Das Dillinger Stadtarchiv veröffentlicht einen weiteren kulinarischen Beitrag in der Wissens-Serie „Fundstück des Monats“: Ein altbewährtes Gericht der Heimatküche aus dem historischen Kochbuch des Dillingers Balthasar Staindl, passend zur Grill-Saison.
Die Dillinger Stadtarchivarin Felicitas Söhner hat ein weiteres Rezept aus dem historischen – fast 500 Jahre alten – Kochbuch des Dillingers Balthasar Staindl herausgesucht und nachgekocht: leckere Geflügelbällchen. Wie berichtet, stammt das erste bekannte bürgerliche Kochbuch im deutschsprachigen Raum vom Dillinger Bürger Balthasar Staindl. Felicitas Söhner nimmt an, dass der Dillinger in den Diensten der Fugger-Familie oder des Fürstbischofs stand.
Immer wieder wurde das Kochbuch neu aufgelegt
Mitte des 16. Jahrhunderts – vermutlich 1544 – erschien erstmals sein gesammeltes Werk, welches nahezu unverändert bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts immer wieder aufgelegt wurde. Im Dillinger Stadtarchiv befindet sich eine der raren Faksimileausgaben. Das jetzt nachgekochte Rezept – die damals „Hennenknödel“ genannten Snacks – sind wie heute rasch gemacht und schmecken hervorragend als Suppenbeilage, Vorspeise, kalt auf dem Büfett oder als „Fingerfood“ vom Grill. Und so lautet das (ins heutige Deutsch übersetzte) Dillinger Rezept
„Knoedlein von Hennenfleisch“ aus dem Jahr 1544:
400 Gramm Hühnerfleisch, eine altbackene Semmel, zwei Eier, vier Esslöffel Ingwer, ein Teelöffel Nelkenpulver, ein Esslöffel Zimt, ein Teelöffel Pfeffer, ein Teelöffel Muskat, ein Liter Hühnerbrühe
Fleisch fein hacken. Gehacktes in eine Schüssel geben, mit Semmelbröseln und Eiern vermischen. Reichlich würzen und kräftig durchkneten, bis eine glatte Mischung entsteht. Daraus kleine Knödel formen und diese in Suppenbrühe kochen. Alternativ können diese auch gebraten oder gegrillt werden. Schmeckt prima als Suppenbeilage oder zu heller Soße.
Das Rezept im Orginal (wie damals üblich ohne Mengenangaben):
„So nimb das gesotten braet / es sey vonn Hennen / Kaponen / nur das weiß braet soll man nehmen / vonn Voegeln nimb auch nur das Braet / thu die bain besonder in ain schüssel / hack das braet klain / schlag ayr darunder / reib ein wenig semel brot darunder / gwirtz und saltz / nimb denn die Brue / es sey von Hennen / oder die brue von Voegeln / schlage das gehackt braetknoedlen weiß ein / gilbs.“
Neben diesem kulinarischen „Schmankerl“ lagern im Dillinger Stadtarchiv zahlreiche weitere Schätze. Stadtarchivarin Dr. Söhner ist es ein wichtiges Anliegen, diese besonderen Stücke regelmäßig für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen.
Im Rahmen des Stadtarchiv-„Blogs“ werden regelmäßig spannende Einblicke in die Bestände des Archivs gewährt und ausgesuchte Exponate gezeigt. „Ob Urkunden, Fotos, Plakate, Verträge oder Briefe – die Vielfalt macht den Reiz der vorgestellten Exponate aus“, so die Dillinger Archivarin. Auf folgender Internetseite kann die Präsentation der Fundstücke zudem nachgelesen werden: https://stadtarchivdillingen.wordpress.com. (pm)
Der Begriff Knödl:
Die süddeutsch-österreichische Bezeichnung „Knödel“ stammt vom althochdeutschen „Chnodo“ („kleiner Hügel“) – das nord-westdeutsche Wort „Kloß“ stammt übrigens von „Kloz“ („Klumpen, Knolle, Kugel“). Die Sprachgrenze zwischen Knödel und Kloß liegt ungefähr entlang des Mains.
Bereits im Mittelalter ist in bayerischen Klosterhandschriften von Fleischknödeln die Rede. Auch zu Varianten aus Hirse, Bohnen oder Roggenmehl gibt es Aufzeichnungen.
Im süddeutschen Raum bestand die tägliche Kost jener Zeit vor allem aus Suppen, Milch- und Mehlspeisen. Waren im Mittelalter vor allem Getreidebreie die Hauptmahlzeiten, bildeten ab der Mitte des 16. Jahrhunderts Knödelgerichte neben Dampfnudeln, Knöpfle und Spätzle die Ernährungsgrundlage. Während Knödelspeisen aus Getreide regelmäßig auf dem Speiseplan standen, waren die fleischhaltigen Varianten eher ein Sonntagsgericht. Bis zum Kartoffelknödel sollte es aber noch lange Zeit dauern. Zwar erschien das älteste deutschsprachige Rezept für „Erdepffel“ im Jahr 1581, doch bis der Kartoffelknödel Einzug in unsere Küchen hielt, dauerte es noch bis ins 18. Jahrhundert. (pm)
Hier finden Sie weitere Gerichte aus dem jahrhundertealten Dillinger Kochbuch:
Aus dem Kochbuch des Dillinger Archivs: Feine Erdbeerbonbons nach einem uralten Rezept
Diese leckere Linsensuppe gab es schon im 16. Jahrhundert