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Landkreis Dillingen: Warum in Pfingsten ein Sommermärchen steckt

Landkreis Dillingen

Warum in Pfingsten ein Sommermärchen steckt

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    Der Heilige Geist, symbolisch in Gestalt einer Taube mit dem goldenen Heiligenschein, prägt die mittlere Kuppel der Maria-Hilf-Kirche in Stadtbergen.
    Der Heilige Geist, symbolisch in Gestalt einer Taube mit dem goldenen Heiligenschein, prägt die mittlere Kuppel der Maria-Hilf-Kirche in Stadtbergen. Foto: Koller

    Die Jünger hatten sich zurückgezogen und eingesperrt, brauchten Zeit zum Nachdenken, fühlten sich leer und ratlos. Wenn die beiden Gemeindereferenten Jutta Koller aus Gundelfingen und Michael Hahn aus Wertingen über die Bibeltexte erzählen, die auf Pfingsten hinzielen, drängt sich sofort eine Assoziation auf: Krise. Und tatsächlich kam mit Pfingsten nach einem inneren und äußeren Verharren etwas ganz Wesentliches in Bewegung. Eine Bewegung, die sich womöglich auf die heutige Zeit übertragen lässt, wie Koller und Hahn unabhängig voneinander anklingen lassen.

    Der 50-jährige Michael Hahn kann sehr gut nachvollziehen, dass Menschen immer wieder einen Rückzug brauchen, um sich über Dinge klar zu werden. Ihm selbst reicht die Ruhe allein meist nicht aus. „Ich muss mich bewegen.“ Er erinnert sich an seine Kindheit und Jugend: „Wenn ich Zeit zum Nachdenken brauchte, bin ich alleine raus in den Schuppen und habe Holz gemacht.“ Dadurch wusste er irgendwann wieder, wie es weitergehen kann. Hahn fasziniert die bildhafte Sprache der Bibel, wenn von „Feuerzungen“ und einem „gewaltigen Sturm“ die Rede ist, die die Jünger schließlich in Bewegung setzten.

    Die Kirche muss sich immer wieder neu inspirieren lassen

    Doch gehen wir zunächst nochmals einen Schritt zurück. Zu Ostern. Jutta Koller beschreibt es als das wichtigste Fest der Christen, auf das nicht Weihnachten, sondern Pfingsten folgt. „Bis Ostern haben die Jünger Jesus zugeschaut, konnten ihn direkt erleben“, erzählt die 58-Jährige. Danach endete sein Weg endgültig als Mensch. In seinen Abschiedsworten habe er seinen Jüngern gesagt: „Jetzt seid ihr dran.“ In den folgenden Wochen sei er den einzelnen Jüngern immer mal wieder erschienen – bis Christi Himmelfahrt. „Danach wissen sie nicht, wie es weitergeht, finden sich in einer Warteschlange, Leere und Ratlosigkeit wieder.“ Für Jutta Koller scheint allerdings genau das relevant gewesen zu sein, damit etwas Neues entstehen konnte. Und das Neue war die Kirche, eine Gemeinschaft, die sich trotz aller Gegner und Widerstände bildete und rasant ausbreitete.

    Feuerzungen symbolisieren für die Gundelfinger Gemeindereferentin Jutta Koller am besten die Botschaft von Pfingsten – geistige Impulse, die wir Menschen wie die Jünger mit Begeisterung in die Welt tragen dürfen.
    Feuerzungen symbolisieren für die Gundelfinger Gemeindereferentin Jutta Koller am besten die Botschaft von Pfingsten – geistige Impulse, die wir Menschen wie die Jünger mit Begeisterung in die Welt tragen dürfen. Foto: Koller

    „Am ersten Pfingsttag in Jerusalem waren es 3000 Menschen“, sagt Michael Hahn, „wenig später Milliarden auf der ganzen Welt.“ Und heute? Hahn ist klar, dass die Menschen noch immer und immer wieder nach etwas suchen, was sie wirklich erfüllt, nach einer Heimat. Selbstkritisch hinterfragt er, ob „wir als Kirche“ das optimal bieten: „Wir müssen uns auch immer wieder neu inspirieren lassen und diese Begeisterung weitertragen, um bei den Menschen anzukommen.“

