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Sport-Talente?: Fast alles im Fluss

Sport-Talente?

Fast alles im Fluss

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    Verrückt, an wie viele Dinge man gleichzeitig denken muss, wenn man zum ersten Mal rudert. Aber wenn alles klappt, ist es super. Mit geschlossenen Augen geht das besonders einfach. Vermutlich, weil die wunderschöne Umgebung einfach zu sehr ablenkt. Mehr Infos zum Lauinger Surf- und Ruderclub gibt es unter www.lrsc.de.
    Verrückt, an wie viele Dinge man gleichzeitig denken muss, wenn man zum ersten Mal rudert. Aber wenn alles klappt, ist es super. Mit geschlossenen Augen geht das besonders einfach. Vermutlich, weil die wunderschöne Umgebung einfach zu sehr ablenkt. Mehr Infos zum Lauinger Surf- und Ruderclub gibt es unter www.lrsc.de. Foto: Ott

    „Hallo, ich möchte mal rudern“, sagte ich zur Vorsitzenden des Lauinger Ruder- und Surfclubs, Dr. Isabella Kigele-Weis. Ihre Antwort beschäftigt mich bis heute: „Haben Sie Angst?“ Haben wir nicht alle irgendwann vor irgendwas Angst? Aber vorm Rudern?!

    Es folgten weitere Fragen von Ausbilder Horst Eberhardt. Aber keine hat mich so beschäftigt wie die allererste. Erst als ich auf dem wackeligen Anleger, genannt „Floß“, bei Lauingen an der Donau stehe und auf das winzige, dürre Boot blicke, in das Horst Eberhardt und ich gleich einsteigen, schwant mir was. Was, wenn das Boot kippt? Wie tief ist die Donau hier? Wie kalt ist das Wasser? Wie gut kann ich schwimmen? „Nein, nein wir fallen nicht rein“, sagt der 59-Jährige beruhigend. „Aber kippen kann jedes Boot.“

    Seit 40 Jahren rudert der Lauinger. Weil er als Kind für den Job als Steuermann zu leicht war, steckten die Mitschüler ihm Hammer, Schraubenschlüssel und kleine Zementsäcke in die Hose. „Damals wurde man im Schülerbereich gewogen. Ich war leichter als die geforderten 40 Kilo.“ Ich wiege mehr und frage mich, ob der lange, schmale Zweier nicht durchbricht, wenn ich hineintrete. „Mit einem Schritt sitzt man“, versichert mir der drahtige Trainer.

    Bis ins Detail hat er mir das Boot erklärt, wir haben Trockenübungen im Fitnessraum des Sportheimes gemacht, ich habe den Bewegungsablauf gelernt. Rudern ist eine komplexe Sache. „Alles wird bewegt, außer dem Ohrläbble“, sagt der Experte. Den Oberkörper aufrichten, den Kopf hochhalten, die Arme lang, das alles ist auf dem Ruderergometer ganz einfach. Rhythmus, Gleichgewichtssinn und eine gute Koordinationsfähigkeit wurden mir attestiert. Waren die vielen Jahre Basketballtraining doch nicht umsonst. Eberhardt ist sich sicher, es kann losgehen. Da ist er ist von uns beiden der Einzige.

    Auf dem Anleger hockend, schiebe ich mit einer Hand den Rollsitz des Zweiers nach hinten, halte mich mit der anderen an einem Metall fest, trete mit dem rechten Fuß zwischen die Schienen der Rollbahn genau in die Mitte des Bootes und schlüpfe mit dem linken gleich in den einen der beiden vorinstallierten schwarzen Schuhe. Ich bin drin. Der Trainer hält vom Ufer aus das Boot fest. Wieder üben wir. Das Ruder heißt Skull oder Löffel, das Ende Blatt. Der Löffel wird in eine Dolle eingelegt. Steht das Blatt senkrecht im Wasser, bilden Handrücken und Arm eine Linie. Mit der Kraft aus den Oberschenkeln und dem unteren Rücken heraus stößt man sich vom Stemmbrett ab, zieht dann die Arme bis zum Rippenbogen nach – und dreht die Hände leicht nach oben ab. Damit liegen die Blätter waagrecht auf dem Wasser und tanzen mit den kleinen Wellen. „Schlabbern lassen“, nennt der langjährige Trainer das. Das ist die Ruhephase.

