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Landkreis Dillingen: Poesiealbum: Lauter kleine Schätze unserer Leser

Landkreis Dillingen

Poesiealbum: Lauter kleine Schätze unserer Leser

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    Marianne Braun aus Lauingen zeigt ihre Lieblingsseite aus einem ihrer Poesiealben. Eine Schulfreundin hatte sich 1948 verewigt.
    Marianne Braun aus Lauingen zeigt ihre Lieblingsseite aus einem ihrer Poesiealben. Eine Schulfreundin hatte sich 1948 verewigt. Foto: Polednia

    Wir haben unsere Leser gefragt, ob sie noch ihre Poesiealben haben und Kontakt zu Schülern, die sich einst darin verewigt haben. Von der Flut an E-Mails und Fotos waren wir völlig überrascht. Hier einige Beispiele:

    Ihren Schatz hat Marianne Braun sorgsam in einer Schatulle aufbewahrt: drei Poesiealben aus ihrer Schulzeit. Die gebürtige Lauingerin holt diese persönlichen Erinnerungen aus dem vergangenen Jahrhundert normalerweise bei ihren Klassentreffen heraus, die sie alle fünf Jahre mitorganisiert. „Ich stehe noch mit vielen meiner Mitschülerinnen in Kontakt“, sagt die 86-jährige Rentnerin. Die Heftchen seien aus ihrer Volksschulzeit, „da war ich zehn oder elf Jahre alt“. 1944 tobte der Zweite Weltkrieg. Ihre Kindheit beschreibt sie trotzdem als schön. „Wir kannten es ja nicht anders“, ist die pragmatische Antwort der rüstigen Frau. Am 16. Juni 1945 hinterließ ihre Mutter in alter deutscher Schrift ein Gedicht. Viele Freundinnen aus der Lauinger Volksschule verewigten sich mit einem Spruch und einem aufgeklebten Bild.

    Mit dem Wechsel an die klösterliche Mädchenmittelschule in Dillingen, der heutigen St.-Bonaventura-Realschule, wurde der Anspruch an die Gestaltung der Seiten größer. Marianne Brauns Mitschülerinnen zeichneten zu ihren feinsäuberlich aufgeschriebenen Poesiesprüchen Blumenranken auf das Papier. Sie unternimmt gerne diese Zeitreise in ihre Jugend.

    Eine Seite, datiert auf den 25. Februar 1948, gefällt Braun besonders: Eine Schulfreundin hat die linke Seite mit farbenfrohen Tulpen gestaltet. Auf der rechten Seite steht folgender, mit blauer Tinte verfasster Text:

    Vertrauen auf sich selbst ist Kraft,

    und Kraft ist Freude,

    und Freude ist Leben,

    und Leben ist Schaffen,

    und Schaffen ist Glück.

    Doch auch das Buch selbst hat einen besonderen Wert für die Lauingerin. Es ist ein Geschenk ihres Bruders. Dieser hatte es mithilfe eines Freundes und gelernten Buchbinders gebunden. Seinen Zierrahmen bilden gebügelte Strohhalme. In der Mitte der Vorderseite ist es mit Rosen versehen. Vielleicht hat das Motiv die jungen Mädchen – mit Buben war sie damals nicht befreundet – zu ihren Zeichnungen inspiriert.

    In diesem Jahr liegt Marianne Brauns Schulabschluss 70 Jahre zurück. Und das soll auch gefeiert werden, soweit es die Umstände zulassen. Einige Mitschülerinnen hat sie dafür bereits kontaktiert. Zum Treffen nimmt Marianne Braun ihre Poesiealben mit. So viel steht für die Lauingerin fest.

    Der Glaube war wichtig, das merkt man im Gundelfinger Album

    Da hat Norbert Remiger aus Buttenwiesen nicht schlecht gestaunt. „Ich war schon ein wenig überrascht, als meine Mutter nach dem Lesen Ihres Artikels lächelte, ihr Poesiealbum hervorzauberte und zu jedem Verfasser etwas sagen konnte.“ Mutter Karoline

    Karoline Remiger schreibt: „Es sind Erinnerungen an meine Eltern, Großeltern, Schulkameraden, Nachbarn. Wenn ich es in der Hand habe und lese, sind die Erinnerungen und Bilder in aller Größe da. Da kommt es einem sofort in den Kopf, wie schnell die Zeit vergangen ist.

    Karoline Remiger aus Gundelfingen mit ihrem Poesiealbum von 1949.
    Karoline Remiger aus Gundelfingen mit ihrem Poesiealbum von 1949. Foto: Norbert Remiger

    Meine Großeltern sind vor 1900 geboren und mein Vater ist 1905 geboren. Sie hatten alle noch mit der alten deutschen Schrift in das Poesie-Album geschrieben. Meine Mutter, 1916 geboren, schrieb dann schon in Latein. Meine Großeltern und Eltern schrieben von Gehorsam und Bescheidenheit. Der Glaube, die Kirche war für alle ganz wichtig. Meine Lehrerin Irene Neumaier, später Frau Wosnitza, lebt nicht mehr. Die Lehrerin Frau Kapfer, verheiratete Manlik, lebt noch in Dillingen. Unsere Handarbeitslehrerin hat uns das Wichtigste beigebracht: Kreuzstich, Stäbchen häkeln, Verse stricken und so weiter. Die Schulkameraden – einige sind nicht mehr unter uns, aber mit zwei Klassenkameradinnen treffe ich mich an den Geburtstagen immer. Hier werden die Erinnerungen an alte Zeiten und die Fragen, wo sind die anderen alle geblieben, wach gehalten. Mittlerweile haben wir auch alle unsere Gebrechen, dem Alter entsprechend. Schön war es, in einer friedlichen Zeit, wo es immer aufwärtsging, man gesund war und jeder seine Arbeit hatte, zu leben und alt zu werden.“

    Auch die Eppisburger Einträge sind christlich gestimmt

    Diesen aufwendig verzierten Eintrag eines Mitschülers aus Donaualtheim von 1960 mag Bärbel Mannes besonders gern.
    Diesen aufwendig verzierten Eintrag eines Mitschülers aus Donaualtheim von 1960 mag Bärbel Mannes besonders gern. Foto: Bärbel Mannes

    Die Enkel von Bärbel Mannes haben sie belustigt darauf hingewiesen: „Die Einträge in meinem Poesiealbum sind tatsächlich alle sehr christlich gestimmt“, sagt die 69-jährige Rentnerin aus Eppisburg. So sei es damals, Anfang der 1960er Jahre, eben gewesen. Ihre Mitschüler, Lehrer und Cousinen pochten auf Gottes Hilfe.

    Dass auch einige Buben in ihrem Poesiealbum vertreten sind, erklärt sich Bärbel Mannes, die in Donaualtheim aufgewachsen ist, so: „Die Volksschule in

    Was soll ich lang schreiben

    ein zierlich Gedicht,

    ich schreibe ganz einfach

    Vergissmeinnicht.

    Ihrem persönlichen Lieblingsspruch „Habe Sonne im Herzen“ ist Bärbel Mannes seither treu geblieben. Nur verschickt sie den Spruch mittlerweile als Textnachricht auf ihrem Mobiltelefon.

    Eine Frau aus Warnhofen hat ein Album von 1908

    Beinahe andächtig blickt Renate Rau, geborene Hefele, aus Warnhofen auf das kleine quadratische Buch mit rotem Einband und dem Schriftzug „Poesie“. „Das habe ich im Jahr 1954 von meiner Cousine geschenkt bekommen.“ Sie sei damals 14 Jahre alt und mächtig stolz auf dieses Geschenk gewesen.

    Renate Rau aus Warnhofen mit ihrem Poesiealbum aus dem Jahr 1954 (links) und dem Album ihrer Mutter Anna aus dem Jahr 1908.
    Renate Rau aus Warnhofen mit ihrem Poesiealbum aus dem Jahr 1954 (links) und dem Album ihrer Mutter Anna aus dem Jahr 1908. Foto: Horst von Weitershausen

    „So ein Album war für uns Mädels in der damaligen Zeit von großer Bedeutung, verewigten sich doch alle Freundinnen aus dieser Zeit in ihrer besten Schrift und vermeintlicher Poesie darin. Und die meisten von ihnen klebten auch noch extra Lackbildchen dazu. Ein Zeichen ewiger Freundschaft, wie wir damals alle glaubten“, sagt Renate Rau.

    Mit allen, die sich in ihr Poesiealbum eingetragen haben und noch leben, steht sie bis heute in reger Verbindung. Der erste Eintrag erfolgte bereits im März 1954 von ihrer besten Freundin Brigitte Peuser mit dem Spruch:

    „Alles kannst du haben, aus Silber und aus Erz,

    doch nie aus einem Grabe das Mutterherz.“

    In der Regel schrieben die Freundinnen entweder Zeilen aus bekannten Sprüchen oder ein paar eigene Freundschaftszeilen. „Doch mit etwa 17 Jahren landete mein Poesiealbum in einer Schublade, wo es lange Zeit unbeachtet herumlag.“ Die Freundinnen blieben wichtig, die Poesie wurde es erst wieder, als die eigenen Töchter in das Alter kamen und ein Album hatten. Doch das eigene sei in Vergessenheit geraten, sagt die 80-Jährige. Vor ein paar Jahren fiel ihr nicht nur das eigene Album wieder in die Hände, sondern auch das kleine schmale Album ihrer Mutter mit ersten Eintragungen aus dem Jahr 1908. „Seitdem lese ich immer wieder in den beiden Alben voller kindlicher und jugendlicher Poesie. Da wird die Erinnerung an eine arme, aber unbelastete und schöne Kindheit lebendig. Eine Kindheit mit vielen echten Freundschaften, die bis heute noch andauern.“

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    Weitere Erinnerungen finden Sie in der Wochenendausgabe der Donau-Zeitung und der Wertinger Zeitung

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