    Warum das Sommermärchen der WM 2006 ein Beispiel ist

    So wie die Jünger. Jutta Koller zitiert aus der Apostelgeschichte: „Ein Sturm kam ins Haus, in dem die Apostel zusammengekommen waren, und es erfüllte sie der Heilige Geist, und auf jedem ließ sich eine Feuerzunge nieder.“ Ihre Firmlinge rufe sie dazu auf, sich zu erinnern, wie gewaltig ein Sturm sein könne: „Er kann uns richtig antreiben und voranbringen, dazu kommt das Feuer, das sich rasant ausbreiten kann.“ Und so hätten auch die Jünger plötzlich vor Ideen und Botschaften nur so gesprudelt und diese mit Begeisterung unter die Menschen gebracht.

    Der Wandbehang von Hans Malzer im Wertinger Pfarrheim zeigt die Dreifaltigkeit. Dieser Teil zeigt laut Michael Hahn den Heiligen Geist, mit der Flamme in der Mitte, die Jünger und Gläubige antreibt.
    Der Wandbehang von Hans Malzer im Wertinger Pfarrheim zeigt die Dreifaltigkeit. Dieser Teil zeigt laut Michael Hahn den Heiligen Geist, mit der Flamme in der Mitte, die Jünger und Gläubige antreibt. Foto: Hahn

    Der Wertinger Gemeindereferent Hahn zieht einen Vergleich zum Jahr 2006, als sich die Fußballweltmeisterschaft in ein „Sommermärchen“ verwandelte: „Die Leute waren begeistert, es lag etwas in der Luft, und selbst Menschen, die sich noch nie für Fußball interessiert hatten, wurden ergriffen und jubelten miteinander.“ Was die Gesellschaft damals erlebte, könnten wir immer wieder erleben: „Wo Menschen sich gemeinschaftlich für etwas engagieren und brennen, lässt sich der Pfingstgeist spüren und etwas bewegen.“ In Gemeinschaften zusammenzukommen, erfordere unter den derzeitigen Corona-Bedingungen allerdings geistige Flexibilität. Hier erinnert der 50-Jährige an Paulus – der erste, der jenseits der Jünger für Jesus unterwegs war: „Er hat viele Strapazen auf sich genommen, um die Menschen zu erreichen und mit ihnen in Kontakt zu bleiben.“

    Corona bietet die Chance zur Eigenverantwortung

    Um in Kontakt mit den Gläubigen zu bleiben, geht auch Jutta Koller mit ihrem Team derzeit neue Wege. So machen sie bewusst auf die verschiedenen Kreuze in den Fluren aufmerksam: „Wir geben Impulse, damit die Menschen sich selbst auf den Weg in die Natur machen, dort zur Ruhe kommen und sich selbst und Gott finden können.“ Auf der einen Seite bedauert Koller, dass die Christen im Moment ihre kirchlichen Feste nicht wie gewohnt feiern dürfen. Auf der anderen Seite sieht sie die Chance, Eigenverantwortung zu übernehmen. Selbst bei Firmlingen und Kommunionkindern könne sie derzeit nur Impulse für die Familien geben. Gleichzeitig vertraut sie darauf, dass Menschen im Rückzug womöglich wieder verstärkt in sich horchen, dabei auf etwas in sich stoßen, das sie begeistert und mit dem sie sich womöglich sogar nach außen zeigen.

    Michael Hahn erinnert bei dem Nach-Innen-Horchen zudem an überraschende Eingebungen, die wir im Alltag immer wieder bekommen. „Plötzlich habe ich zum Beispiel jemanden vor Augen, den ich schon lange nicht gesehen habe.“ Die Frage sei, was wir damit machen, ob wir dem hinterhergehen, was uns die Intuition – „der Heilige Geist“ – in unserem Alltagsleben eingibt. Hahn: „Alles, was uns auf diese Weise geschieht, dürfen wir als Geschenke sehen.“

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