Katholiken in der Region, die in der Kirche beten wollten, haben jetzt eine ungewohnte Erfahrung gemacht. Die Türen der Gotteshäuser sind seit Dienstag geschlossen: Domkapitular Harald Heinrich, der Vertreter des Diözesanadministrators Bertram Meier, hat die vorübergehende Schließung der katholischen Kirchen außerhalb der Gottesdienstzeiten in den Dekanaten Dillingen, Donauwörth und Augsburg-Land angeordnet. Eine Ausnahme gibt es dann, wenn „tatsächlich sichergestellt ist, dass während der Öffnungszeiten jemand zur Aufsicht in der Kirche beziehungsweise Kapelle anwesend ist“. Das Bistum Augsburg reagiert damit auf die jüngsten Opferstockaufbrüche und Kirchenschändungen in der Region (wir berichteten).
Den Hostienkelch gestohlen
In Heretsried im Landkreis Augsburg ist die Pfarrkirche St. Martin durch das Aufbrechen des Tabernakels und den Diebstahl des Ziboriums (Hostienkelch) geschändet worden. In Pfaffenhofen brach ein Unbekannter am Sonntag zwei Opferstöcke auf und scheiterte am Tabernakel. Das Kreuz fiel herunter, dadurch wurde der Alarm ausgelöst. Unbekannte haben zudem einen Einbruch in die Zusamaltheimer Pfarrkirche verübt, und auch an der St.-Jakobus-Kirche in Villenbach wurden Aufbruchspuren festgestellt. Es sind aber nicht nur die Einbrüche, die Gläubige nachdenklich machen: In Ellgau (Landkreis Augsburg) haben Unbekannte in diesen Tagen an zwei Feldkreuzen die Christusfigur mit roter Farbe beschmiert. Und im Donau-Ries-Kreis hat ein Donauwörther am Freitag offenbar gezielt Holzkreuze mit Christusfiguren in Marxheim, Nordheim und Altisheim beschädigt.
Buttenwiesens Pfarrer Klaus Ammich findet die Entwicklung „sehr bedauerlich“. Egal ob Kirchen, Synagogen oder Moscheen – der Respekt vor dem, was anderen Menschen heilig ist, nehme ab, stellt der Geistliche fest. Die Anordnung der Kirchenschließung sei am Montag verschickt worden und gelte seit Dienstagfrüh. „Ich kann diese Reaktion auf die Kirchenschändungen nachvollziehen“, sagt Ammich, der auch für die Pfarrkirche St. Martin in Pfaffenhofen zuständig ist. Dort habe der Unbekannte auch den Tabernakel aufbrechen wollen, es aber zum Glück nicht geschafft. Ammich sagt, dass der Einbrecher einen Schaden von etwa 10000 Euro angerichtet habe. Er verstehe nicht, warum sich der Unbekannte neben den Opferstöcken auch über den Tabernakel hergemacht habe. Der Hostienkelch habe keinen bedeutenden materiellen Wert, er lasse sich vermutlich auf dem Schwarzmarkt gar nicht verkaufen. „Es ist einfach erschreckend, dass so etwas passiert“, sagt Ammich. Er beobachte diese Respektlosigkeit mit großer Sorge.
Schneck: Es ist gut, dass wir damit ein Zeichen setzen
Dillingens Stadtpfarrer Wolfgang Schneck ist ebenfalls nicht glücklich, dass die Basilika und die anderen Gotteshäuser in der Pfarreiengemeinschaft außerhalb der Messfeiern derzeit geschlossen sind. „Ich finde es aber gut, dass wir damit ein Zeichen setzen“, betont Schneck. Wenn ein Tabernakel angegangen werde, dann sei dies „ein Angriff auf das Allerheiligste“. Christen hätten ebenso wie Muslime und Juden einen Anspruch darauf, in ihrem religiösen Empfinden ernstgenommen zu werden.
Auch die Lauingerin Erika Remiger von der Pfarrei St. Martin sagt auf Anfrage, dass sie die vorübergehende Kirchenschließung nachvollziehen könne. Sie sei direkt nicht betroffen, weil sie nicht außerhalb der Gottesdienstzeiten zum Beten in die Kirche gehe. Wenn aber wie in diesen Tagen ständig in Kirchen eingebrochen werde, könne sie die vorübergehende Schließung verstehen. Nicht damit einverstanden ist dagegen Robert Dörle, Diakon im Ruhestand. „Ich finde das nicht in Ordnung“, sagt der Lauinger. Ein Gotteshaus sei dazu da, dass die Menschen dorthin zum Beten gehen. „Und da sollte man den Gläubigen nicht die Kirchen versperren“, meint Dörle. Dillingens evangelischer Stadtpfarrer Manuel Kleiner hält die Entscheidung der katholischen Diözese dagegen für plausibel. Die Kreuzigungsgruppe in der evangelischen Katharinenkirche sei vor einigen Jahren verwüstet worden. Seit dieser Zeit halte er die Kirche „im Zweifel lieber geschlossen als geöffnet“. Seine Einstellung habe sich allmählich geändert. „In meiner Jugend habe ich gesagt, der liebe Gott soll auf sein Zeug selber aufpassen“, erinnert sich Kleiner. Inzwischen sei ihm diese Lockerheit abhanden gekommen. „Wenn von Einbrechern auch Tabernakel angegangen werden, hört der Spaß wirklich auf“, sagt Kleiner.
In Finningen wurde die Lourdesgrotte beschädigt
Am Mittwoch teilte die Polizei eine weitere Attacke auf ein Gotteshaus mit: In Finningen haben in der Zeit zwischen Sonntagabend und Dienstagmorgen Unbekannte eine Scheibe der Lourdesgrotte in der Johannesstraße mit Steinwürfen beschädigt. Zudem wurden mehre Scheiben der einzelnen Kreuzwegstationen eingeworfen. Möglicherweise ist hierfür eine Steinschleuder benutzt worden. Den Sachschaden gibt die Polizei mit etwa 1000 Euro an.
Die Polizei bittet um Hinweise
Hinweise nimmt die Kriminalpolizei in Dillingen unter Telefon 09071/56-0 entgegen. Nach derzeitigem Ermittlungsstand geht die Polizei davon aus, dass an den Kircheneinbrüchen mindestens zwei Täter beteiligt waren. Im Umfeld der angegangenen Kirchen haben Zeugen zwei beziehungsweise drei dunkel gekleidete Männer im Alter von etwa 20 bis 25 Jahren beobachtet, die sich verdächtig verhielten. Zudem fiel ein hellgrauer Mittelklassewagen mit ausländischer Zulassung, aber auch ein älterer Wagen in verblasstem Grün, ähnlich der älteren C- oder E-Klasse-Limousinen von Mercedes, auf.
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