Der grauhaarige Mann mit der fahlen Haut im blau-weiß-gestreiften Hemd wirkt unscheinbar. Er könnte mit seiner scheinbar entspannten Haltung genauso gut an der Haltestelle sitzen und auf einen Bus warten. Nur hat der 60-Jährige aus dem Landkreis Dillingen auf der Anklagebank des Landgerichts Augsburg Platz genommen. Und was ihm zur Last gelegt wird, ist fürchterlich: Dem Angeklagten wird schwerer sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen vorgeworfen.
Anklage: Schwerer sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
31 Mal soll er sich während der Jahre 2011 bis 2014 in seiner Wohnung im Landkreis Dillingen an den beiden eigenen Kindern vergriffen haben. Auf Streicheln und erzwungene Zungenküsse seien demnach Vergewaltigungen gefolgt. Die Tochter soll bei der ersten Tat zehn Jahre und der Sohn sieben Jahre alt gewesen sein. Die mittlerweile Jugendlichen werden vor Gericht von Anwältin Marion Zech vertreten.
Staatsanwältin Zembruski liest die Anklageschrift und die darin geschilderten Taten minutiös vor. Die Zeit scheint dabei langsamer zu vergehen, so unerträglich sind die aufgelisteten Taten, die die mutmaßlichen Opfer bei ihrer Vernehmung geschildert haben. Der Angeklagte wirkt währenddessen unbeteiligt. Starr blickt er abwechselnd auf ein Blatt Papier, das vor ihm liegt, oder sieht aus dem gegenüberliegenden, verschlossenen Fenster.
Angeklagter sagt, er sei unschuldig
Angaben wolle er nicht machen. Und er sei „vollumfänglich unschuldig“, wie er über seine Strafverteidiger Helmut Linck und Ulrich Swoboda verlauten lässt. Auf die Nachfrage des leitenden Richters Lenart Hoesch, ob er den Aussagen seiner Verteidiger zustimme, ist vom Angeklagten ein kaum verständliches „Ja“ zu hören. Dann verstummt der Angeklagte zunächst wieder, bis der einzige Zeuge des ersten Prozesstages hineingebeten wird.
Es ist ein Polizeibeamter des Landeskriminalamts München, der nun vom langen Versteckspiel des Angeklagten berichtet. Ende Mai des Jahres 2018 meldete sich die Kriminalpolizei Dillingen beim LKA München und bat um Unterstützung bei einem Fall.
Mann hatte weitere Familie auf Sri Lanka
Zuvor erhielten die Ermittler einen Anruf von der Deutschen Botschaft auf Sri Lanka. Ein Mann, der nun vor Gericht stehende Angeklagte, habe für sich und seine einheimische Frau sowie das gemeinsame Kind einen Antrag auf Ausreise gestellt. Der Angeklagte war 2014, nach mehreren Urlauben, alleine auf die Insel im Indischen Ozean ausgewandert. Der Botschaft mit Sitz in der Hauptstadt Colombo fielen nun Ungereimtheiten auf: Der Deutsche, der neben seiner Familie im Kreis Dillingen noch eine weitere im fernen Asien hatte, hatte falsche Angaben gemacht und sich das Visum erschlichen. Hinzu kam die Information über den damals schon zugrunde liegenden Haftbefehl der deutschen Ermittler. Daraufhin zog die Botschaft den Reisepass des Angeklagten ein.
Im Juni 2018 flog der Polizeibeamte mit einem Kollegen nach Sri Lanka. Ihr Ziel: die Festnahme des Angeklagten und eine begleitete Abschiebung nach Deutschland. Der Mann stellte sich bereits damals als unschuldig dar, wollte jedoch mit den Beamten zurückfliegen – wenn die neue Familie mitkommen dürfte. Doch die Familie war zum verabredeten Zeitpunkt nicht da, das Haus des Angeklagten in Sri Lanka verwaist. Ohne den nun per internationalem Haftbefehl gesuchten Mann mussten die Polizisten wieder zurückkehren. In Deutschland traten die Ermittler mit der Schwester des Angeklagten in Kontakt, die der Mann mehrfach angerufen haben soll. Ihr Bruder befinde sich in einem Stundenhotel auf der Insel, wolle nicht in ein deutsches Gefängnis und habe Selbstmordgedanken, habe die Schwester gesagt. So sagt es der Zeuge vor Gericht.
Mann stellte sich 2019 den deutschen Behörden
Stattdessen beantragte der Gesuchte Ende 2018 einen Asylantrag beim UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen – und der wurde vorübergehend bewilligt. Eine Festnahme war somit nicht möglich. Bevor die Aufhebung des Asylstatus den deutschen Ermittlern bekannt werden konnte, meldete sich der Angeklagte bei der Deutschen Botschaft und vermeldete, dass er sich stellen wolle und dafür seinen Pass bräuchte. Und so flog Mitte Februar 2019 die gesamte Familie nach Amsterdam, da es von Colombo keine Direktflüge nach Deutschland gab. Die niederländischen Behörden übergaben den Mann kurze Zeit später den deutschen Kollegen. Seitdem befindet er sich in der JVA in Gablingen in Untersuchungshaft.
In den folgenden Prozesstagen werden Sachverständige, Gutachter und die Geschädigten zu Wort kommen. Ob sie dafür persönlich vor Gericht erscheinen, ist noch unklar.
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