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Landkreis Dillingen: Was hilft bei Mobbing und Gewalt?

Landkreis Dillingen

Was hilft bei Mobbing und Gewalt?

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    Bei Schlägereien und Mobbing in Schulen denken viele erst an Bestrafung. Dass das langfristig gesehen nicht der richtige Ansatz ist, weiß ein Experte der St. Gregor Jugendhilfe. Er setzt auf Gespräche.
    Bei Schlägereien und Mobbing in Schulen denken viele erst an Bestrafung. Dass das langfristig gesehen nicht der richtige Ansatz ist, weiß ein Experte der St. Gregor Jugendhilfe. Er setzt auf Gespräche. Foto: Thomas Köhler/picture-alliance (Symbolbild)

    Auf dem Schulhof spuckt ein Mitschüler dem elfjährigen Rafi sein zerkautes Pausenbrot an den Hinterkopf. Eine Situation, die schnell zu einer Pausenhofprügelei werden könnte. Stattdessen entschließt sich Rafi, seiner Mutter von dem Vorfall zu erzählen. „Es ist gut, dass er sich einer Vertrauensperson geöffnet hat“, sagt Robert Keiß. Er ist Sozialpädagoge und arbeitet bei der St. Gregor Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Bei solchen Vorfällen komme es immer darauf an, wie es der betroffenen Person geht. „Für manche sind diese Situationen sehr belastend, andere können damit besser umgehen“, sagt der Sozialpädagoge. Darum sei es wichtig, in sich selbst reinzuhören. „Wie geht es mir damit? Was brauche ich und wie geht es jetzt weiter?“ Das seien die entscheidenden Fragen.

    Ein Gespräch über den Vorfall hilft allen beteiligten

    „Ich habe die Mutter des Jungen kontaktiert“, erzählt Christiane Laudenbach, Rafis Mutter. Mit ihrem Sohn habe sie dann ausgemacht, dass er dem anderen Jungen aus dem Weg gehen soll. Erst einige Wochen später habe dieser sich letzten Endes bei Rafi für sein Verhalten entschuldigt.

    Dass eine Reaktion auf den Vorfall erfolgt, ist laut Keiß auch für den anderen Schüler oder die Schülerin wichtig. Denn oftmals sei ihnen das Ausmaß der eigenen Handlungen nicht bewusst, und man wisse nicht, wie es der anderen Person ergeht. „Meist beginnt ausgrenzendes Verhalten mit Konflikten, diese sind ganz normal. Es ist aber wichtig, einen Weg zu finden, sie konstruktiv zu lösen“, so der Sozialpädagoge. „Wenn es für beide Seiten in Ordnung ist, kann das in einem Gespräch aufgearbeitet werden“, empfiehlt er. Das kann auch begleitet ablaufen, denn während manche Kinder und Jugendliche es schaffen, ihre Empfindungen selbst anzusprechen, brauchen andere dabei Unterstützung.

    Ist Bestrafung die richtige Lösung für Konflikte?

    Für die Jugendsozialarbeit bedeutet das, die Augen und Ohren offenzuhalten und Betroffene zu ermutigen, sich Hilfe zu suchen und ihre Probleme anzusprechen. Der Grundsatz lautet: „Finde Menschen, die unterstützungsbedürftig sind, und mache ihnen Hilfen zugänglich.“ Denn im Gespräch mit der Jugendsozialarbeit können auch weiterführende Anlaufstellen vermittelt werden. Das Besondere im Landkreis sei, dass seit einem Kreistagsbeschluss im Jahr 2000 möglichst an allen Schulen neutrale Ansprechpersonen zur Verfügung stehen. „Das ist nicht selbstverständlich“, so Keiß, und sei außerdem wegweisend für anschließende Diskussionen im Landtag gewesen.

    Unterstützend für die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern kann in der Schule der „no blame approach“ – Ansatz ohne Schuldzuweisung – angewandt werden. Gemeinsam mit den Betroffenen sowie Personen, die den Vorfall mitbekommen haben, aber nicht eingeschritten sind, und gänzlich Unbeteiligten wird dann darüber gesprochen, wie es dem Opfer ergangen ist und welche Lösungen es für die Situation gibt. Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren und Mobbing im Keim zu ersticken. Achtsamkeit und Beteiligung bilden dabei laut Keiß eine Basis, damit Ausgrenzung erst gar nicht entsteht.

