Was ist das heuer für ein Weihnachten? Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet hat es wegen der Corona-Pandemie als „das härteste“ seit dem Krieg bezeichnet. Monsignore Josef Philipp winkt bei solchen Vergleichen ab. „Das härteste Weihnachten ist das nicht, aber vielleicht das seltsamste, sonderbarste und eigenartigste“, sagt der Seelsorger aus Ziertheim. Dem heute 91-Jährigen kommen andere Zeiten in den Sinn. Als er etwa noch im Sudetenland lebte, als erst 15-Jähriger am Ende des Zweiten Weltkriegs eingezogen wurde und mit Glück überlebte. Oder als er nach dem Krieg neun Monate lang in einem Arbeitslager in Prag zubringen musste und mitbekam, dass an Heiligabend in einer Baracke nebenan ein fünffacher Familienvater starb.
In diesen Tagen grübelt Philipp, der seit 56 Jahren im Egautal wirkt, wie so viele andere Seelsorger, was er in den Weihnachtsgottesdiensten predigen wird. Und da will der dienstälteste Pfarrer in der Region den Gläubigen die Geschichte vom gestohlenen Christkind erzählen. „Die Polizei fahndet nach dem Dieb und sieht schließlich einen Buben mit dem Jesuskind auf dem Fahrrad vorbeifahren“, sagt Philipp. Das Rätsel klärt sich auf. Der Junge hatte dem Christkind in der Krippe seiner Pfarrkirche versprochen, mit ihm eine Runde mit dem Drahtesel zu drehen, falls er zu Weihnachten ein Rad geschenkt bekäme. Die Quintessenz aus der Geschichte nennt Monsignore Philipp noch nicht. An Weihnachten zeige sich aber, „dass Gott mit uns zusammensein will“. Orthodoxe Juden würden heute noch auf einen herrlichen Messias warten, der in Glanz und Gloria ein Weltreich begründe. Die Geburt des Christkinds sei etwas ganz anderes, so Philipp. „Gott kommt ganz anders, als wir Menschen uns das vorstellen.“
Gott falle an Weihnachten nicht mit der Tür ins Haus
Diesen Gedanken wird auch Wertingens evangelische Pfarrerin Ingrid Rehner aufgreifen. Gott falle an Weihnachten nicht mit der Tür ins Haus. „Er kommt nicht als machtvoller Herrscher zu uns, sondern als hilfs- und liebesbedürftiges Kind“, erklärt Rehner. Für viele Menschen werden es schwierige Weihnachten werden. Manche hätten Angehörige durch Corona verloren, anderen sei die wirtschaftliche Existenz weggebrochen. Von den schwierigsten Weihnachten aller Zeiten spricht auch Rehner nicht – und erinnert an Menschen, die in Kriegsgebieten leben und Hunger leiden müssen.
Der Dekan des katholischen Dekanats Dillingen, Gundelfingens Stadtpfarrer Johannes Schaufler, ist wie viele seiner Kollegen bedient von den ständigen Umplanungen vor den Festtagen. Späte Christmetten wird es, wie berichtet, wegen des Lockdowns nicht geben. Gläubige mussten sich am Ende für alle Gottesdienste anmelden. „Stille Nacht, heilige Nacht“ darf wegen der Infektionsgefahr nicht gemeinsam gesungen werden. Nun sollen um 22 Uhr in allen evangelischen Kirchengemeinden und katholischen Pfarreien die Kirchenglocken läuten. Dekan Schaufler wird in seinen Pfarrgemeinden „das leere Stroh unserer Planungen“ symbolisch in die Krippe legen. Durch die Geburt Christi soll sich dies in Heil verwandeln. Schaufler betont: „Als Christen erwarten wir das Heil nicht von Virologen und dem Corona-Impfstoff, sondern von Jesus Christus.“ Der Seelsorger hofft, dass die Familien das Angebot in den Kirchen an Weihnachten annehmen.
Der Dillinger Stadtpfarrer geht auf die Angst der Hirten ein
Dillingens Stadtpfarrer Wolfgang Schneck stellt fest, dass viele Rituale, die mit Weihnachten verbunden seien, in diesem Corona-Jahr wegbrechen. Das „Weihnachtsfeeling“ sei bedroht, jetzt gehe es um das originale Weihnachten und die Frage, was bedeutet dieses Fest. Schneck gibt eine klare Antwort: „Es ist die Geburtstagsfeier von Jesus Christus.“ Der Dillinger Stadtpfarrer wird in diesem Jahr auf die Angst der Hirten bei der Krippe eingehen, die gewöhnlich wenig beachtet werde. „Das Leben ist hart. Der Mensch ist schwach. Er ist nicht der Mittelpunkt des Lebens. Das Leben endet mit dem Tod. Um diese Wahrheit zu unterdrücken, brauchen wir viel Energie“, sagt Schneck. Aber Gott sage in seiner Weihnachtsbotschaft: „Fürchtet Euch nicht. Ich komme in diese Welt, ich bin stark, ich bin die Mitte, ich bin das ewige Leben.“ Weihnachten, so der Seelsorger, sei die nachdrückliche Werbung Gottes an den Menschen, ihm zu glauben, ihn in die Mitte des Lebens zu bitten und das Ziel des Lebens in den Blick zu nehmen.
Buttenwiesens Pfarrer Klaus Ammich sagt, dass es heuer für viele „ein ganz hartes Weihnachten“ werde. Er denke an die Menschen, die einen Angehörigen verloren haben. Oder die Pfleger, die Anvertraute an Corona haben sterben sehen. Viele Mitglieder der Pfarreiengemeinschaft zögerten jetzt aus Angst vor der Ansteckungsgefahr, die Weihnachtsgottesdienste zu besuchen. Ammich hat während des ersten Lockdowns etwa 30 Betrachtungen ins Netz gestellt, die sehr viel Zuspruch gefunden haben. In der Weihnachtspredigt wird der Buttenwiesener Pfarrer nun dieses Thema aufgreifen: „Wir sind Gott seinen Sohn wert.“ Er habe, um uns zu retten, seinen eigenen Sohn geschickt, sagt Ammich. Dies könne Menschen gerade in Situationen, wo sie schwach, krank und hilflos sind, Hoffnung und Zuversicht geben.
Von den Kirchen im Landkreis Dillingen geht die Botschaft der Hoffnung aus
Genau darum wird sich die Weihnachtspredigt der Pfarrerin Alicia Menth von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Lauingen drehen. „Es geht mir um die Zuversicht und die Hoffnungsbilder, wie sie im Weihnachtsevangelium und beim Propheten Jesaja zu finden sind“, sagt Menth. Der Engel habe den Hirten auf dem Feld verkündet: „Fürchtet Euch nicht! Denn Euch ist heute der Heiland geboren.“ Menth meint, dass das Christkind kein Heiland sei, „der den Impfstoff bringt“. Die Botschaft von der Geburt Christi könne die Menschen aber innerlich zum Guten verwandeln. Diese Corona-Weihnachten seien schon ein massiver Einschnitt, auch in ihrer Kirchengemeinde hätten angemeldete Gottesdienstbesucher die Teilnahme an den Feiern wieder abgesagt. Pfarrerin Menth hält es jedoch für wichtig, dass die Kirchen an Weihnachten geöffnet sind. Denn von dort könne die Botschaft der Hoffnung ausgehen, dass, wie bei Jesaja zu lesen ist, „in der Finsternis ein großes Licht leuchtet“.
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