12.000 Übernachtungen, bis zu 120 Seminare, die Kapazität von 105 Betten immer optimal ausgelastet. Es lief gut für Klaus-Peter und Daniela Musselmann. Zehn Jahre nachdem sie das Gut Helmeringen übernommen, investiert und, wie sie sagen, zu einem der größten Seminarzentren in Süddeutschland ausgebaut hatten, lief es sogar immer besser. Doch dann kam das Virus und mit ihm der Lockdown. Und auf Gut Helmeringen wurde es still.
13 Monate später hat sich Daniela Musselmann noch immer nicht an diese Ruhe gewöhnt: „Das ist so traurig, wenn man durch die Seminarräume geht und dann ist da niemand“, sagt sie. Zwei Osterfeste und ein Weihnachten habe sie jetzt ohne Gäste verbracht. Wo doch sonst um diese Zeiten das Gut Helmeringen immer gut besucht war. Neulich habe die Familie sogar einen Biber beobachten können, wie er im nahen See, der zum Gut gehört, ein paar Bahnen schwamm. Eigentlich ruhen sich dort immer die Gäste aus.
Fast alle Mitarbeiter auf Gut Helmeringen wurden entlassen
2020 wäre für Familie Musselmann „ein Bombenjahr“ gewesen. Doch mit dem ersten Lockdown war klar: Die kommenden Monate werden hart. Von jetzt auf gleich wurden Seminare abgesagt oder verschoben. Lange Zeit kamen keine Gäste. Die Mitarbeiter mussten in Kurzarbeit. Nach dem Lockdown begann dann das Auf und Ab. Wird geöffnet oder nicht? Welche Regeln gelten? Musselmann sagt, die Erlaubnis zur Öffnung habe sie erst drei Tage vorher erhalten. Allein die Corona-Sicherheitsmaßnahmen einzurichten (Abstandsmarkierungen, Desinfektionsmittel) habe jedoch zwei Wochen gedauert. „Ohne die Hilfe und Erfahrung anderer Häuser wäre das so schnell gar nicht gegangen“, sagt sie.
Doch selbst diese Regelung brachte Schwierigkeiten mit sich. Ein Büfett war wegen der Ansteckungsgefahr nicht mehr möglich, stattdessen gab es eine Essensausgabe – mit entsprechendem Personalaufwand und Kosten. Doch die Lauingerin, so sagt sie heute, war zuversichtlich. „Ich war der Meinung, dass die Gastronomie gute Konzepte ausgearbeitet hat.“ Dass im Oktober der nächste Lockdown folgt, hätte sie nicht gedacht.
Die Finanzhilfen kamen erst spät an
Für Daniela Musselmann war die Zeit sehr schwer. „Das kam mit einer solchen Wucht“, sagt sie. Eines war ihr klar: Dieser Lockdown wird länger dauern. Dann kam die Frage auf: Wie geht es weiter? Alsbald folgte die wohl schwerste Entscheidung der vergangenen Jahre: „Wir haben uns mit den Mitarbeitern zusammengesetzt und darüber gesprochen, dass wir einige entlassen müssen.“ Von damals 16 Kolleginnen, von denen einige auf 450-Euro-Basis oder in Teilzeit arbeiteten, sind nur drei erhalten geblieben. Musselmann betont, dass die Kündigungen im gegenseitigen Einverständnis ausgesprochen wurden und dass viele danach einen neuen Job gefunden hätten. „Aus Sicht der Mitarbeiter war das auch nicht das Schlechteste. Im Gastgewerbe ist die Bezahlung nicht so gut, dann man auf 20 oder 40 Prozent des Gehalts längere Zeit verzichten könnte. Bei 100 Prozent Kurzarbeit bleibt einfach zu wenig übrig, um davon vernünftig leben zu können.“
Musselmann ist die Enttäuschung über die deutsche Corona-Politik deutlich anzuhören. Während in anderen Bundesländern Seminarzentren wie ihres im vergangenen Jahr bereits früher hätten aufmachen dürfen, war das in Bayern ihr zufolge nicht möglich. „Einige Kunden haben dann gesagt, sie schauen sich nach Alternativen in anderen Regionen um.“ Wie viele andere in der Branche beklagt sie die Perspektivlosigkeit. Im ersten Lockdown habe sie noch Verständnis gehabt. Doch dass es danach keine neuen Strategien gegeben habe, wie man Infektionsschutz und Gastronomiegewerbe unter einen Hut bekommt, kritisiert sie. Sie erzählt von sehr späten Finanzhilfen, fehlenden Übergangsphasen von der ersten Öffnung in den zweiten Lockdown und vielem mehr. Für die Familie war aber immer klar: Es muss weitergehen.
Gut Helmeringen in Lauingen setzt auf regionale Produkte
Nur wie? Zwei Dinge seien ihr in der Krise klar geworden: „Es ist wichtig, dass die Menschen füreinander da sind. Und wir sollten mehr darauf achten, wie wir leben.“ Sie verweist auf Importstrukturen in der Lebensmittelbranche. Während der Corona-Krise habe sie regionale Produkte noch mehr schätzen gelernt. „Da weiß man auch, was drin ist“, sagt sie und verweist etwa auf die Lauinger Gewürzmanufaktur Lodner oder die Öle der Prinzenmühle in Dunstelkingen.
Familie Musselmann will nun so einiges anders machen: Auf der einen Seite gibt es jetzt einen eigenen Hofladen mit Produkten aus der Region. Die Idee dazu sei der Lauingerin gekommen, als sie wegen des Lockdowns viele Lebensmittel auf Vorrat loswerden musste. Also wurde fleißig Gulasch und Rehragout eingemacht. In einem Ofen wird nach altdeutschem Prinzip Brot gebacken. Der Laden sei zwar nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Er habe aber zumindest zwei Arbeitsplätze erhalten. Und sie will ihn ausbauen.
Außerdem will Musselmann die Bettenzahl auf Gut Helmeringen verkleinern. Ein Teil des Geländes soll vermietet werden, etwa an Familien. Der Betreiberin schwebt da allerdings ein besonderes Konzept vor: „Ich stelle mir das so ähnlich vor wie die Strukturen früher auf dem Dorf.“ Die künftigen Mieter, so ihre Vorstellung, sollten durchaus auch mal auf dem Hof mitanpacken wollen. Auf gemeinsamen Gemüsebeeten etwa wachsen dann Gurken, Tomaten und Karotten. Und wie das früher auf dem Dorf so war, wird dann geteilt. Was übrig bleibt, kommt in den Hofladen. Sich unterstützen und mitarbeiten ist das Motto. Bis es so weit ist, dauert es aber noch. „Wir sind gerade dran, das zu planen.“
Es wird also wieder Leben in das Lauinger Seminarzentrum einkehren. Die Frage ist nur, wann. Familie Musselmann plant solange weiter – und beobachtet den Biber im See.
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