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So blicken Polizei, Suchtberatung und ein Anwalt aus dem Landkreis Dillingen auf eine mögliche Cannabis-Legalisierung

Landkreis Dillingen

Cannabis-Legalisierung: Kiffen für alle?

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    Sollte Cannabis legalisiert werden? SPD, Linke, Grüne und FDP sprechen sich zumindest für Lockerungen und Entkriminalisierung geringer Mengen aus. Menschen aus dem Landkreis Dillingen, die regelmäßig beruflich mit Drogen zu tun haben, reagieren unterschiedlich.
    Sollte Cannabis legalisiert werden? SPD, Linke, Grüne und FDP sprechen sich zumindest für Lockerungen und Entkriminalisierung geringer Mengen aus. Menschen aus dem Landkreis Dillingen, die regelmäßig beruflich mit Drogen zu tun haben, reagieren unterschiedlich. Foto: Daniel Karmann, dpa (Symbol)

    Gras, Cannabis, Marihuana. Für die Droge gibt es viele Namen. Gemeint ist damit aber immer die Hanfpflanze, deren Inhaltsstoffe längst nicht mehr nur klischeetreue Hippies erfreut. Kiffen ist in der Gesellschaft längst verbreitet – obwohl Besitz und Verkauf von Marihuana in Deutschland illegal sind. Doch das könnte sich ändern. Grüne, SPD, Linke und FDP sprechen sich in ihren Wahlprogrammen geschlossen für laschere Regeln im Umgang mit Cannabis aus. Die Forderungen reichen von der Entkriminalisierung des Besitzes kleinerer Mengen bis hin zur vollständigen Legalisierung. Doch wie kommen solche Forderungen bei Polizei, Justiz und Suchtberatern an? Wir haben uns im Landkreis umgehört.

    Zunächst ein paar Zahlen: Laut dem Sicherheitsbericht der Polizei Schwaben Nord wurden in Stadt und Landkreis Augsburg sowie den Kreisen Dillingen, Aichach-Friedberg und Donau-Ries im vergangenen Jahr 1548 Verstöße mit Cannabis registriert. Das sind 268 mehr als im Vorjahr. Wäre die Legalisierung also eine Erleichterung für die Polizei?

    Ist Cannabis noch eine Einstiegsdroge?

    Auf Anfrage heißt es beim Polizeipräsidium: „Sollten Gesetzesänderungen erfolgen, kann die Polizei vermutlich erst nach einem entsprechenden Zeitraum beurteilen, ob sich hinsichtlich Arbeitsaufkommen spürbare Veränderungen ergeben haben oder sich die Arbeit nur innerhalb des Deliktbereichs verschiebt.“ Generell beteilige man sich nicht an Spekulationen hinsichtlich möglicher Gesetzesänderungen. Fest steht aber: Unter den illegalen Rauschgiften kommt Cannabis in der Statistik in unserer Region mit Abstand am häufigsten vor. Laut dem Polizeipräsidium finden viele Konsumierende harter Drogen auch heute noch den Einstieg über Cannabis sowie legale Drogen.

    Der Dillinger Rechtsanwalt Georg Zengerle sieht das anders. „Die wirklichen Cannabis-Konsumenten bleiben auch bei Cannabis“, sagt der Strafverteidiger, der beruflich regelmäßig mit Verstößen gegen das Betäubungsmittelschutzgesetz (BtMG) zu tun hat. Seiner Erfahrung nach habe der Konsum harter Drogen wie etwa von Opiaten wenig mit dem Rauchen von Joints zu tun. Mit harten Drogen komme der Cannabis-Konsument jedoch auf dem unkontrollierten Schwarzmarkt in Verbindung, auf dem diese gleichzeitig angeboten würden.

    So sieht die Hanfpflanze aus.
    So sieht die Hanfpflanze aus. Foto: Oliver Berg/dpa

    Zengerle heißt eine Legalisierung prinzipiell gut. Besonders im Auge hat er dabei Erwerb und Besitz geringer Mengen zum Eigengebrauch – und nur für Erwachsene. Durch Alkohol entstünden schädlichere soziale Folgen: Wer zu viel trinkt, wird oft aggressiv. Eine Folge, die bei Cannabis-Konsum ebenso unwahrscheinlich sei wie – wiederum im Gegensatz zum Alkohol – eine mögliche körperliche Abhängigkeit. „Ich sehe beim Konsumenten für eine strafrechtliche Differenzierung zwischen Cannabis und Alkohol zum Nachteil von Cannabis keinen tragfähigen Grund.“

    Doch selbst wenn die Legalisierung kommt, so einfach wird sie nicht. Zengerle sieht da viel Regelungsbedarf. THC einfach aus der Liste illegaler Substanzen zu streichen, reiche nicht aus. Modelle und konkrete Vorgaben für einen legalen Markt müssten noch entwickelt werden. Der derzeitige unkontrollierte Schwarzmarkt, der überdies bei Polizei und Justiz wichtige Ressourcen binde, sei jedoch die schlechteste Lösung.

    Dillinger Anwalt Georg Zengerle: Wer gekifft hat, sollte nicht Auto fahren

    Doch woher kommen die Vorbehalte gegen eine Legalisierung? Einen möglichen Grund erklärt Zengerle am Beispiel Straßenverkehr: Alkohol kann die Polizei bei einer Fahrzeugkontrolle leicht durch einen Atemtest quantitativ feststellen. Bei Cannabiskonsum ist das schwieriger. Zwar erkennen geschulte Beamtinnen und Beamte Hinweise auf den Konsum, die Höhe der THC–Intoxikation lässt sich aber nur durch einen aufwendigeren Bluttest nachweisen. Dies, so Zengerle, rechtfertige allerdings kein grundsätzliches Verbot. Und: „Es ist ganz klar, dass wer unter Cannabis-Einfluss steht, im Straßenverkehr nichts verloren hat.“

    Die aktuelle Regelung bringt dem Rechtsanwalt zufolge nicht viel. „Die Leute kaufen das ja trotzdem, aktuell aber ohne staatliche Kontrolle oder Qualitätsprüfung.“ Er sieht Bedarf für eine Neuregelung. „Die Betroffenen sind mehr, als man denkt.“ Da gehe es meist um Menschen, die zum Runterkommen ab und zu einen Joint rauchen wollten, mehr nicht. Schaden entstehe dabei niemandem. Durch die Kriminalisierung jedoch könnten Konsumierende, die auch nur mit kleinen Mengen erwischt werden, nachhaltige Probleme bekommen. Denn Cannabis-Delikte werden unter bestimmten Voraussetzungen im Führungszeugnis erfasst. Ein solcher Eintrag stehe mancher Karriere im Weg.

    Auch das Dillinger Amtsgericht hat immer wieder mit Cannabis zu tun. Ein aktuelles Beispiel: Kommenden Dienstag wird ein Fall verhandelt, bei dem ein Mann 97 Gramm Marihuana dabei gehabt haben soll. Wie viele Verhandlungen sich im Jahr um Cannabis drehen, kann Amtsgerichtsdirektor Johann Popp nicht sagen. In der Statistik werden BtMG-Fälle nicht nach Art der Drogen aufgeschlüsselt. Die Zahl der BtMG-Verhandlungen schwankt aber: 2012 waren es etwa 28, zwei Jahre später 90, 2015 nur noch 59. In den vergangenen beiden Jahren waren es insgesamt 180. Für oder gegen eine Legalisierung will man sich am Amtsgericht nicht festlegen.

    Bei der Dillinger Suchtfachambulanz schlagen immer wieder Cannabis-Abhängige auf

    Eines steht fest: Verharmlosen sollte man Cannabis auf keinen Fall. Bei übermäßigem Konsum kann die Droge ernste Folgen mit sich bringen. Bei der Suchtfachambulanz der Caritas in Dillingen kennt man sich damit aus. Deren Leiterin, Sabine Schmidt, hat immer wieder mit Konsumierenden zu tun, die Probleme mit dem Gesetz bekommen haben oder in die Sucht gerutscht sind. 15 bis 20 Prozent der Klientinnen und Klienten kämen wegen Cannabis, 70 Prozent wegen Alkohol.

    Gerade bei jungen Menschen, sagt Schmidt, sehe sie bei zu regelmäßigem Konsum zum Teil gravierende Folgen: Manche bleiben in ihrer Entwicklung stehen. „Die werden nicht richtig erwachsen“, beschreibt sie es. Ihre Persönlichkeit verändere sich, es entwickle sich eine gewisse Gleichgültigkeit, nicht einmal die wenigen Ziele, die die Betroffenen im Leben haben, würden noch verfolgt. Bei der Suchtfachambulanz schlagen aber überwiegend die Extremfälle auf. Schmidt sagt: „Wer kein Problem mit Cannabis hat, taucht bei uns nicht auf.“

    Auch die Suchtfachberaterin will sich zur Legalisierung nicht klar festlegen. Sie spricht sich aber für die Entkriminalisierung geringer Mengen zum Eigenkonsum aus – aus den gleichen Gründen wie Rechtsanwalt Zengerle. Cannabis als Einstiegsdroge? Schmidt zufolge nur in manchen Fällen. Sie sagt: „Tabak ist die Einstiegsdroge für Cannabis.“

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