Schon in wenigen Jahren erreichen die geburtenstarken Jahrgänge von 1958 bis 1968 das Rentenalter. Auf einen Schlag leben dann im Landkreis Dillingen wesentlich mehr Senioren als bislang. Wie muss die Politik darauf reagieren? Mögliche Antworten darauf fließen seit zehn Jahren in das seniorenpolitische Gesamtkonzept des Landkreises Dillingen. Zum Start dessen hatte man Senioren nach ihren Bedürfnissen gefragt. Größter Wunsch: Möglichst lange ein selbstbestimmtes und unbeschwertes Leben zu Hause oder im gewohnten Umfeld führen. Der Grundsatz des Konzepts lautet deswegen „ambulant vor stationär“. In den vergangenen zehn Jahren hat sich dahingehend einiges getan.
Mehr Senioren im Landkreis Dillingen: Jetzt kommen die Babyboomer
Isolde Demharter vom Landratsamt stellte nun den aktuellen Stand des Konzepts im Sozialbeirat vor. Das Projekt gliedert sich in elf Handlungsfelder.
Wohnen zu Hause Dabei seien vor allem die Kommunen gefordert, damit sie bei Neubauten darauf dringen, dass diese generell barrierefrei sind. Oder beim Aufbau von Angeboten für betreutes Wohnen zu Hause, für ehrenamtliche Helfer oder Fahrdienste unterstützen. Wie das eigene Zuhause bedarfsgerecht umgebaut werden kann und welche Fördermöglichkeiten es gibt, darüber informieren Regens Wagner in Dillingen, der ASB in Wertingen und eine zertifizierte Wohnraumberaterin/zertifizierte Pflegeberaterin der Stadt Dillingen. Ein Ziel sei, Beratertage für ein größeres Publikum anzubieten. Das wurde aber bislang aufgrund der Corona-Krise verschoben.
Information Eine Broschüre, die es gedruckt und im Internet auf der Seite des Landkreises als Download gibt, informiert etwa über Nachbarschaftshilfen, Seniorenheime oder individuelle Hilfen.
Gesellschaftliche Teilhabe In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Seniorenbeauftragten in Kommunen von anfangs neun auf 27 gestiegen. Das heißt, alle Gemeinden haben einen Ansprechpartner. Um die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen, gibt es bislang in zwei Orten einen Seniorenbeirat.
Ehrenamt Während der Corona-Krise sei diesem Feld eine besondere Bedeutung zugekommen. Generationsübergreifend hätten sich Menschen engagiert, lobte Isolde Demharter. Das verdiene besonderes Lob. Zudem würden mehr als 200 Menschen allein bei den Tafeln mit anpacken, die von mehr als 700 Menschen besucht werden. Und Nachbarschaftshilfen wurden inzwischen ebenfalls in allen Gemeinden installiert.
Die meisten Pflegebedürftigen werden von ihrer Familie umsorgt
Betreuung Acht ambulante Pflegedienste unterstützen Senioren dabei, möglichst lange zu Hause leben zu können. Weitere Unterstützungen bieten der Hausnotruf, Essen auf Rädern, hauswirtschaftliche Hilfen und auch Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige. Ein Großteil von ihnen käme ohne ambulanten Pflegedienst aus. Dass die meisten Pflegebedürftigen von ihrer Familie umsorgt werden, zeigt auch eine Zahl von 2017: Damals kümmerten sich um 67 Prozent aller Pflegebedürftigen deren Angehörige. Parallel dazu ist die Zahl der stationären Einrichtungen von zehn auf zwölf gestiegen, die Plätze von 990 auf 1114. Nach wie vor gibt es fünf Einrichtungen der Behindertenhilfe. Dort stieg die Zahl der Plätze von 518 auf 577. In Pflegeeinrichtungen werden inzwischen 61 eingestreute Plätze angeboten, zehn Jahre vorher waren es 45. Zwei Behindertenheime haben insgesamt vier Kurzzeitpflegeplätze. Für die Tagespflege sind, wie berichtet, vier eigene Einrichtungen in Dillingen und Gundelfingen geplant. Bislang halten sechs stationäre Pflegeeinrichtungen dafür 33 eingestreute Plätze vor (2010: ein Heim, zwölf Plätze). Finanzielle Hilfe aus einer Hand wird seit Anfang des Jahres in der Außenstelle des Bezirks im Schloss Höchstädt angeboten – seit dieser Woche sind dort auch wieder persönliche Beratungen möglich.
Für besondere Zielgruppen Sowohl der ASB Wertingen als auch das BRK Dillingen und die Alzheimer-Gesellschaft im Landkreis helfen Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen. Außerdem fanden verschiedene Veranstaltungen rund um das Thema in den vergangenen Jahren im Landkreis statt.
Vernetzung Seit 2018 findet in regelmäßigen Abständen ein „Pflegetisch“ für Akteure aus Politik, Pflege und Ehrenamt statt.
Hospiz- und Palliativversorgung Eine stationäre Versorgung von Palliativpatienten besteht im Landkreis nicht, bedauerte Landrat Leo Schrell. Er verwies auf das Hospiz in Heidenheim. Eine ambulante Beratung dagegen ist durch den Hospiz- und Palliativberatungsdienst St. Elisabeth Dillingen samt integrierter Hospizgruppe Wertingen-Höchstädt gewährleistet. Zudem gibt es das Lebenscafé als Angebot für Trauernde und den Wünschewagen des ASB Wertingen, der Schwerstkranken besondere letzte Wünsche erfüllt. Im Februar dieses Jahres fand bereits die 50. Fahrt statt.
Umsetzung Eine Vielzahl von Maßnahmen wurde gefördert. Nach Anträgen wurden allein in den Jahren 2012 bis 2019 mit Beschlüssen des Sozialbeirats knapp 30.000 Euro an Fördermitteln ausgeschüttet.
Knackpunkt Personal: "Ohne Pflegekräfte geht es nicht"
Kreisrat Dietmar Bulling (SPD) erkundigte sich nach einer Prognose für die nächsten sieben Jahre. Der Knackpunkt für die Zukunft sei Personal: „Ohne Pflegekräfte geht es nicht.“ Landrat Leo Schrell erinnerte daran, dass die ehemalige Altenpflegeschule und die Krankenpflegeschule im Landkreis inzwischen fusioniert haben, weil die Ausbildung generalisiert wurde. Neben der dreijährigen Ausbildung, die künftig zweigliedrig an beiden Standorten und in zwei Klassen in Wertingen angeboten werde, soll auch die einjährige Ausbildung zur Pflegekraft möglich sein. Bulling erkundigte sich, wie eine stationäre Hospizversorgung im Landkreis gelingen könnte. Schrell meinte, die Kassen würden dafür erst ab einer Einwohnerzahl von 150.000 bezahlen. Er erinnerte an den Versuch mit einem Dienstleister aus dem Ries, was „nicht so tragfähig war. Aber allein kriegen wir es nicht hin“.
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