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Landkreis Dillingen: Ohne Austausch in der Kneipe ist es im Landkreis Dillingen einsam

Landkreis Dillingen

Ohne Austausch in der Kneipe ist es im Landkreis Dillingen einsam

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    Lockdown in der Gastronomie. Die Biergartenmöbel haben bereits Patina angesetzt und stehen weiterhin ungenutzt in der Ecke. Die Wirte hoffen, dass nach dem 28. April endlich wieder Leben in ihre Biergärten einzieht.
    Lockdown in der Gastronomie. Die Biergartenmöbel haben bereits Patina angesetzt und stehen weiterhin ungenutzt in der Ecke. Die Wirte hoffen, dass nach dem 28. April endlich wieder Leben in ihre Biergärten einzieht. Foto: Ralf Lienert (Symbol)

    Die Gastro-Branche wurde von Corona in eine Art Dornröschenschlaf versetzt, für den es sicherlich so manchen Prinzen-Normalo brauchen wird, um sich aus dieser Misere nicht nur finanziell, sondern auch im beruflichen Engagement zu erholen. Nach Ostern hatten viele Gastronomen im Landkreis Dillingen auf Lockerungen gehofft – zumindest für die Außengastronomie. Mit der steigenden Inzidenz scheint dieser Wunsch nun vom Tisch.

    Gastronomen im Landkreis Dillingen wollen nicht jammern

    „Als wir im letzten Jahr für einige Monate mit Hygienemaßnahmen öffnen durften, waren wir zu Beginn alle froh“, sagt Josef Stark vom gleichnamigen Landgasthof in Gottmannshofen. Doch schon nach kurzer Zeit habe die Branche erfahren müssen, dass mit diesen Einschränkungen kein profitables Unternehmen geführt werden könne. Der Gastronom, der gleichzeitig Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes in Dillingen ist, erklärt: Als sich herausgestellt habe, dass sich die Situation der Branche nicht stabilisieren, sondern in Richtung eines neuen Lockdowns entwickeln werde, habe die Tristesse in der Gastronomie-Branche so richtig Einzug gehalten. „Denn nach all den Bemühungen, den Hygiene- und Abstandsauflagen nachzukommen, muss die Gastro-Kultur die Pforten bis heute schließen, obwohl sie nachweislich während ihrer Öffnungszeiten im Sommer und Herbst 2020 nicht zu den Pandemietreibern zählte“, sagt Stark.

    Doch jammern helfe nicht, so seine Devise: „Wir müssen in dieser Situation für uns und unsere Gäste kreativ werden.“ Denn eines müsse der Gesellschaft trotz Corona bewusst sein: Ohne die Kultur der Gastronomie fehle die Kommunikationsmöglichkeit. Sein Gasthof biete auch weiter von Mittwoch bis Sonntag eine Abholkarte mit Menüauswahl an. Darüber hinaus würden die Speisen auch als Fertiggericht in Dosen an mehreren Verkaufsstellen angeboten.

    Warum mit geschlossenen Gaststätten ein Stück Kommunikationskultur verloren geht

    Besonders für junge Generationen bedeuteten die seit rund einem Jahr geschlossenen Diskotheken mehr als nur eine Einschränkung für ihr Leben, sagt Josef Hiltner von der Krone-Disco in Bissingen. Trotz allem Verständnis für die Einschränkungen, für die jungen Menschen sei das erlebte Vergnügen mit zwischenmenschlicher Kommunikation für ihre Entwicklung äußerst wichtig, so der Disco-Betreiber. Dies könne kein Digital-Austausch ersetzen. Doch nicht nur bei ihnen sei durch die Schließung der gesamten Gastro-Branche eine Vereinsamung festzustellen, sagt er. Neben der Disco, einem Restaurant und Biergarten, wurden auch für die älteren Semester die über Bissingen hinaus beliebten Tanztees und -partys mit Livemusik in der Krone veranstaltet. „Dies fehlt den älteren Menschen“ sagt Hiltner und weist auf zahlreiche telefonische Nachfragen hin, wann denn diese Veranstaltungen in seinem Haus wieder stattfinden könnten.

