Die Corona-Pandemie hat im vergangenen Jahr vieles grundlegend verändert. Der Fasching ist ausgefallen, die Kneipen sind geschlossen, Menschen müssen im Kampf gegen das Virus Abstand halten, nachts galten Ausgangsbeschränkungen. Mit dem heutigen Aschermittwoch beginnt für Christen eine 40-tägige Fastenzeit, die auf Ostern hinführen soll. Aber ist der Corona-Verzicht nicht Fastenzeit genug? Das fragen sich viele und denken darüber nach, ob man dieses Thema heuer nicht einfach sein lassen sollte, zumal man ja im Fasching nicht über die Stränge schlagen konnte.
Wichtige Dinge ausloten
Solchen Gedanken erteilt der Dekan des katholischen Dekanats Dillingen, Johannes Schaufler, eine Absage. „Die Fastenzeit sollte nicht ausfallen. Wir brauchen sie, um einige wichtige Dinge auszuloten“, sagt der Gundelfinger Stadtpfarrer. Es gehe nicht um die Bikinifigur im nächsten Urlaub, sondern um eine Sensibilität nach innen. Für Schaufler ist dies eine Zeit, die Christen für sich nutzen könnten. Die Frage laute: „Wie gehe ich mit mir, meinen Mitmenschen und mit Gott um“, betont der Dekan. Ihm gefalle das Motto der evangelischen Christen: „Sieben Wochen ohne“. Und er wolle sieben Wochen „ohne Neiddebatte“ verbringen, denn die greife gesellschaftlich um sich. „Man gönnt den anderen nichts“, sagt Schaufler und kommt auf die Vorwürfe gegen Bischof Bertram Meier zu sprechen. „Es stimmt nicht, dass er sich beim Impfen vorgedrängelt hat, er ist gebeten worden“, so die Sichtweise des Dekans. Die Fastenzeit sei auch in diesem Jahr „eine Chance – trotz Corona“.
In Frieden leben
So sieht es auch Wertingens evangelische Pfarrerin Ingrid Rehner. „Ja, wir brauchen sie“, lautet jedenfalls die klare Antwort der Seelsorgerin auf die Frage nach dem Sinn der Fastenzeit. Sie hat sich für die jetzt beginnenden 40 Tage das Motto „In Frieden leben“ gewählt. Denn Rehner ist immer wieder erschüttert, „wie wir in dieser Pandemie miteinander sprechen“. Die Pfarrerin spürt den Unfrieden und das Auseinanderdriften in der Gesellschaft, und die Fastenzeit sei eine gute Gelegenheit, dies zu ändern und Gott und die Mitmenschen in den Blick zu nehmen. „Wir sind im Lockdown auf Distanz zueinander gegangen, und jetzt müssen wir überlegen, wie wir wieder aufeinander zugehen.“ Rehner will noch achtsamer mit ihren Mitmenschen umgehen. Durchatmen, nachdenken, Verzicht einüben und Loslassen seien Verhaltensweisen, die die evangelische Pfarrerin pflegen möchte. „Ich will mir Zeit nehmen, um Gott und meinen Mitmenschen näherzukommen“, sagt Rehner.
Viele Menschen im Landkreis Dillingen, die wenig mit der Kirche zu tun haben wollen, nutzen die Fastenzeit dennoch als Gelegenheit, um Vorsätze zu fassen und neue Wege zu gehen. Einige nehmen diese sieben Wochen zum Anlass, um ein paar überflüssige Kilos auf den Rippen zu verlieren. Ein Effekt, der sich auch bei Gläubigen einstellt, wenn sie auf Alkohol und Süßigkeiten verzichten und weniger Fleisch essen. Einige wenige setzen gar auf das richtige Fasten, das immer wieder in Mode kommt. Der Höchstädter Allgemeinmediziner Dr. Jürgen Arnhardt hält jedoch nicht viel davon. „Dieses richtige Fasten erhöht den Harnsäurespiegel“, warnt Arnhardt. Für einen langfristigen Gewichtsverlust bringe das nichts. Es stelle sich schnell das alte Level wieder ein, solange nicht grundsätzlich die Ernährungsgewohnheiten überdacht werden. Genau darin sieht der Hausarzt den Sinn einer Fastenzeit – das Überdenken des eigenen Essverhaltens und lernen, Verzicht zu üben. Aktuell, so Arnhardt, gebe es aber wegen Corona gewiss andere, drängendere Themen.
Süßigkeiten und Corona-Pfunde
AOK-Ernährungsberaterin Angela Blind, die auch für Versicherte im Landkreis Dillingen zuständig ist, stellt grundsätzlich fest, dass Corona bei vielen eine Erhöhung des Gewichts gebracht hat. „Die meisten sitzen mehr zu Hause und berichten, dass sie zugenommen haben“, teilt Blind mit. Insbesondere Mütter mit übergewichtigen Kindern hätten sich bei ihr gemeldet. Da biete sich nun die Fastenzeit an, „die coronabedingten Pfunde“ loszuwerden. Die Ernährungsberaterin sagt, diese Zeit sei eine gute Gelegenheit, beispielsweise den ungezügelten Süßigkeitenkonsum in den Griff zu bekommen. „Um in ein besseres Gleis zu kommen und eine sinnvolle Gewichtsabnahme zu erreichen, braucht es aber eine Ernährungsumstellung“, betont auch Blind. Die AOK biete dazu ebenfalls in Online-Kursen Hilfe an. Die Expertin sagt: „Am Anfang braucht es den festen Entschluss, die Ernährung dauerhaft umzustellen.“ Und viele scheitern ganz offensichtlich vor der Ziellinie. Denn es dauert, wie Blind erläutert, mindestens neun Monate, um ein geändertes Essverhalten zu stabilisieren.
Bewusst Zeit für sich nehmen
Auf diesem Weg ist derzeit Wertingens Stadtpfarrer Rupert Ostermayer, der auf Anfrage unserer Zeitung zunächst „den Joker ziehen“ und zum Thema Fasten gar nichts mehr sagen wollte. Zum Hintergrund: Ostermayer hatte vor drei Jahren die Fastenzeit mit Fitness-Coach Markus Kratzer verbracht und dabei in unserer Zeitung Einblicke in sein neues „bewegtes“ Leben geboten. Dem Vernehmen nach hat der Seelsorger in der Zeit danach allerdings wieder Rückfälle in alte Verhaltensweisen erlebt.
Nun befindet sich der Pfarrer aber auf einem guten Weg. „Ich habe vor drei Monaten die Ernährung umgestellt und bewege mich“, informiert Ostermayer. Für ihn sei die Fastenzeit oft mit einem Missverständnis verbunden. „Fastenzeit heißt doch nicht grundsätzlich nur verzichten“, meint der Seelsorger. Wichtig sei es, im geistlichen Sinne in die Tiefe zu gehen und sein Verhältnis zu Gott und den Mitmenschen zu überdenken. Dies, so Ostermayer, könne auch bedeuten, sich etwas zu gönnen und sich beispielsweise bewusst einen halben Tag in der Woche für sich selbst als freie Zeit herauszunehmen.
Machen Sie mit und melden Sie sich
In den nächsten Wochen vor Ostern werden wir passend zur Umkehr in der Fastenzeit Menschen aus der Region vorstellen, die alte Pfade verlassen haben und neue Wege gegangen sind. Wer dazu Beispiele weiß, kann sich gerne unter der E-Mail-Adresse redaktion@donau-zeitung.de an uns wenden.
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