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Landkreis Dillingen: Nachfrage Elterntelefon: Wegen Corona liegen die Nerven vieler Eltern blank

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Nachfrage Elterntelefon: Wegen Corona liegen die Nerven vieler Eltern blank

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    Die Anruf, die das Elterntelefon in Dillingen im vergangenen Jahr registriert hat, sind deutlich gestiegen. Im Lockdown haben hauptsächlich Mütter zum Hörer gegriffen und niederschwellig Hilfe gesucht. Gerade die Betreuungssituation der Kinder hat viele Familien vor Herausforderungen gestellt.
    Die Anruf, die das Elterntelefon in Dillingen im vergangenen Jahr registriert hat, sind deutlich gestiegen. Im Lockdown haben hauptsächlich Mütter zum Hörer gegriffen und niederschwellig Hilfe gesucht. Gerade die Betreuungssituation der Kinder hat viele Familien vor Herausforderungen gestellt. Foto: Christian Beutler, dpa (Symbol)

    Es ist nur ein Anruf. Ein kurzes Gespräch, das in einer scheinbar aussichtslosen Situation schon Wunder bewirken kann. Gabi und Peter Tietze, die das Elterntelefon des Kinderschutzbundes in Dillingen betreuen, machen ihre Arbeit gern. Auch in Corona-Zeiten. Dabei war die Nachfrage nach dem Beratungsservice im vergangenen Jahr hoch, wie die Zahlen zeigen. Die Anrufe in

    Während 2019 noch 300 Gespräche geführt wurden, waren es im vergangenen Jahr rund 600. „Gerade im März und April – zur Zeit des ersten Lockdowns – hat das Telefon besonders häufig geklingelt“, sagt Peter Tietze. Das sechzehnköpfige Team in Dillingen hatte deshalb sogar extra die Sprechzeiten ausgeweitet. Im Sommer war es dann ruhiger geworden, doch mit dem erneuten Lockdown waren auch die Sorgen, Herausforderungen und Ängste vieler Familien auf einmal wieder präsent.

    Die größte Sorge vieler Eltern ist die Betreuung ihrer Kinder

    Am häufigsten, so Gabi Titze, machen sich Eltern um die Betreuung ihrer Kinder und deren Unterbringung Sorgen. Schul- und Kitaschließungen trafen viele Familien unvorbereitet. „Gerade bei Kindern mit Behinderung war es nicht leicht, als sie nicht mehr in ihre Einrichtungen gehen durften“, sagt sie. Zu Beginn der Pandemie waren die Herausforderungen für viele Eltern enorm. Wer ein Kind alleine aufzieht und außerdem berufstätig ist, stand auf einmal vor einer Herkulesaufgabe. „Homeoffice und Homeschooling unter einen Hut zu bekommen, ist nicht leicht“, erklärt sie. Brauchten mehrere Familienmitglieder gleichzeitig die verfügbaren technischen Geräte, musste in Schichten gearbeitet werden. Vormittags machen die Kinder ihre Schulaufgaben, nachmittags die Eltern ihre Arbeit. „Das zehrt an den Kräften“, erklärt Gabi Titze.

    Am Elterntelefon haben es die beiden Berater aber nicht nur mit traurigen Fällen zu tun. Manchmal wird auch gelacht. Trotz vieler unerwarteten Hindernisse habe es auch immer wieder Familien gegeben, die sich als Gewinner der Corona-Kirse gesehen hätten. Gabi Titze sagt: „Auf einmal sind Termine weggefallen und mit ihnen auch eine gewisse Hektik im Alltag vieler Familien.“ Dass das Aufstehen morgens entspannter ist, weil kein Schulbus mehr erwischt werden muss, sei für viele eine Erleichterung gewesen. Statt auf dem Sportplatz oder bei anderen Hobbys Zeit zu verbringen, hätten Familien wieder mehr gemeinsam unternommen. Gerade dadurch, so ihre Einschätzung, sei es aber auch vermehrt zu Streitereien und Spannungen gekommen: „Die Nerven liegen nach so einer Zeit blank.“

    Am Elterntelefon: Manchmal hilft es auch einfach zuzuhören

    Den Eltern, sagt Peter Titze, wolle er bei ihrem Anruf vor allem zuhören. Oft hätten sie sich bereits ihre eigenen Gedanken gemacht, wenn er sie in der Leitung habe. Sie würden sich meist einfach über die Möglichkeit freuen, sich über die Probleme auszusprechen. „Wir versuchen, nicht nur eine gemeinsame Lösung zu finden, sondern loben und bestätigen Eltern auch“, betont er. Dass Kinder auch einmal einen schlechten Tag haben und nicht immer alles gut laufen könne, sei normal. Viel wichtiger sei es, den Fokus darauf zu legen, was Eltern bereits leisten.

