Anfang der Woche war Dominik Kratzer, Geschäftsführer der Lebenshilfe im Kreis Dillingen, etwas nervös. Denn auch die Werkstätten für Menschen mit Handicaps sollten geschlossen werden. Doch die Behinderten waschen sämtliche Laken und Bekleidung von Ärzten und Pflegern in den Krankenhäusern in Dillingen, Wertingen und Buchloe – mehr als 1000 Kilogramm Wäsche. Am Mittwoch gab dann das Bayerische Gesundheitsministerium die Allgemeinverfügung über die Schließung aller Werkstätten und Förderstätten heraus. Bis einschließlich 19. April dürfen Menschen mit Behinderung nicht mehr in diesen Einrichtungen betreut werden, sondern zuhause von ihren Angehörigen. Für die Lebenshilfe bedeutete das konkret: Rund 20 Menschen mit Behinderung, die in der Wäscherei tätig sind, fielen damit weg.
Dienst auf 24 Stunden und sieben Tage die Woche ausgeweitet
Am Donnerstag nun teilte Kratzer mit, dass der Betrieb der Wäscherei und damit die Wäscheversorgung der drei Krankenhäuser Dillingen, Wertingen und Buchloe aufrechterhalten bleibt. „Derzeit stemmen wir die Arbeit mit unserem Fachpersonal, das ja von der Schließung der Werkstätten nicht betroffen ist. Ich neige eigentlich nicht zu überschwänglichen Lobeshymnen: Aber es ist eine Freude zu sehen, mit welch großartiger Bereitschaft und persönlichem Einsatz das Personal der Werkstätten hier flexibel an fremden Arbeitsplätzen arbeitet und sogar bereit ist, in unseren Wohnbereichen Personalengpässe zu überbrücken, die durch die Ausweitung des Dienstes auf 24 Stunden an sieben Tagen entstanden sind“, sagte Kratzer dankbar.
Kapazität der Wäscherei um das Doppelte erweitert
Ebenfalls sehr erfreulich seien die Rückmeldungen seitens des Oberbürgermeisters der Stadt Dillingen, Frank Kunz, und des Landrats Leo Schrell, die Wäscherei im Bedarfsfalle mit Kräften, etwa aus den Reihen des Katastrophenschutzes, zu unterstützen. Kratzer ist deswegen zuversichtlich. „Die Kapazität der Wäscherei lässt sich durch die Ausdehnung der Arbeitszeiten ohne Weiteres zumindest verdoppeln. So sollten wir auch gut für den Fall gerüstet sein, dass der Wäscheverbrauch der Krankenhäuser im Falle eines plötzlichen Anfalls vieler Patienten sprunghaft ansteigen sollte.“
Auch Regens Wagner ist von der Schließung betroffen. Uwe Runnwerth, Werkstättenleiter von Regens Wagner, meinte, die augenscheinlichsten Auswirkungen habe diese „Sondersituation“ für die beschäftigten Menschen mit Behinderung. „Viele können noch weniger verstehen, dass die sinn- und strukturgebende Arbeitswelt wegbricht und sie zuhause sitzen sollen, obwohl sie doch arbeiten könnten.“ Die drohende Corona-Erkrankung schwebe wie ein Damoklesschwert über allen und erzeuge weitere Unsicherheit und Ungewissheit. „Mitarbeiter, Beschäftigte, Kunden und Angehörige wollen wissen, wie es weitergeht – das Telefon steht nicht mehr still – und wir können keine klaren Aussagen machen, um Sicherheit zu vermitteln“, teilte Runnwerth mit. Man wisse nur, dass die Werkstätten bis auf Weiteres, aber bis mindestens 19. April, geschlossen sind.
Wie Regens Wagner Dillingen damit umgeht
Beschäftigte, die selbstständig wohnen, bräuchten gerade in diesen ungewissen Zeiten eine Anlaufstelle mit bekannten Personen zur Beruhigung und zum Abfangen von Isolationsauswirkungen. Diese Aufgabe würden die Werkstätten telefonisch oder per Mail übernehmen. Mitarbeitende aus den Werkstätten könnten ab diesem Zeitpunkt zur Unterstützung in anderen Bereichen von RW Dillingen eingesetzt werden. Bestehende Aufträge und Verträge sollen und müssen erfüllt werden, obwohl die Menschen mit Behinderung nicht mehr da sind. Dies werde durch die verbleibenden Mitarbeitenden geleistet.
Der Werkstattleiter betonte aber auch, dies könne nicht überall funktionieren; so könne etwa eine 15-köpfige Landschaftspflege unmöglich von zwei Personen ersetzt werden. „Und gerade jetzt haben viele Kunden mehr Zeit, in ihrem Garten aktiv zu sein, die Gärtner aber keine Kapazitäten, etwa zum Vertikutieren.“ Die meisten Kunden hätten Verständnis für die besondere Situation oder haben selbst Schwierigkeiten, das zugesagte Material für die Fertigstellung von etwa Verpackungs- und Montageaufträgen bereitzustellen.
Häufig komme auch die Unsicherheit von Unternehmen bei Regens Wagner an, die nicht wissen, ob und wie sie diese wirtschaftliche Situation überstehen können, und dass sie niemals an Kurzarbeit in ihren Bereichen gedacht haben. Der Wegfall bisher zuverlässiger Auftraggeber könnte noch ungeahnte Auswirkungen auf das Überleben der Werkstätten haben, meint Runnwerth.
Menschen mit Behinderung nicht vergessen
In den Werkstätten gibt es ebenfalls „systemrelevante“ Bereiche, wie etwa die Wäscherei, die jetzt ohne die erfahrenen Wäschereibeschäftigten mit Behinderung ein größeres Wäscheaufkommen bewältigen muss, weil die Wohngruppen von Regens Wagner die nächsten Wochen ganztags belegt und betreut werden.
Viele rechtliche Fragen zur Finanzierung der Werkstätten in dieser ungewöhnlichen Zeit seien noch ungeklärt.
So sei die Finanzierung für den laufenden Aufwand und den Mehraufwand durch die besondere Situation noch vollkommen offen. Bei der Bewältigung der aktuellen Krise sollten die Einrichtungen und Dienste für Menschen mit Behinderung nicht vergessen werden.
Insgesamt nimmt auch Runnwerth eine enorme Solidarität unter den Mitarbeitenden von Regens Wagner Dillingen wahr, die aktuelle Herausforderung gemeinsam und für die Menschen mit Behinderung in den verschiedenen Bereichen, Abteilungen, Gruppen zu schaffen, und trotz allem allen eine bestmögliche Lebensqualität zu gewährleisten. (mit pm)
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