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Prozess in Dillingen: Hat eine Mutter ihre Kinder vernachlässigt?

Prozess in Dillingen

Hat eine Mutter ihre Kinder vernachlässigt?

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    Ein Mann aus dem Landkreis Dillingen warf einer Bekannten vor, ihre Kinder zu vernachlässigen. Jetzt stand der Mann wegen Falscher Verdächtigung vor Gericht.
    Ein Mann aus dem Landkreis Dillingen warf einer Bekannten vor, ihre Kinder zu vernachlässigen. Jetzt stand der Mann wegen Falscher Verdächtigung vor Gericht. Foto: Alexander Kaya (Symbol)

    Der Gang vor dem Gerichtssaal ist gut gefüllt. Acht Zeugen sind zur Verhandlung am Dillinger Amtsgericht geladen. Sie alle erwarten einen Prozess, der tief in die Privatsphäre der Beteiligten eindringen könnte. Es geht um den Vorwurf, dass eine Mutter mit ihren Kindern überfordert sein und diese vernachlässigt haben soll. Und einen Mann, der sich nach eigenen Angaben lediglich Sorgen um diese Kinder gemacht hat und deshalb Alarm beim Jugendamt geschlagen hat.

    Der Mann soll die Kinder sexuell belästigt haben

    Dieser Mann sitzt auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Falsche Verdächtigung vor. Der 56-Jährige aus dem Landkreis Dillingen hat sich im Spätsommer 2018 telefonisch beim Jugendamt gemeldet. Dort gab er an, dass eine Bekannte ihre Kinder nicht ausreichend versorgen kann. Sie würden nichts zu essen bekommen und in schmutzigen Klamotten herumlaufen, so der Vorwurf. Die Behörde ging den Anschuldigungen nach. Dabei kam heraus, dass die Sorgen offenbar unberechtigt waren. Die Mutter erstattete Anzeige wegen Falscher Verdächtigung.

    Zum Prozess kommt der 56-Jährige in T-Shirt und ohne Anwalt. Auf Nachfrage von Richter Patrick Hecken berichtet der Mann davon, dass er einen „guten“ Kontakt zu der Frau hatte. Die 38-Jährige wohnte in der Nähe des Mannes, der ebenfalls mehrfacher Vater ist. Über Verbindungen durch den Nachwuchs kam es, dass die Frau ihre drei Kinder, vom Kleinkind- bis zum Teenageralter, dem Mann regelmäßig zum Aufpassen anvertraute. Im Laufe der Zeit habe der Mann mitbekommen, dass die Mutter „total überfordert“ sei. Einmal habe er den Kühlschrank der Familie gesehen, der dreckig und voller verschimmelter Sachen gewesen sei. Richter Patrick Hecken hakt ein: „Dass im Kühlschrank mal etwas zu schimmeln anfängt, kommt schon mal vor.“ Der Mann entgegnet: „Es war aber übermäßig viel.“ Er beschreibt weitere Missstände, die er beobachtet haben möchte. Die Kinder seien etwa in kaputter und schmutziger Kleidung herumgelaufen. Ein Sohn der Frau hätte sich ihm anvertraut, dass er keine Unterhose besitzt und der Mann ihm bitte eine kaufen soll. Nach mehreren solchen Erfahrungen habe er sich an das Jugendamt gewendet.

    Der Richter lässt den Angeklagten gehen

    Hecken wägt ab: „Es ist das eine, sich als Nachbar Sorgen zu machen, das ist nicht verboten“, sagt er. „Es ist aber etwas anderes, wenn man Behauptungen in die Welt setzt, die nicht stimmen.“ Der Richter erkundigt sich, ob es eine Vorgeschichte gab, etwa einen Streit. Der Mann antwortet: „Ich habe mir als Vater von vier Kindern einfach Sorgen gemacht.“ Kurz darauf kommt zur Sprache, dass die Mutter dem Mann vorgeworfen hat, ihre Kinder sexuell belästigt zu haben. Ein entsprechendes Verfahren sei jedoch eingestellt worden, berichtet der Angeklagte, der betont, dass er keines der Kinder angefasst habe. Mit dem Konflikt in dieser Sache habe dies jedoch nichts zu tun.

    Hecken überlegt und sagt: „Wir können jetzt alle Zeugen befragen, wer wem welches Essen gegeben hat.“ Eine wohl schwierige und langwierige Beweisaufnahme. Die laut Hecken gar nicht nötig ist. Denn der Angeklagte wurde zuletzt in einer anderen Gelegenheit zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Selbst wenn sich die Vorwürfe der Falschen Verdächtigung erhärten sollten, würde die Strafe in diesem Zusammenhang „nicht ins Gewicht fallen“, so Hecken, der den Mann gehen lässt – wie auch alle acht Zeugen, die nicht mehr aussagen müssen.

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