    Jetzt noch die linke über der rechten Hand halten, den Daumen locker aufs Skull-Ende legen, die Blätter nicht zu tief eintauchen, an all das denken, was zuvor am Ruderergometer erklärte wurde und im Rhythmus bleiben. Wenn das klappt, überdreht eine Hand nicht gewollt und das Blatt taucht so tief ein, dass der Trainer, der inzwischen hinter mir sitzt, das Boot ausbalancieren muss, damit wir nicht kippen. „Mach’ mal die Augen zu“, empfiehlt Horst Eberhardt. Und plötzlich läuft’s. Was für ein Gefühl. Die Abendsonne wärmt das Gesicht, die Löffel bewegen sich im Takt, alles ist ruhig, bis auf das „Klack“ beim Drehen der Ruder – da bleiben die Hände plötzlich an den Knien hängen und die Fahrt stoppt wieder abrupt. Ich könnte toben vor Wut. Doch wir sind direkt unterhalb des Lauinger Biergartens „Drei König“ angekommen, der ist voller Gäste – und man will sich ja nicht blamieren. Der Übungsleiter dreht das Boot vorsichtig um und wir fahren wieder in Richtung Dillingen, die Skyline von Lauingen im Blick. Wenn alles klappt, ist es, wie auf Schienen fahren, traumhaft. „Wie lange dauert es, bis man rudern kann“, frage ich? „40 Jahre“, sagt mein Hintermann und lacht. Der perfekte Schlag, er gelänge viel zu selten. Die anderen Mitglieder des Ruderclubs, die an diesem Abend trainieren, fliegen mit ihren Botten über die Wasseroberfläche. Ob Schülerin Anna Fischbach, die Jungs Elias Wasner, Jan und Leon Wollenburg oder Andreas Mayer, die können es. Dank ihrer Trainerin Lisa Egger. Sie führt die Jugendlichen an das Leistungsniveau einer Regatta heran.

    Zuletzt, es ist schon fast dunkel, kommt ganz leise und sanft das Boot von Kurt Fischer an. Routiniert parkt er am Floß ein, schraubt die Skulls aus der Dolle, steigt aus, hebt sein Boot über den Kopf und trägt es ins Bootshaus. Mit 78 Jahren. Da haben Horst Eberhardt und ich unseren Zweier längst aus dem Wasser gehoben und über dem Kopf zum Bootshaus getragen. Sieht lässig aus, ist es aber nicht. Tragen Sie mal so ein Boot über dem Kopf! Das wird dann ebenso wie die Löffel geputzt und alles wird wieder in den Bootshäusern weggeräumt.

    Mit dem Blick über die Donau klingt der Abend am 2014 sanierten Clubgelände aus. Ich lerne etwas über Distanzen: Nach Ulm sind es 44 Kilometer, mit dem Boot sind das sechs Stunden hin und fünf zurück. Über Rudern im Winter: dann in Plastikbooten, die sind widerstandsfähiger als Holzboote. Über Geselligkeit: Die Mitglieder jeden Alters machen viele Ausflüge. Rudern könne man ein Leben lang. Bester Beweis: In Lauingen gibt es mehrere 80-Jährige, die drei Mal pro Woche ins Boot steigen. Die gleichmäßige Abwechslung zwischen Belastung und Ruhephase sei gut für das Herz-Kreislaufsystem und die Atmung. Man lerne Teambildung und Verantwortung, wenn man mit anderen im Boot sitzt, sagt Horst Eberhardt. „Und wenn es richtig gut läuft, spürt man eine wunderbare, innere Zufriedenheit. Jedes Mal.“ Angst hatte ich im Boot übrigens nie. Kein einziges Mal.

    In unserer Serie „Sport-Talente?“ versuchen sich die Redakteurinnen/Redakteure der Donau-Zeitung und Wertinger Zeitung an für sie neuen Sportarten. Und die Leser erfahren, wie wir uns dabei angestellt haben.

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