Bauboom, Rohstoffmangel, steigende Preise, die Digitalisierung, strengere Vorschriften, CO2-Werte, Klimawandel – viele Themen beschäftigen die Handwerksbetriebe im Landkreis Dillingen. In einer losen Serie wollen wir sie vorstellen. Wir beginnen mit dem Thema, das alle anderen überstrahlt: Der Nachwuchs- und Fachkräftemangel.
„Das Thema Ausbildung brennt allen Branchen am meisten unter den Nägeln“, sagt Christoph Schweyer, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Nordschwaben. Es sind noch zwei Wochen bis zum Start des neuen Ausbildungsjahres. Und viele Lehrstellen im Landkreis Dillingen sind immer noch nicht besetzt.
Von den insgesamt 307 unbesetzten Ausbildungsplätzen sind knapp die Hälfte (144) vom Handwerk gemeldet. Und davon wiederum ein Großteil im Baugewerbe: 13 freie Jobs für künftige Anlagenmechaniker – Sanitär-, Heiz- und Klimatechnik gibt es, neun für Elektronik – Energie-/Gebäudetechnik. Ebenso viele künftige Maurer/Maurerinnen und acht Zimmerer oder Zimmerinnen werden noch gesucht.
Und gerade in dem Bereich tut sich etwas. „Wir bilden im dritten Jahr hintereinander mehr Zimmerer aus als Maurer. Holz als Baustoff ist gerade modern“, hat Alexander Gumpp, Geschäftsführer von Gumpp und Maier in Binswangen, festgestellt.
Warum einer lieber Zimmerer als Maurer wird
Tobias Weldishofer und Erik Döhler machen derzeit beide in seinem Unternehmen eine Zimmerer-Ausbildung. Weldishofer hat bereits in seiner Kindheit zusammen mit dem Großvater mit Holz gewerkelt und daher schon früh einen Bezug zu diesem Material. Die Entscheidung zu einer Ausbildung fiel dann zwischen Schreiner und Zimmerer. Da beim Zimmerer immer noch das Handwerk im Vordergrund steht, habe er nach der Mittleren Reife diesen Weg eingeschlagen. „Dass die Lehre dann doch so viel Technik beinhaltet, hat mich überrascht“, sagt der junge Mann. Er möchte später auf die Meisterschule gehen. Sein Arbeitskollege Döhler hat Abitur und absolviert die Ausbildung zum Zimmerer als praktische Vorbereitung zu seinem geplanten Studium zum Bauingenieur. „Dazu hätte ich auch Maurer lernen können – aber der Zimmerer ist noch ein Stück weit angesehener.“
Auch ihn hat überrascht, wie viel inzwischen in seinem Bereich technisch möglich ist. Ab 2023 werden Zimmerer auch an der Berufsschule in Donauwörth ausgebildet, nicht wie bislang in Immenstadt, informiert Schweyer. Eine heimatnahe Schule sei auch vielen Eltern wichtig.
Wo jeder Mitarbeiter ein Handy und ein Tablet hat
Die beiden sind im zweiten Lehrjahr und wissen, was ihnen am meisten Spaß macht. „Ich bin am liebsten auf der Baustelle, wenn es um Altbausanierungen geht. Dabei lernt man auch die Unterschiede zwischen alten und modernen Bauweisen kennen“, sagt Weldishofer. Döhler liege die Theorie in der Berufsschule und er mag Baustellen, die größere Projekte darstellen. Ihr Chef Gumpp sagt, die Digitalisierung habe längst in seiner Branche Einzug gehalten. „VR-Brillen sind längst nicht nur etwas für Computer-Spieler.“
Auch im Bereich Sanitär-, Heiz- und Klimatechnik nimmt das Thema laut Armin Sinning zu. „Jeder unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat ein Handy und ein Tablet; wir haben 2020 den Digital Award gewonnen. Papier gibt’s keines mehr“, sagt der Leiter des Mödinger Unternehmens Sinning Haustechnik nicht ohne Stolz.
Die Komplexität in seinem Gewerbe sei massiv gestiegen, damit wiederum werde der Beruf interessant, die Ausbildung aber auch herausfordernd. „Wir brauchen Mitarbeiter mit Kopf und Hand“, sagen Sinning und Gumpp. Für viele Betriebe sei die einzige Wachstumsbremse der Fachkräftemangel.
Ein Bauunternehmer hat selbst die Maurerlehre absolviert
Vor allem das Image im Bau sei schlecht, hat Kreisgeschäftsführer Schweyer festgestellt. „Der Maurer muss schwere Arbeit verrichten und ist abends platt – das denkt man. Doch auch da hat sich so viel verändert.“ Dem stimmt Bauunternehmer Ulrich Reitenberger zu. „Bauzeichner und Bauzeichnerinnen bekomme ich viele; Maurer maximal zwei.“ Dabei biete die Lehre viele Aufstiegsmöglichkeiten, man erwerbe ein breites Spektrum an Fähigkeiten.
„Abends weiß man, was man getan hat. Die Arbeit kann sehr viel Spaß machen“, sagt Reitenberger, der selbst Maurer gelernt hat. Derzeit bilde sein Unternehmen zwei junge Mitarbeiter aus, die im Dualen Studiengang Maurer und Bauingenieur lernen. „Das ist doch klasse“, sagt der Asbacher begeistert.
Auch Abiturienten sind bei den Betrieben willkommen
Abiturientinnen und Abiturienten bilden er und seine Kollegen genauso gerne aus wie alle anderen Absolventen und Absolventinnen. „Selbst, wenn sie uns nicht bleiben“, sagt Gumpp, „sie haben Arbeiten gelernt, einen ganz anderen Zugang zum Studium – und einen ganz anderen Verdienst in den Semesterferien.“ Auch der Betrieb Haustechnik Sinning Mödingen bildet gerade einen Abiturienten aus und der Inhaber ist begeistert.
Ein heimatnaher Arbeitsplatz in einem familiengeführten Unternehmen – Gumpp fallen immer mehr Vorteile für eine Lehre im Handwerk ein. „Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie viel billiger Ihr Haus geworden wäre, wenn Sie die Mauern selbst hochgezogen hätten? Oder die Heiztechnik selbst eingebaut? Oder die Kabelstränge verlegt? Handwerker können das – nicht nur im Auftrag für andere, sondern eben auch fürs Eigenheim. Daran sollten die Menschen doch mal denken, wenn es um die Berufswahl ihrer Kinder geht. Mit dem Netzwerk eines Handwerkers kann man sich schnell niedrige sechsstellige Beträge sparen.“
Haustechniker Sinning ergänzt: „Wir sind Klimaschutzhandwerker, wir haben inhabergeführte Unternehmen und leben Werte vor.“ Alle Chefs in der Runde sind sich einig: Sie und ihre Kollegen bieten attraktive Arbeits- und Ausbildungsplätze. Es weiß bloß noch nicht jeder.