Was am Dienstag los war, sagt Apothekensprecher Dr. Matthias Schneider, haben er und seine Kollegen noch nicht erlebt. Seitdem bekannt ist, dass Menschen über 60 Jahre kostenlos drei FFP2-Masken in ihrer Apotheke bekommen, geht es rund.
„Es ist der Wahnsinn“, meint auch Tobias Powalowski von der Lauinger Apotheke St. Martin. Seit einer Woche stehe sein Telefon wegen der Masken nicht mehr still. Allein von Dienstag bis Mittwochmittag hatte er 1400 Masken abgegeben und hoffte, dass der restliche Vorrat noch bis zum Abend reicht.
Die kurzfristige Maskenaktion von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fand er „blöd – denn wo wollen wir denn jetzt so schnell alle die Masken herkriegen?“. Eben sei ein Kunde in seinem Geschäft ausgeflippt und habe herumgeschrien. Das sei nicht fair. Dazu Schlangen vor dem Geschäft in alle Richtungen.
"Das ist Humbug", sagt ein Apotheker in Bissingen
Auch in Bissingen geht es rund. „Es ist ein Humbug, wie man so eine Kampagne starten kann“, schimpft Werner Pepla von der Kesseltal-Apotheke. Die ganze Aktion sei weder durchdacht noch gesteuert gewesen. Im Hintergrund klingelte während des Interviews ununterbrochen die Türglocke seines Geschäfts. „Bis vor einer Stunde hatten wir noch Masken – jetzt sind sie aus. Was glauben Sie denn, was da los ist?“ Jeden Moment rechnet der Apotheker mit der nächsten Maskenlieferung.
200 Meter weit standen die Menschen am Dienstag vor seiner Apotheke – und ratschten. „Wir haben doch einen Lockdown, die Leute sollen daheimbleiben. Da machen wir alles dicht und schicken ausgerechnet die Risikogruppen zum Maskenholen.“ Dabei, so betonen er und seine Kollegen, sei keine Eile geboten. Die Apotheken sind vom Lockdown nicht betroffen. Masken für die Weihnachtsfeier bei den Lieben könne man entspannter in den nächsten Tagen holen, appellieren die Apotheker.
Doch auch am Mittwoch war die Nachfrage ungebrochen. In der Vogtei-Apotheke in Bachhagel bezeichnet Sabrina Pradl die Situation als „Ansturm hoch zehn“. Noch seien genügend Masken da.
In Höchstädt gibt es eine Eigenklärung, woanders nicht
Wie behält man da den Überblick, ob nicht doch vielleicht einer der Kunden jünger ist – oder gar Masken sammelt? Fast gar nicht. Zwar lassen sich viele Apotheken den Ausweis zeigen. Bei Risikopatienten unter 60 fragen manche mehr nach. Stammkunden, die im System hinterlegt sind, kann man abhaken. Manche lassen sich auch eine Eigenerklärung ausfüllen. Die muss dann vier Jahre lang aufgehoben werden, erklärt Daniela Brinz von der Höchstädter Stadt-Apotheke. Am Dienstag habe ihr das Unternehmen Max Health in Höchstädt unkompliziert 2000 Stück gebracht. „Auf dem Land, wenn man jemanden kennt, ein tolles Team hat und eine Firma pragmatisch mithilft, da geht das. Andernfalls hätten meine Kunden am Dienstag warten müssen.“
Lauinger Apotheken helfen sich
In den Stadtapotheken von Gundelfingen und Wertingen und in der Apotheke in Buttenwiesen waren insgesamt 4500 Masken verteilt worden. „Es ist an sich ja eine sinnvolle Maßnahme“, fand Johannes Riesinger, „deswegen versuchen wir das auch zu stemmen.“ Während er eine Eigenerklärung von seinen Kunden unterschreiben lässt, führt Apotheker Powalowski in Lauingen nur eine Strichliste und lässt sich die Ausweise zeigen. Er und sein Lauinger Kollege haben gemeinsam die Masken bestellt und helfen sich bei Bedarf gegenseitig aus. Denn es wäre sinnlos, fand Powalowski, wenn der einen Apotheke die Tür eingerannt würde, weil die andere überhaupt keine Masken hat. Er würde sich insgesamt mehr Miteinander unter den Kollegen wünschen.
Auch Heinz Klimesch von der Dillinger Cosmas- und der Wertinger Martinus-Apotheke hat seinen Kollegen ausgeholfen. Die Masken-Aktion sei schließlich eine gemeinsame Aufgabe. Außerdem zeige sie, wie wichtig die Apotheken vor Ort sind. „Das ist ein Vorteil. Aber auf die Corona-Krise hätten wir dennoch alle verzichten können“, sagt Klimesch.
Für alle Apotheken ist die Aktion eine Mehrbelastung. Weil auf einen Schlag plötzlich mehr Kunden auftauchen als sonst. Alois Haggenmüller von der Dillinger Marien-Apotheke erinnert daran, dass weiterhin kontrolliert werden muss, dass nicht zu viele Kunden im Geschäft stehen. Auch die Anfrage bei ihm sei riesig, die ersten Kunden standen am Dienstag schon vor Öffnung der Apotheke in der Rosenstraße Schlange.
Außerdem ist vor Weihnachten ohnehin mehr los, etwa, weil sich manche Geschäfte auch extra Gedanken gemacht haben. So gibt es in der Kesseltal-Apotheke traditionell eine Apothekenweihnacht mit Geschenkideen. Aber die adventliche Stimmung sei jetzt dahin, findet Pepla. Alles drehe sich nur noch um die Masken. Dabei hätte sich die Politik schon im Sommer Gedanken zu Schule, Einzelhandel oder Hygiene machen können.
Was man über FFP2-Masken wissen muss
Auch Apothekensprecher Dr. Schneider hält die ganze Aktion für „irre“, aber grundsätzlich seien die Apotheken für so eine Maßnahme ja da. Dass die Eigenerklärung keine wirkliche Kontrolle ist, sieht er auch. Dennoch lässt er sie von seinen Kunden ausfüllen, damit sie sehen, dass die Masken nicht einfach verschenkt werden. Eine deutliche Mehrheit der Kunden sei einfach dankbar. Rund 10000 Masken waren in seinen vier Apotheken bis Dienstagmittag weg. Schneider rechnet damit, dass die Nachfrage hoch bleibt. „Ja, man kann fragen, wie sinnvoll es ist, dass die Risikogruppen durch die Aktion aus den Häusern getrieben werden – aber wenn sie zu Weihnachten ihre Familien besuchen, werden sie die FFP2-Masken brauchen. Und deswegen sollen sie sie auch haben.“
Auch seine Kollegen sind sich alle einig, dass das Maskentragen sinnvoll ist und die FFP2-Maske einen deutlich besseren Schutz bietet als die normalen Einweg-Masken. „Es wäre doch schön, wenn die Oma zu Weihnachten kommt, eine Maske aufhat, man gemeinsam feiern kann und dennoch geschützt ist“, sagt Daniela Brinz.
Ihr Kollege Klimesch erklärt noch mal:
- FFP2-Masken halten 70 Prozent der Viren ab;
- müssen aber auch über die Nase gezogen werden,
- dann den Draht fest andrücken.
- Diese Masken sind nicht waschbar.
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