    Wächst die Situation einer Familie über den Kopf, will das Elterntelefon aber auch niederschwellig andere Hilfsangebote vermitteln. Über eine Datenbank ist das einfach möglich. Gabi Titze erklärt: „Wenn Anrufer uns ihre Postleitzahl verraten, können wir gezielt nach Angeboten bei ihnen vor Ort Ausschau halten.“ Damit würden sie zwar ihre Anonymität ein Stück weit aufgeben, aber einen direkten Ansprechpartner vermittelt bekommen. Manchmal reicht aber auch schon das Einrichten kleiner „Ruhe-Inseln“ im Alltag, wie Gabi Titze sie nennt. Selbst eine zehnminütige Kaffeepause könne Wunder bewirken. Generell sind es ihrer Erfahrung nach eher Mütter, die das Gespräch suchen. Gerade im ersten Lockdown hätten aber auch viele Großeltern zum Hörer gegriffen und sich bei den Beratern erkundigt. Sogar besorgte Nachbarn hätte sie in der Leitung gehabt. Weil sie ihre Enkel selbst mehrere Wochen nicht sehen konnten, hatten sie sich besonders gut in die Situationen von besorgten Großeltern hineinversetzen können, verrät sie. „Manche wollten sich die Sorgen nur von der Seele reden“, erinnert sie sich. Am wichtigsten sei vielen von ihnen gewesen, den Kontakt zu halten. Oft sei das über Briefe oder ein Päckchen ganz einfach gelungen.

    Gab es im Lockdown mehr Gewalt in den Familien

    Ob es im Lockdown generell mehr Gewalt gegeben hat, können die beiden ehrenamtlichen Berater nicht sagen. Die erfassten Daten aus den geführten Gesprächen ließen zwar einen leichten Anstieg erkennen, doch darunter fielen auch Streitereien unter Geschwistern. Eltern, die ihre Kinder misshandelten, würden sich nicht bei ihnen melden, erklärt Peter Titze. Gebe es wirklich einmal einen solchen Anruf, sagt er, bereue es der Gesprächspartner meist, wenn ihm die Hand ausgerutscht sei und mache sich große Sorgen. „In einer solchen Situation muss man vor allem Verständnis zeigen und sinnvolle Ideen sammeln, wie in Zukunft eine solche Eskalation vermieden werden kann“, erläutert er.

    Die Eindrücke aus den vergangenen Monaten gehen auch an Peter und Gabi Titze nicht spurlos vorbei. Das Beratungsteam habe immer die Möglichkeit, mit einer ausgebildeten sozialpädagogischen Fachkraft zu sprechen, wenn ein Anruf besonders unter die Haut gehe. Egal ob es fünf Minuten daure oder eineinhalb Stunden, ein Gespräch gebe immer spannende Einblicke in das Leben anderer Menschen. „Wenn es klingelt, nehme ich ab und bin in einer anderen Welt“, beschreibt Peter Titze seine Arbeit. Manchmal sei das eine große Bereicherung. „Oft lege ich auf und fahre mit einem Lächeln im Gesicht heim“, ergänzt er. Man müsse aber auch den Anspruch an sich haben, andere Ansichten gelten zu lassen und sie zu akzeptieren.

    Tipps für Eltern im Lockdown-Alltag

    Kinder spüren die Verunsicherungen ihrer Eltern und reagieren darauf, weiß Gabi Titze. Um leichter durch diese herausfordernde Zeit zu kommen, rät sie Familien, viel Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Spielt das Wetter einmal nicht mit, kann gemeinsam getanzt oder musiziert werden. Auch Vorlesen oder das gemeinsame Anhören eines Hörbuchs schlägt sie vor.

    Kochen die Gefühle einmal hoch, könnte auch ein Wutplakat oder ein Coronamonster helfen. Die Beraterin erklärt: „Man kann gemeinsam malen, basteln und aus alten Zeitungen ausschneiden und aufkleben.“ Wie auch bei den Erwachsenen könne ein kleines Lob im Alltag wahre Wunder bewirken, sagt sie. „Wenn Eltern ihren Kindern sagen, dass sie kleine Helden sind und den Tag gut gemeistert haben, kann das ein wichtiges Zeichen sein.“

    Besonders wichtig sei es, betont sie, dass sich Eltern aber nicht davor scheuten, Hilfe zu suchen. Oftmals helfe ganz niederschwellig schon ein Gespräch am Elterntelefon. Die Sorgen zu teilen, könne sehr entlastend wirken: „Es ist wichtig, anzuerkennen, dass niemand alleine ist, auch wenn es sich derzeit oft so anfühlt“, sagt sie.

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    Liebe Eltern, Ihr macht das toll!

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