Startseite
Icon Pfeil nach unten
Dillingen
Icon Pfeil nach unten

Landkreis Dillingen: Tafeln geschlossen: Wie Corona die Ärmsten im Kreis Dillingen trifft

Landkreis Dillingen

Tafeln geschlossen: Wie Corona die Ärmsten im Kreis Dillingen trifft

    • |
    Rund 820 Menschen im Landkreis Dillingen bekommen Unterstützung durch die Tafeln. Doch dieses Angebot gibt es während der Corona-Krise vorübergehend nicht mehr.
    Rund 820 Menschen im Landkreis Dillingen bekommen Unterstützung durch die Tafeln. Doch dieses Angebot gibt es während der Corona-Krise vorübergehend nicht mehr. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Symbol)

    So eine Ausgabe wie diese hat Wolfgang Losleben noch nicht erlebt. „Bei uns war es noch nie so ruhig“, sagt er. Am Dienstag vor einer Woche haben die Tafeln im Landkreis Dillingen das vorerst letzte Mal Lebensmittel an Bedürftige verteilt. Aufgrund des Coronavirus’ sind am Standort in Dillingen nur noch rund die Hälfte der Menschen gekommen, die ansonsten anzutreffen sind, berichtet Losleben, der sich im Ausgabe-Team der Tafel engagiert. Um die Ansteckungsgefahr zu verringern, seien die Kunden außerdem nur jeweils zu zweit oder dritt herangetreten, was laut Losleben zu einer ungewohnten Stille geführt hat.

    Landkreis Dillingen: Warum die Tafeln geschlossen haben

    Wie viele andere Einrichtungen auch hat die Tafel im Landkreis mit den Standorten Dillingen, Lauingen, Höchstädt und Wertingen den Betrieb vorübergehend eingestellt – mindestens bis zum Ende der Osterferien, teilt Stephan Borggreve mit, Geschäftsführer des Caritas-Kreisverbandes, der hinter der Tafel steht. Diese Entscheidung habe man sich nicht leicht gemacht. Im Raum stand die Idee, weiterhin einen Notbetrieb aufrechtzuerhalten. Man habe sich dagegen entschieden, sagt Borggreve. Denn auch mit eingeschränktem Betrieb müsste die gesamte Lebensmittel-Logistik aufrechterhalten werden – inklusive Abholung und Ausgabe.

    Doch die Ehrenamtlichen, die sich für die Tafel engagieren, sind im Schnitt mehr als 70 Jahre alt, der älteste ist 86 Jahre. Personen also, für die eine Ansteckung mit dem Coronavirus besonders gefährlich wäre. „Das wären alle Lebensmittel nicht wert, wenn auch nur einer unserer Helfer schwer erkranken würde“, sagt Borggreve. Zumal die Tafeln zuletzt ohnehin nur noch rund die Hälfte der üblichen Menge an Lebensmittelspenden bekamen – was offenbar daran lag, dass Menschen mehr einkauften und so weniger für die Tafeln übrig war, sagt Borggreve.

    "Es wird deswegen niemand verhungern"

    Was bedeutet es für die rund 820 Bezugsberechtigten im Landkreis, wenn die Tafeln ihren Betrieb einstellen? Losleben schildert seine Eindrücke von der letzten Ausgabe. „Die Nachricht haben alle gefasst aufgenommen“, sagt er. „Verzweifelt war niemand.“ Auch Borggreve betont: „Es wird deswegen niemand verhungern.“ Dafür seien Lebensmittel in Deutschland zu preiswert – gerade im internationalen Vergleich. Außerdem hätten Tafeln keinen Versorgungsauftrag. Das Angebot solle vielmehr eine bestehende Grundversorgung ergänzen und Bedürftige so finanziell entlasten. Diese Spielräume brechen in der Corona-Krise nun jedoch weg. Ein Beispiel: Einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern würden pro Woche drei Taschen voll mit Lebensmitteln zustehen. Geschätzter Gegenwert: laut Borggreve rund 50 Euro. „Für manche ist diese Hilfe sehr wichtig geworden“, betont der Caritas-Geschäftsführer.

    Dieses Geld müssen Betroffene während der Tafel-Schließung selbst aufbringen. Wer die Unterstützung bereits fest einkalkuliert hat, könnte nun vor Problemen stehen. Borggreve weist darauf hin, dass Bedürftige nach wie vor auf die Hilfe der Caritas zählen können. In Zeiten von Covid-19 zwar nicht persönlich. Per Telefon oder E-Mail könnten jedoch entsprechende Anträge unbürokratisch gestellt werden. In Zusammenarbeit mit der Kartei der Not, dem Leserhilfswerk unserer Zeitung, können Hilfsbedürftige finanziell unterstützt werden, berichtet Borggreve.

    Bislang melden sich offenbar nur wenige Hilfsbedürftige

    Eine Stelle, an die sich Hilfsbedürftige ebenfalls wenden können, ist beispielsweise die Aktion „Der Landkreis Dillingen hält zusammen“ – ein Portal auf Facebook, über das die Solidarität in der Region koordiniert und etwa Einkäufe oder Lebensmittelspenden organisiert werden (lesen Sie hier mehr dazu). Doch die Hemmschwelle für Betroffene, eine solche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist offenbar groß. Das berichtet die Initiatorin Heike Riederle. Von denen, die ansonsten zur Tafel gehen, würde sich kaum noch jemand an sie wenden – möglicherweise aus persönlichem Stolz, vermutet Riederle. „Dabei könnten wir die Leute komplett auffangen“, sagt die Wittislingerin und verweist auf rund 2000 Menschen in ihrer Gruppe, die Anfragen in ein bis zwei Tagen erfüllen könnten. Dazu kommen weitere Angebote. Die Gaststätte „Zum Schützen“ in Gundelfingen beispielsweise kocht Essen und liefert es an Bedürftige aus. Die Finanzierung übernehmen laut Riederle lokale Firmen. Eine solche Hilfe könne jedoch nur an der richtigen Stelle ankommen, wenn sich die Betroffenen melden. Die E-Mail-Adresse lautet: derlandkreishilft@gmail.com.

    Das Risiko, sozial abzurutschen, steigt

    Neben den aktuellen Problemen befürchtet Borggreve, dass durch die Corona-Krise die Armut in der Gesellschaft zunehmen wird. Geschäfte und Betriebe könnten pleite gehen, wodurch Menschen arbeitslos werden und ein erhöhtes Risiko haben, sozial abzurutschen. „Ich rechne damit, dass die Zahl der Bedürftigen steigen wird“, sagt Borggreve. Eines macht ihm aber Hoffnung: „Deutschland ist ein verdammt reiches Land.“ Milliarden-Hilfszahlungen, wie sie die Regierung auf den Weg gebracht hat, könnten die Folgen der Krise möglicherweise in Grenzen halten. „Vielleicht kommen wir mit einem dicken, blauen Auge davon.“

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Corona: Bedürftige sollen Hilfen annehmen

    Das könnte Sie auch interessieren:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden