Das Besuchsverbot in Krankenhäusern und Seniorenheimen wird ab Samstag ganz leicht gelockert. Jeder Bewohner oder Patient darf dann pro Tag einen Besucher für eine Stunde empfangen. Dabei gelten weiterhin strenge Hygienemaßnahmen. Als der Leiter des Dillinger Heilig-Geist-Stifts, Siegfried Huber, am Dienstag die Ankündigung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder gehört hat, wird er ernst. „Ich sage dazu gar nichts“, lässt Huber zunächst wissen. Damit ist klar, dass die Lockerung dem Leiter der Dillinger Pflegeeinrichtung Sorgen bereitet. Später sagt Huber: „Ich halte das für sehr riskant.“ Er habe die Lockerung jetzt noch nicht erwartet.
21 Infizierte im Landkreis sind gestorben
Wenn das Coronavirus Altenheime erreicht, sind die Auswirkungen oft katastrophal. Von den 21 Menschen, die bisher im Landkreis an Corona gestorben sind, kommen 19 aus Seniorenheimen – 18 davon aus Bissingen. Das Besuchsverbot sei für die Bewohner sehr schmerzlich gewesen, sagt Huber. Im Dillinger Alten- und Pflegeheim habe es sich aber bewährt. Das Heilig-Geist-Stift mit seinen 124 Plätzen blieb bisher von dem Virus verschont. Huber sagt: „Wir haben bisher im Kampf gegen Corona etwas erreicht, und diesen Erfolg dürfen wir jetzt nicht einfach herschenken.“ Huber will vorerst die bisher getroffene Regelung beibehalten. Ein Angehöriger kann nach vorheriger Anmeldung Oma oder Opa in der Spitalkirche besuchen. Beide haben dann drei Meter Abstand, sie können sich unterhalten, sind aber durch ein Gitter getrennt. Der Heilig-Geist-Stift-Leiter will diese Besuchsmöglichkeit nun das ganze Wochenende über anbieten. Ist doch am Sonntag auch noch Muttertag. Skeptisch ist auch Christine Lipp vom Haus St. Florian in Höchstädt. „Wenn am Sonntag unsere 25 Bewohner jeweils einen Besucher empfangen – dann wird das schwierig. Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei.“ Klar würden sich viele Menschen gerne wiedersehen, das will der Träger der Höchstädter Einrichtung auch unterstützen. Lipp hofft, dass Besucher sich vorher telefonisch anmelden und dass die Sonne scheint. Im Garten sei die Abstandsregel wesentlich leichter umzusetzen als drinnen. Maskenpflicht und viele Spender mit Desinfektionsmittel sollen das Risiko einer Covid-19-Ansteckung weiter minimieren. Zudem müssen sich die Besucher in Listen eintragen und unter anderem bestätigen, dass sie gesund sein. „Mehr können wir nicht tun.“
In der Elisabethenstiftung Lauingen wird die neue Kontaktmöglichkeit am Wochenende direkt mit Kaffee, Kuchen und Kaltgetränken gefeiert. „Wir haben einen Check-in-Schalter, dort werden die Besucher registriert und wir messen ihre Temperatur. Dann können sie herein“, schildert JörgFröhlich das Prozedere. Am Wochenende ist von 10.30 bis 17.30 Uhr ein Besuch möglich, unter der Woche dann von 14.30 bis 17.30 Uhr. Die Angehörigen werden darüber informiert. Der Gesamtleiter der Lauinger Einrichtung freut sich über die Verordnung, weil die Belastung der Menschen im Heim nun sinkt. Doch das Besuchsverbot gelte weiterhin – nur eben ab Samstag mit der Ausnahme für einen Besucher pro Bewohner pro Tag für maximal eine Stunde. Die Treffen können in einem großen Saal, draußen im Garten oder, bei bettlägerigen Menschen, auch im Zimmer stattfinden. Immer eingehalten werden müssen der Mindestabstand und das Tragen von Schutzmasken.
In Gundelfingen werden viele Besucher erwartet
Markus Moll vom Gundelfinger Haus der Senioren rechnet am Wochenende mit einer großen Welle an Besuchern. So einfach zu händeln sei das mit all den Auflagen nicht. „Wir müssen die Besuche protokollieren. Wie, das wissen wir jetzt noch nicht“, erklärt der Geschäftsführer. Außerdem muss weiterhin der Abstand zwischen Besuchern und Senioren gewahrt werden. Moll denkt über ein Besuchszimmer nach. Damit die Auflagen eingehalten werden, müsse der Aufenthalt koordiniert sein. Vielleicht reiche dann ein einziges Besucherzimmer gar nicht, meint Moll, um sowohl den Abstand als auch die Privatsphäre zu wahren. „Ich sehe die Änderung dennoch als positives Zeichen in Richtung Normalität. Für viele Bewohner ist die Situation zurzeit doch sehr belastend, wenn überhaupt kein Besuch kommt. Kontakte zuzulassen, das ist wichtig.“ Wie das nun künftig klappen kann, darüber informiert das Seniorenheim die Betroffenen per Post. Moll kann sich vorstellen, dass ein Besuch eine telefonische Terminvereinbarung voraussetzt. Bislang gab es im Gundelfinger Seniorenheim keinen einzigen Covid-19-Fall. „Man fühlt mit den Menschen im Bissinger Seniorenheim“, sagt Moll. „Aber es ist naiv zu glauben, wir könnten das Coronavirus umgehen. Ich denke, alle Pflegeheime werden davon irgendwann betroffen sein. Das Risiko kann man nicht ganz ausschalten.“
Auch das Bissinger Pflegeheim Pro Seniore will die neuen Vorgaben so weit als möglich umsetzen – obwohl im Haus auch Menschen leben, die positiv auf Covid-19 getestet wurden. So teilte Pressesprecher Peter Müller auf Anfrage mit: „Bei allen negativ Getesteten werden wir einen Besucher pro Tag für jeweils eine Stunde mit den vorgeschriebenen persönlichen Schutzmaßnahmen gewährleisten.“ Dafür werde der eigene Garten vorbereitet. Die Mitarbeiter seien geschult und würden in der Anfangszeit die Einhaltung der Regeln möglichst dezent, aber in der Sache konsequent überprüfen.
Positiv getestete Bewohner sollen über Fenster oder Balkone Kontakt zu Angehörigen aufnehmen können – auch nur in sicherem Abstand. Wo engerer persönlicher Kontakt etwa auf Anraten oder Anordnung von Ärzten angezeigt oder notwendig sein kann, will man dies in Bissingen unter Einhaltung strengster Hygienemaßnahmen und mit Vollschutz ermöglichen. Mit den Angehörigen werde der jeweilige Ablauf der Besuchsmöglichkeiten besprochen. „Mitarbeiter und Bewohner freuen sich, dass der Anfang des Weges zurück in die Normalität nun gemacht wird“, so Müller.
In Wertingen gibt es zwei Kontaktmöglichkeiten
Eine Fortführung der bisherigen Abschottung hält auch das Unternehmen Benevit, das unter anderem ein Haus in Wittislingen betreibt, nicht mehr für zumutbar. „Alle Angehörigen werden jetzt informiert und gebeten, sich für einen Besuch im Haus anzumelden“, erklärt Geschäftsführer Kaspar Pfister. So werden Besuche kanalisiert und eine Überlastung vermieden. Vorgesehen sind sogenannte Besucherzonen im Mehrzweckraum oder im Garten. In Sondersituationen werden auch Besuche im Zimmer ermöglicht. Dass bislang Bewohner ohne Weiteres die Einrichtung verlassen konnten, gleichzeitig aber keinen Besuch empfangen durften, war für Pfister laut Pressemitteilung ein Paradoxon schlechthin. Umso mehr freut er sich jetzt über die Lockerungen.
Zwei Kontaktmöglichkeiten für Angehörige wird es im Seniorenzentrum St. Klara in Wertingen geben. Heimleiter Günther Schneider sagt, dass es weiterhin das Besuchsfenster geben wird. Das heißt, Angehörige können über ein offenes Fenster mit Plexiglasschutz zu ihren Angehörigen sprechen. Hinzu kommen ab Samstag die Besuchsinseln. Dies sind drei Tische, die im weitreichenden Abstand zueinander im Garten stehen. An diesen Tischen, die zwei Meter lang sind und dadurch für genügend Abstand sorgen, können Besucher mit ihren Liebsten sprechen. Eine Betreuungskraft des Hauses steht dabei als Ansprechpartner für alle Fragen zur Verfügung. Für die Besuche gibt es – egal ob am Fenster oder im Garten – einiges zu beachten. Schneider erklärt: „Für beide Kontaktmöglichkeiten müssen sich die Besucher anmelden.“ Es dürfe nur eine Person, die registriert wird, jeweils täglich eine halbe Stunde zu dem Senior oder der Seniorin kommen. Außerdem müssen die Besucher eine FFP2-Maske tragen und die Heimbewohner einen Mund-Nasen-Schutz. Darüber hinaus wird den Besuchern berührungslos die Temperatur an der Stirn gemessen und sie werden befragt, ob sie sich krank fühlen oder Kontakt mit Erkrankten hatten. Schneider sieht die neue Lage ambivalent. Er sagt: „Der Mensch ist ein Beziehungswesen, für den Beziehungen genauso wichtig sind wie das Trinken und Essen.“ Vor diesem ethischen Hintergrund begrüßt er die Neuerungen. Allerdings weiß er auch um die Gefahren. Deshalb habe sein Haus „doppelte Vorsicht“ walten lassen.
Derzeit sind nach aktuellem Stand im Landkreis 260 Personen erkrankt, davon 149 genesen und 21 verstorben. In den Pflegeheimen wurden 70 Bewohner positiv getestet, davon sind 19 verstorben und fünf genesen.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die Öffnung der Seniorenheime ist eine Herausforderung für alle Beteiligten
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