Startseite
Icon Pfeil nach unten
Dillingen
Icon Pfeil nach unten

Medlingen: Die Stiftskirche in Obermedlingen: ein hölzernes Kleinod

Medlingen

Die Stiftskirche in Obermedlingen: ein hölzernes Kleinod

    • |
    Begehrt sind die kleinen Engelchen. Immer wieder wurden einige gestohlen.
    Begehrt sind die kleinen Engelchen. Immer wieder wurden einige gestohlen. Foto: Katharina Gaugenrieder

    Manchmal, an besonders klaren Tagen, da scheint es nur ein Katzensprung zu sein. Dann erheben sich scheinbar gleich hinter dem Kirchturm der Stiftskirche in Obermedlingen die Alpen. Keine unbekannten Gipfel ziehen hier im Konkurrenzkampf mit dem 73 Meter hohen

    Doch die Geschichte des Klosters Obermedlingen reicht viel weiter zurück. Schon 1260 entstand hier eine Außenstelle des Dominikanerinnen-Klosters Maria Medingen, das aus allen Nähten platzte. 15 Nonnen zogen einige Kilometer weiter nach Obermedlingen. Fast 300 Jahre prägten sie das Leben hier. Dann trat der Pfalzgraf Ottheinrich zum evangelischen Glauben über. Und seine Untertanen gezwungenermaßen gleich mit. Die Dominikanerinnen von Obermedlingen bekamen einen evangelischen Pfarrer vorgesetzt, wie Kirchenführer Toni Lieb erzählt. Ihre katholischen Bücher wurden ihnen abgenommen. Schließlich wurden die Ordensfrauen sogar ins Lauinger Schloss eingesperrt. 1544 wurde der letzte katholische Gottesdienst in Obermedlingen gefeiert. Und dann brannte 1545 auch noch die Kirche ab. Brandstiftung munkelt man seit fast 500 Jahren.

    Einen herrschaftlichen Glaubenswechsel später kehren die Dominikanerinnen 1616 zurück. Da liegt die Kirche noch immer in Schutt und Asche. Dass kurz danach der 30-jährige Krieg entbrennt, macht die Sache nicht besser. „Die Schwestern haben sich bemüht, aber sie kamen nicht so recht vorwärts“, sagt Toni Lieb. So gibt man die Dinge schließlich in die Hände der Männer. Die Dominikanermönche bauen zunächst eine notdürftige, kleine Kirche. Doch die ist bald zu klein. Denn der Predigerorden macht seinem Namen alle Ehre. Von weit her pilgern die Menschen nach Medlingen, um die Predigten zu hören. Der Platz in der kleinen Kirche ist schnell zu knapp. So wird schließlich am 5. Mai 1700 der Grundstein für eine neue, größere Kirche errichtet. Parallel wird das Kloster neu gebaut.

    21 Jahre dauert es, bis das Gotteshaus im Barockstil am Himmelfahrtstag 1721 endlich geweiht werden kann. Die Fresken und Altäre sind da noch gar nicht fertig. Und doch haben die Baumeister bis dahin schon Großartiges geleistet. Entstanden ist ein lichtdurchflutetes Gotteshaus, dessen imposanter Innenraum auch heute, mehr als 300 Jahre später, die Menschen fasziniert. „Das besondere hier ist das Holz“, schwärmt Toni Lieb. „Woanders sind die Säulen und Altäre aus Stein. Hier aus Holz.“ Vornehmlich heimische Hölzer sind es, die der Bettelorden der Dominikaner hier verbauen ließ. Nussbaum, Ahorn, Birke und Zwetschge sind in diffizilen Intarsienarbeiten verbaut. Für den schwarz-weißen Dominikanerstern, der immer wieder zu finden ist, wurde sogar mit edlem Ebenholz und mit exotischem Elfenbein gearbeitet. Dazugekommen sind in letzter Zeit auch einige weiße Punkte. Denn an Stellen, an denen die Sonne über Jahrhunderte das Holz ausgebleicht hat, müssen die Intarsien ausgebessert werden. Etwa 50000 Euro wird das kosten.

    Für Toni Lieb eine selbstverständliche Investition. Er ist fasziniert von dem, was die Mönche hier geschaffen haben. „Das waren keine Handwerker, das waren Künstler. Diese Kirche birgt sehr viel Kunst in sich. Und sehr viel Können. Bei den Schnitzarbeiten am imposanten Chorgestühl, den Intarsien, den Altären und der kunstvollen Kanzel.“ Selbst die Sakristei ist eine Schau, nicht nur wegen ihrer schieren Größe. Denn dort befinden sich zwischen reichlich Stuck auch zwei Fresken des bekannten Malers Johann Anwander. „So eine Sakristei hat nicht einmal der Bischof“, sagt Mesner Dieter Haschke stolz.

    Doch auch ein barockes Schmuckstück wie die Stiftskirche hat einen Makel. Der offenbart sich dem Besucher, wenn er den Kopf in den Nacken legt und einen Blick auf die Deckenfresken wirft. Auch demjenigen, der im Kunstunterricht nicht aufgepasst hat, fällt auf, dass die Fresken nicht so recht zusammenpassen wollen. Zwar sind sie alle von einem Herrn Huber gemalt. Nur eben im Abstand von mehr als hundert Jahren von drei verschiedenen Hubern.

    Die nachgeborenen Hubers wurden engagiert, nachdem ein großer Teil des Gewölbes des Langhauses einstürzte, wobei zwei der drei Fresken zerstört wurden. Und einer, findet Toni Lieb, ist dabei aus dem Stil gefallen. „Das sind ganz andere Farben. Aber es ist ja meistens so, dass das Original besser ist“, sagt er und deutet auf den Hochaltar. Der Gottvater breitet da inmitten eines goldenen Strahlenkranzes die Arme aus. Für Toni Lieb ist das ein zentrales Symbol der Stiftskirche: „Jeder kann in diese Kirche reinkommen, der liebe Vater umarmt ihn. Das ist ermutigend und hoffnungsvoll. Auch im Jahr 2016.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden