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Landkreis Dillingen: Organspende: Betroffene aus dem Landkreis sind enttäuscht

Landkreis Dillingen

Organspende: Betroffene aus dem Landkreis sind enttäuscht

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    Die Mehrheit im Bundestag hat entschieden: Organspender wird oder besser bleibt, wer sich explizit dafür ausspricht und dies etwa mit einem Organspendeausweis dokumentiert.
    Die Mehrheit im Bundestag hat entschieden: Organspender wird oder besser bleibt, wer sich explizit dafür ausspricht und dies etwa mit einem Organspendeausweis dokumentiert. Foto: Rolf Zoellner, epd

    Am Schluss konnte Heidi Ostermair nicht einmal mehr selbstständig atmen. So schlecht ging es ihr. Seit Kindheitstagen litt sie an der unheilbaren Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose. Irgendwann fiel ihr deshalb selbst das Treppensteigen schwer, sie hatte mehrere Darmverschlüsse. Ohne Beatmungsgerät hielt es die heute 45-Jährige nicht mehr aus. Als die Aussichten auf Heilung nicht schlechter hätten sein können, erhielt sie Ende 2008 die erlösende Nachricht: Nach drei Jahren auf der Warteliste war ein Spenderorgan gefunden. Ostermair erhielt die Lunge eines hirntoten Menschen. Ohne sie würde die Bissingerin heute wahrscheinlich nicht mehr leben.

    9500 Menschen in Deutschland warten auf ein Organ

    Angesichts dessen, sagt sie, sei sie enttäuscht über die mehrheitliche Entscheidung der Bundestagsabgeordneten von vergangener Woche, die immer wieder geforderte Widerspruchslösung beim Thema Organspende abzulehnen. Sie ist ein Beispiel, wie

    In Deutschland warten derzeit rund 9500 Menschen auf ein Organ, die große Mehrheit davon hofft auf eine neue Niere. Thorwin Gotteswinter ist einer von ihnen. Er weiß, wie sich die Ungewissheit anfühlt. Gotteswinter sagt: „Ich bin ehrlich gesagt absolut dafür, dass jeder zum Spender wird.“ Die Entscheidung des Bundestags, dass Organe auch in Zukunft nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Patienten zu Lebzeiten oder der Angehörigen nach dem Tod entnommen werden dürfen, dafür aber etwa beim Beantragen eines Personalausweises im Amt direkt auf das Thema angesprochen werden soll, nennt der 39-Jährige einen „verwässerten Kompromiss“. Einfach nur Werbung für Organspende zu machen, reiche seiner Meinung nach nicht aus. Viele würden trotzdem keinen Spenderausweis beantragen. „Da muss man selbst aktiv werden und sich darum kümmern. Das machen viele nicht, auch wenn sie eigentlich gern spenden würden.“

    An den Kreiskliniken im Landkreis Dillingen herrscht Unverständnis

    Er sei enttäuscht vom Ergebnis der Bundestagsdebatte und befürchte, dass sich so gar nichts ändern werde. „Bei der Widerspruchslösung hätte ja jeder die Möglichkeit, einer Organspende explizit zu widersprechen“, sagt er. Und das finde er als Betroffener auch nicht schlimm: „Das braucht niemandem peinlich zu sein, wenn er nicht spenden will.“ Ihm gehe es um die vielen Leute, die eigentlich spenden wollen, aber keinen Ausweis haben.

    Ähnlich sieht das Roland Bauer. Seit er 16 ist, hat der Echenbrunner Diabetes. Jahrelang musste er sich Insulin spritzen – bis seine Nieren irgendwann nicht mehr mitspielten. 2006 begann Bauer mit der Dialyse. Jeden Tag, vier Mal. Zwei Jahre später erhielt er seinen ganz persönlichen „Sechser im Lotto“, wie er es nennt: Er bekam Niere und Bauchspeicheldrüse von einem Fremden, der bei einem Unfall tödlich verunglückte. Heute ist sich der 59-Jährige sicher: „Ewig wird das auch nicht halten.“ Sein Leben aber habe die Spende deutlich leichter gemacht. Auch Bauer sagt, dass er eine Widerspruchslösung bevorzugt hätte. Er selbst würde auch Organe spenden. „Von mir hätte man alles haben können“, sagt er. „Nach dem Tod kann man ja nichts mitnehmen.“

    In den Kliniken im Landkreis sieht man das ähnlich: Der Transplantationsbeauftragte im Dillinger Krankenhaus, Dr. med. Andreas Alber, sagt: „Es ist enttäuschend, dass keine Lösung wie im Ausland gefunden werden konnte.“ In Ländern wie Spanien und Österreich sei die Widerspruchslösung längst Usus. „Es würde ja auch niemand zum Spenden gezwungen“, so Alber. Er sehe auch die Menschenwürde nicht verletzt, befürchtet aber, dass durch die Entscheidung des Bundestags die Verantwortung an die Ärzte abgegeben werde.

    Eine Spende in acht Jahren

    In Dillingen wurden Alber zufolge nur relativ wenige Organe gespendet, seit er im November 2002 dort angefangen hat. Jedes Mal sei eine Spende mit intensiven Gesprächen mit den Angehörigen einhergegangen. Ob die Spendenzahl mit der Widerspruchslösung in

    Das erklärt auch Dr. med. Jochen Hehl, Chefarzt und Transplantationsbeauftragter im Wertinger Krankenhaus. Dort habe es in den vergangenen acht Jahren eine Organspende gegeben, und zwar im vergangenen Herbst.

    Wie seine Vorredner spricht auch Hehl sich für die Widerspruchslösung aus. Denn: „Ich sehe das Leid der Patienten und ihrer Angehörigen ständig. Durch eine Organspende kann man ihnen ein Stück Lebensqualität zurückgeben.“ Er selbst habe einen Spenderausweis. „Und ich würde meinen drei Söhnen Organe entnehmen lassen, wenn ihnen etwas passieren würde.“

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