    „Wir können mit den staatlichen Hilfen noch durchhalten“, sagt der Krone-Wirt. Doch was ist mit der Gesellschaft, fragt er? Werde sie noch lange auf die Gastro-Kultur mit all ihren verschiedenen Angeboten verzichten können, ohne zwischenmenschlich zu verarmen? „Wenn es noch länger so weiter geht, werden viele von uns schließen müssen, besonders Kneipen, Diskotheken, Bars, Bistro-Cafés und Clubs. Doch damit stirbt auch eine Kultur, die von der Politik nicht geopfert werden sollte.“ Es müssten endlich Wege gefunden werden, die Branche in ihrer Vielfältigkeit nicht nur als Steuer zahlende Unternehmen, sondern auch als wichtige kommunikative Kulturbetriebe zu sehen, fordert er. Ein Bier am Stammtisch in der Kneipe habe einen höheren gesellschaftlichen Wert als am digitalen Stammtisch.

    „Wir halten auf alle Fälle durch, allein schon wegen unserer Gäste“, sagen Rita und Matthias Stutzmüller vom Kings-Road-Pub in Dillingen. Nach dem Lockdown im Frühjahr des vergangenen Jahres habe er bereits am ersten Öffnungstag im Juni bemerkt, wie wichtig den Menschen ihr Pub-Besuch gewesen sei, sagt Matthias Stutzmüller. Den großen Umsatz brachten die Lockerungen aber nicht: Durch die coronabedingten Auflagen hatten nur halb so viele Gäste Platz gefunden. „Und das bei erheblichen Mehraufwand – auch finanziell – von unserer Seite.“ Dennoch sei das Gefühl, sich wieder um Gäste kümmern zu können, super gewesen. Den Lockdown seit November habe er für Renovierungsarbeiten genutzt, berichtet der Wirt. Dass sie auf Normalität hoffen, könnten die Gäste daran erkennen, dass für den Herbst wieder eine Live-Band gebucht ist.

    Gastronomen wünschen sich Hilfe durch die Politik

    „Kaum erwarten können unsere Gäste das Ende des Lockdowns“, berichtet auch Klaus Hanslbauer von der Kultkneipe Holzwurm in Lauingen. „Unsere Branche ist der große Pandemie-Verlierer“, sagt Hanslbauer. Die Kneipen seien als Erste geschlossen worden, und dürften als Letzte öffnen. Ohne seine Arbeit als Musiker wäre auch er nicht nur finanziell am Ende gewesen, berichtet Hanslbauer. Das Song-Schreiben habe ihn über Wasser gehalten. Ebenso die Gewissheit, dass seine Gäste die Treue halten werden. Wie sein Partner Uwe Mayr hofft auch er, dass dies der letzte Corona-Lockdown gewesen sein wird. Besonders die Impfungen sollten dafür sorgen, dass langsam wieder eine gewisse Normalität eintreten wird.

    Von schwindenden Rücklagen spricht Mehmet Cilik von der Cocktail- und Shisha-Bar P2 in Wertingen. Auch die beantragten Hilfsgelder seien noch nicht ausgezahlt worden. Als er das Lokal im Jahr 2018 mit seinem Team übernommen habe, sei er voller Tatendrang gewesen: „Die Gäste kamen gerne zu uns und ich hoffe, dass dies auch so bleibt, wenn wir wieder öffnen können.“ Da die Lokalität auch über eine Terrasse mit großem Biergarten verfüge, sei für die Öffnung der Außengastronomie alles bereit gewesen. „Doch leider wurde dies vonseiten der Politik wieder gekippt und die Gäste standen vor verschlossenen Türen“, sagt Cilik resigniert.

    Damit die Gäste wenigstens einen Hauch von Wirtshauskultur erleben können, bietet der Wirt ihnen von Freitag bis Sonntag (17 bis 23 Uhr) Speisen und Getränke zum Mitnehmen an. „Jetzt können wir nur hoffen, dass nach dem 28. April die Gastro-Branche von der Politik wieder eine Chance bekommt, der Gesellschaft ein großes Stück Kultur zurückzugeben.“

    Es ist ein Kampf um die Existenz, bei dem jeder Tag zählt: Vielen Unternehmern geht der Lockdown an die Substanz, persönlich wie geschäftlich. Wer nicht als systemrelevant gilt, steht in Corona-Zeiten schnell auf dem Abstellgleis. In unserer Serie stellen wir Beispiele vor.

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