 291 im Vorjahr und zu 301 Toten 2018.

    In Wertingen spiegeln sich die Verstorbenen im Altersheim in der Jahresstatistik wider. 208 Menschen starben in der Zusamstadt 2020, damit 21 mehr als im Verlauf von 2019. Im Vergleich dazu registrierte Caroline Klein 2018 insgesamt 170 Verstorbene. Die Mitarbeiterin des Wertinger Standesamts klärt auf Anfrage darüber auf, wer in ihren Zahlen auftaucht: „Alle, die in Wertingen sterben.“ Das heiße nicht automatisch, dass die Menschen auch hier wohnten oder beerdigt werden. Ähnlich wie die Geburt registriert das Standesamt vor Ort den Tod. Klein erfasst Geburten wie Sterbefälle, ohne dabei etwas analysieren zu müssen. Automatisch fallen ihr dabei aber immer wieder Wellen auf: eine Grippewelle im November, ein Wetterumschwung im Frühjahr, eine Hitzewelle im Sommer. Blickt sie auf Durchschnittswerte, gleicht sich vieles wieder aus. Das gilt auch für die Sterberate in den Anfangsmonaten dieses Jahres. Nach erhöhten Zahlen im Januar starben in den Folgemonaten weniger, der Durchschnitt gleicht sich damit nahezu den Vorjahren an.

    Drei Suizide innerhalb von zwei Wochen

    Seit einigen Wochen begleitet auch Maik König wieder Trauernde bei der Bestattung ihrer Angehörigen. Der erste war ein junger Mann im Alter von 22 Jahren. „Er kam mit dem Lockdown nicht klar, mit dem Eingesperrtsein“, erzählt der Wertinger Bestatter, „er wählte den Suizid als Ausweg aus der Depression.“ Insgesamt drei ähnliche Fälle innerhalb von zwei Wochen beerdigte er. „Meist ohne Todesanzeige, eingeäschert und woanders beerdigt“, erzählt König und fügt an: „In dem Beruf braucht man Einfühlungsvermögen.“

    Darüber verfügt auch Wolfgang Düthorn, dem es sehr wichtig ist, seinen Kunden die bestmögliche Qualität des Abschiednehmens und Trauerns zu ermöglichen. „Das tragen sie später weiter in sich.“ Dafür erfährt er viel Dankbarkeit.

    Dankbar zeigen sich auch Bewohner samt Angehörige im Wertinger Seniorenheim. Nach einer schwierigen Zeit schauen sie gemeinsam mit dem Personal wieder nach vorne.

    Viele Anfragen nach Kurzzeitpflege

    Insgesamt verfügt das Wertinger Altersheim über 76 Betten. Derzeit werden laut Pauline Wiesenmayer noch immer neun für die Quarantäne freigehalten. Wer neu kommt, verbringt die ersten Tage hier, bis er nach zwei negativen PCR-Tests in den Wohnbereich umzieht. So hat das Haus St. Klara seine Einwohnerzahl ab Februar wieder aufgestockt auf derzeit 46 feste Heimbewohner – mit einem Durchschnittsalter von jetzt 84 Jahren. Dazu beherbergt das Haus momentan vermehrt Menschen, die vorübergehend zur Kurzzeitpflege kommen. „Wir sind ja eh da“, hört Wiesenmayer von Angehörigen im Homeoffice und ohne Urlaubsperspektiven, die vorerst nur mal Zeit zum Durchschnaufen brauchen.

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