    Eine neu gegründete AG in Lauingen will sensibilisieren

    Ähnlich ist auch der Ansatz, den eine neu gegründete Arbeitsgruppe in Lauingen verfolgt. Die Mitglieder haben sich zusammengefunden, um über Gewalt und Belästigungen aufzuklären. Damit soll Präventionsarbeit geleistet werden. Das Repertoire reicht von Vorträgen bis zu Selbstverteidigungskursen. Bei einer ersten Veranstaltung im Lauinger Kampfsportstudio Rayong haben sie Kindern, Jugendlichen und deren Eltern ihre Ansätze vorgestellt. „Anstoß war ein Video zweier deutscher Fernsehmoderatoren“, erzählt Gründungsmitglied Elke Kuhn. Die beiden haben ihre Sendezeit im Mai 2020 dafür genutzt, auf sexuelle Belästigung von Frauen aufmerksam zu machen. „Da war uns klar, wir müssen für das Thema mehr sensibilisieren.“ Zielgruppen sind nicht nur Frauen, sondern alle Personen – unabhängig von Alter und Geschlecht. Also auch Menschen in Institutionen wie Schulen und Betrieben.

    Aber was ist eigentlich Belästigung? „Wenn einer den anderen nervt“, sagt ein Mädchen. Auch „jemanden beleidigen“ und „jemanden anfassen, obwohl man ‚Nein‘ gesagt hat“, sind Vorschläge der Kinder. Kuhn und ihre Kollegin Sara Rebele ergänzen diese Liste um weitere Aspekte: aufdringlich, bedrängen, nicht abzuschütteln und Grenzen verletzend. Dabei muss jedoch auch unterschieden werden, ob es sich um sexuelle Belästigung handelt oder ob damit umgangssprachlich Formen von Gewalt beschrieben werden sollen.

    Wie geht man mit Grenzüberschreitungen um?

    Was Grenzen sind, erklären die beiden Frauen an einem anschaulichen Beispiel: Ein Mädchen stellt sich in einen Kreis – dieser ist ihre Grenze. Wenn sich ihr jemand nähert und damit ihre Grenze verletzt, soll sie „Stopp“ rufen – gesagt, getan. Wie reagiert man richtig, wenn die eigenen Grenzen überschritten werden? Kuhn und Rebele sammeln mit den Kindern Tipps, die nicht nur für sie selbst, sondern für alle gültig sind. Sie könnten laut schreien, Hilfe suchen, zu einer Lehrkraft, den Eltern, einem Freund oder einer Freundin gehen.

    In jedem Fall ist wichtig, dass Betroffene den Mut finden, das Erlebte anzusprechen. Das findet auch Robert Keiß. Denn egal, ob im Privaten, an Schulen oder im Beruf, „meist verschlechtert sich die Situation, wenn das Verhalten einfach erduldet wird“. In Schulen können Lehrkräfte, Mitarbeitende der Jugendsozialarbeit oder auch die Eltern als Ansprechpersonen fungieren. Aber an wen wendet man sich, wenn Grenzüberschreitungen am Arbeitsplatz oder im Privaten geschehen?

    Auch die Polizei ist eine Anlaufstelle

    Im Arbeitsumfeld gestalte sich das meist schwierig, weiß Sandra Gartner von der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle. Denn oftmals müsse man trotzdem weiter mit der Person zusammenarbeiten. „Am besten sucht man sich Verbündete. Kolleginnen, Vorgesetzte oder Ähnliches.“ Generell rät Gartner dazu, möglichst wenig Privates einzubringen und auf sozialen Medien nicht den vollen Namen zu verwenden. „Je mehr bekannt ist, desto mehr macht man sich dadurch auch angreifbar.“

    Im Fall von Hassrede im Netz oder Cybermobbing rät sie: „Auf jeden Fall die Beweise sichern.“ Also beispielsweise Screenshots vom Chatverlauf oder dem entsprechenden Post machen. Außerdem sollte der Vorfall den Betreibern der Seite gemeldet und die entsprechende Person gesperrt werden. „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“, sagt Gartner. Generell gilt laut Polizei: Verfolgt wird alles, was auch zur Anzeige gebracht wird. So können Schulen die Vorfälle, wenn nötig, ebenso der Polizei melden – auch, wenn diese auf dem Schulweg passiert sind. AG, Jugendsozialarbeit und Polizei raten in jedem Fall: Betroffene von Belästigung und Mobbing sollten die Vorfälle ansprechen und sich Hilfe suchen. „Das ist keine Schwäche, sondern eine Stärke“, betont Keiß.

    Anlaufstellen für Betroffene von Gewalt: Weißer Ring Opfer-Telefon unter 116 006 (täglich von 7–22 Uhr), Elterntelefon – Nummer gegen Kummer unter 0800/ 111 0 550 (Montag bis Freitag 9 bis 11 Uhr, Di und Do 17–19 Uhr). Der Verein „Nein heißt Nein“ ist unter Telefon 0152/59907945 per WhatsApp erreichbar, per Mail an help@neinheisstnein.org oder über die Internetseite neinheisstnein.org

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