Frau Kastner, nach und nach lockert Bayern bekanntermaßen die Einschränkungen gegen das Coronavirus. Wie bewerten Sie als Leiterin des Gesundheitsamts die Entwicklung der Infektionen und Todesfälle im Landkreis Dillingen?
Dr. Uta-Maria Kastner: In der vergangenen Woche wurden uns deutlich weniger Fälle gemeldet, neue Todesfälle gab es seit fünf Tagen nicht mehr, im Pflegeheim Pro Seniore Bissingen genesen die Bewohner zunehmend. Die erste Infektionswelle haben wir also gut überstanden.
Wie hoch ist die Reproduktionsrate im Landkreis aktuell?
Kastner: Der Berechnung der Reproduktionszahl liegt eine komplexe mathematische Modellrechnung zugrunde. Sie wird von uns nicht berechnet und ist mit so kleinen Neuerkrankungszahlen wie bei uns im Landkreis auch nicht aussagekräftig. Die Neuerkrankungszahlen in sieben Tagen sind im täglichen Lagebericht des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit landkreisbezogen veröffentlicht. Demnach liegt die Zahl Stand Freitagvormittag bei 7,29 pro 100.000 Einwohner.
Die „Notbremse“, wie Markus Söder sie nannte, liegt bei 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner. Davon ist der Landkreis also weit entfernt. Für wie wahrscheinlich halten Sie es angesichts dessen, dass wir diese Zahl erreichen?
Kastner: Die Zahl der Neuinfektion ist stark vom Verhalten des Einzelnen abhängig. Sollte die Infektion zum Beispiel in einer Pflegeeinrichtung ausbrechen und zusätzlich eine andere große Hausgemeinschaft betreffen, sind 50 Neuinfektion pro Woche unter Umständen auch schnell erreicht.
Und was passiert genau, wenn es so weit kommt?
Kastner: Je nach fachlicher Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit können alle bisher bekannten Lock-down-Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz in Abstimmung mit der fachlichen Landesbehörde auch auf Landkreisebene wieder angeordnet werden.
Wie viele Tests im Landkreis Dillingen durchgeführt werden
Wie viele Tests werden im Landkreis aktuell durchgeführt?
Kastner: An der seit 31. März etablierten Teststation zwischen Dillingen und Lauingen wurden bisher insgesamt 484 Tests durchgeführt, das Gesundheitsamt führt zusätzlich Reihentestungen, zum Beispiel in Pflegeeinrichtungen durch, die im Labor des Landesamts untersucht werden. Seit Beginn der Corona-Pandemie wurden 491 Proben eingeschickt. Zusätzlich werden Tests durch die Hausärzte, den Fahrdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern und die beiden Kreiskliniken vorgenommen.
Greifen die bisherigen Schutzmaßnahmen aus Ihrer Sicht? Und werden sie auch überall entsprechend eingehalten oder nehmen die Menschen das Thema nach der langen Zeit schon auf die leichte Schulter?
Kastner: Bisher verhalten sich die Bürgerinnen und Bürger insgesamt sehr diszipliniert. Ich befürchte aber schon, dass mit den Lockerungen das Risiko einer Weiterverbreitung der Viren steigt, zumal es viele Menschen gibt, die nur leichte Symptome haben, die Erkrankung aber sehr schnell an viele andere weitergeben können, wenn die Abstandsregeln nicht mehr eingehalten werden.
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