Beinahe hätten wir ihn vergessen, den höchsten Punkt im Landkreis Dillingen. Und das auch noch am internationalen Tag der Berge, der am Freitag, 11. Dezember, begangen wurde. Das hätte uns vermutlich einen erzürnten Anruf des Zöschinger Bürgermeisters Tobias Steinwinter eingetragen. Denn der Rathauschef der kleinsten Gemeinde im Landkreis weiß natürlich, dass die höchste Erhebung in der Region auf der Gemarkung seiner Bachtal-Kommune liegt.
610 Meter über Normalnull, das ist der Spitzenwert
„Ein richtiger Berg ist es nicht“, gesteht Steinwinter. Die Erhebung liege auf einem Albausläufer in Richtung Nattheim – bei den Zöschinger Windrädern in der Nähe der Landesgrenze zu Baden-Württemberg. Und der Ort habe den Namen „Bei der Kreuzbuche“, weil dort in der Nähe eine sehr alte Buche mit angeheftetem Kreuz stand, erklärt Steinwinter. Allerdings habe ein Blitzschlag dieser Buche vor ein paar Jahren den Garaus gemacht. Die Turbulenzen des Wetters können aber der in Stein gemeißelten Tatsache nichts anhaben, dass Zöschingen den Höhenrekord im Landkreis hält. „Da sind wir schon ein bisschen stolz darauf“, sagt Steinwinter. Der Regionalentwicklungsverein Donautal-Aktiv hat sogar eine Tafel aufstellen lassen. Damit ist es amtlich. „Sie befinden sich am höchsten Punkt im Landkreis Dillingen/Donau. 610 Meter über N.N“, lehrt das Schild.
Für Eiger-Nordwand- und Nanga-Parbat-Bezwinger mag dies lächerlich klingen. Und auch für Menschen, die die genaue Höhe aller Achttausender dieser Welt kennen und jetzt beim Mount Everest, dem höchsten aller Berge, nach der Neuvermessung 86 Zentimeter zugeben und auf 8849 Meter aufrunden müssen. Da wirkt der 600 Meter hohe Buchenkopf, der „Mount Everest“ des Landkreises Dillingen, bescheiden. Für einen Donautalbewohner, der auf nicht viel mehr als 400 Metern Höhe über dem Meeresspiegel lebt, ist das aber eine Hausnummer. Vor allem wenn man sich mit dem Rad, ohne Elektromotor, in diese Höhen begibt. Zudem haben die Dillinger Erhebungen klingende Namen – Erzberg, Kastenbichl, Hetzenbühl, Nonnenberg, Ottilienberg, Sebastiansberg, Türlesberg … Gleich jeweils dreimal unter den höchsten „Gipfeln“ im Landkreis sind im Übrigen der Eichberg und der Fuchsberg zu finden, aber auch den Schlossberg und Galgenberg gibt es doppelt.
Das Vermessungsamt hat eine Fleißaufgabe erledigt
Dass wir überhaupt über diese Berg-Giganten des Dillinger Lands und des Zusamtals sprechen können, liegt am Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung in der Kreisstadt. Leiter Thomas Wagner hat auf die Anfrage unserer Zeitung hin eine Aufstellung über die Erhebungen vorgelegt, bei der es sich um eine Auswahl handelt. Und den Vermessungsamtschef hat das Ergebnis selbst überrascht. „Es gibt hier etliche Hügel, das war mir so vorher nicht bewusst“, sagt Wagner. Natürlich haben wir in diesem Zusammenhang gegenüber dem Amtschef von Bergen gesprochen, denn wer beispielsweise von Lutzingen mit dem Rad zur Goldbergalm hoch will, weiß, dass er da ganz schön strampeln muss. Das Dorf liegt auf 439 Metern, der sagenumwobene Goldberg auf 525 Meter, da sind immerhin 86 Höhenmeter zu bewältigen.
Der Geschäftsführer des Regionalentwicklungsvereins Donautal-Aktiv, Lothar Kempfle, sagt jedenfalls: „Ich finde es ganz erstaunlich, richtige Felsen im Landkreis Dillingen zu haben.“ An vielen Stellen in der Verwaltungsgemeinschaft Syrgenstein seien sie „imposant“. Und richtig tief fallen könne man im Steinbruch in Haunsheim. Angelika Tittl, Teamleiterin Tourismus bei Donautal-Aktiv, drückt allerdings ein wenig auf die Euphorie-Bremse. „Eine Bergsteigerregion sind wir im Landkreis Dillingen nicht“, sagt Tittl. Als unsere Redaktion ihr aber die Auswahlliste mit 68 Bergen in den Ausläufern der Schwäbischen Alb und am Ende des Alpenvorlands vorlegt, ist auch die Tourismusexpertin angetan. „68 Berge, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen“, sagt Tittl. Und dabei haben wir ihr von einem Gipfelkreuz, das es in der Region gibt, noch gar nicht erzählt.
Höhere Berge ist Marlies von der Grün, die Vorsitzende der Dillinger Sektion des Deutschen Alpenvereins (DAV) mit ihren knapp 2000 Mitgliedern, gewohnt. Über die Berge im Landkreis Dillingen spricht die Höchstädterin aber alles andere als despektierlich. Im Gegenteil. Auf dem Buchenkopf bei Syrgenstein war die Dillinger DAV-Vorsitzende selbst vor einigen Jahren. „Das ist ein bewaldeter Buckel“, erinnert sich von der Grün. Der Goldberg wiederum sei eine ganz wunderbare Erhebung. Weil es sich um einen Auswurf nach dem Meteoriteneinschlag im Ries handelt, rage der Goldberg so weit ins Donautal hinein. Und die Dillinger Alpenvereinssektion, die 2021 ihr 125-jähriges Bestehen feiern will, sei ja seit jeher mit ihren Vereinsveranstaltungen auf der Goldbergalm zu Hause. In den Anfängen hätten sich die meisten Mitglieder keine Ausflüge in die Alpen leisten können, da seien die Wanderberge in der Region willkommene Ziele gewesen. Das sei auch in der Gegenwart noch so. „Wir verschmähen unsere heimischen Berge nicht“, versichert Marlies von der Grün.
Das tut auch Hermann Walther, der Vorsitzende der Lauinger Ortsgruppe im Schwäbischen Albverein, nicht, obwohl er nicht so recht von Bergen sprechen will. Den höchsten Punkt im Landkreis bei Zöschingen hält der Lauinger allerdings für wenig spektakulär. „Beim Wandern im Wald ist man auf einmal an dieser Stelle.“ Walther schätzt im Landkreis, wenn es um Berge geht, das Wandern im Kesseltal. „Am Schlossberg und Michelsberg und entlang der Kessel geht es ganz schön zur Sache“, sagt der Albvereinsvorsitzende, dem die Entwicklung seines Vereins etwas Sorgen bereitet. Der Lauinger Albverein, der das Pfannentalhaus bei Haunsheim als Vereinsheim nutzt, zähle noch etwa 150 Mitglieder. „Und wir sind halt alle 70 plus“, sagt Walther. Er hoffe, dass jüngere Mitglieder nachkommen, sagt der 78-Jährige. Das Wandern in den Ausläufern der Alb im Landkreis sei jedenfalls sehr reizvoll.
Es gibt auch sagenumwobene Berge wie den Türlesberg
Und es gibt ja auch sagenumwobene Berge – neben dem Goldberg etwa den Türlesberg bei Oberthürheim. „Es ist mein Lieblingsberg“, teilt der frühere Buttenwiesener Kulturreferent Helmut Sauter mit. Auch wenn es eigentlich kein Berg, sondern der „Absturz der Endmoräne aus der Eiszeit ins Donauried“ sei. Der Minnesänger Ulrich von Thürheim soll Sauters Worten zufolge dort gelebt haben. Um den 454 Meter hohen Türlesberg rankt sich eine Sage. „Dort soll auch ein Goldschatz vergraben sein“, sagt Sauter.
Leonhard Veh ist einer der ehemaligen Vorsitzenden der „Flachlandtiroler“ aus Oberliezheim, ein in den 1970er Jahren gegründeter Gaudiverein, der allerdings seit rund eineinhalb Jahrzehnten ruht. Oberliezheim sei nach Staufen der zweithöchste Ort im Landkreis Dillingen, da biete sich der Name Flachlandtiroler an. Obwohl Veh bereits den Kilimandscharo, den höchsten Berg Afrikas im Nordosten von Tansania bestiegen hat, hält er die Erhebungen im Landkreis für „sehr interessant und sehenswert“. Am liebsten, so der frühere Flachlandtiroler-Chef, sei ihm der Michelsberg bei Fronhofen, den er gerne mit seinen Enkeln besuche.
Der Schießberg samt Gipfelkreuz bringt es auf 535 Meter
Von den Reizen der Berge in der Region ist auch der Zöschinger Rathauschef Steinwinter restlos überzeugt. Der Bürgermeister hält nicht nur den höchsten Punkt im Landkreis Dillingen in Ehren, sondern macht unsere Redaktion auf eine Bergattraktion in seiner Kommune aufmerksam. „Es ist nicht die Zugspitze“, schränkt Steinwinter gleich im Vorfeld ein. Aber dann schickt uns der Bürgermeister ein Foto vom Zöschinger Schießberg. Wenn Schnee fällt, dann fahren nicht nur Buben und Mädchen der kleinsten Landkreis-Kommune dort Schlitten. Der Schießberg bringt es immerhin auf 535 Meter, was zu Rang neun in unserem Landkreis-Ranking reicht. Und in einem hat dieser Zöschinger Berg, so die Vermutung unserer Zeitung, ein Alleinstellungsmerkmal. Denn oben steht ein Gipfelkreuz. Anlass genug, den Schießberg einmal zu besteigen.
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